Vierzig Jahre hat dieser manische Moloch von einem Film-Kunstwerk bereits auf dem Buckel. Viel ist über die absurden, fiebrigen Dreharbeiten, die durchgeknallten Darsteller und die wahnwitzigen Szenen dieses flammenden Antikriegsfilms geschrieben worden. Regisseur Francis Ford Coppola, der dieses Monument auf dem schmalen Gerüst von Joseph Conrads Erzählung „Das Herz der Finsternis“ erbaute, scheint irgendwie besessen von genau diesem seiner Filme: Nun kommt eine weitere Version des Filmklassikers „Apocalypse Now“ in die Kinos und direkt anschließend ins Home-Entertainment: Vorhang auf für „Apocalypse Now: Final Cut“.
Während des Vietnam-Krieges bekommt der amerikanische Offizier Colonel Willard (Martin Sheen) den Auftrag, einen anderen Offizier in den Tiefen des vietnamesischen Dschungels ausfindig zu machen. Colonel Kurtz (Marlon Brando) war ein Eliteoffizier und ein herausragender Soldat, der während dieses Krieges außer Kontrolle geraten zu sein scheint. Willard wird mit einem Patrouillenboot den Mekong hinaufgeschickt, um Kurtz zu finden. Entweder, um ihn zur Vernunft zu bringen, oder, um ihn endgültig seines Kommandos zu entheben.
Wer muss das sehen?
Alle! „Apocalypse Now“ gehört auch heute noch zu den großen Filmklassikern, die jeder einmal in seinem Leben gesehen haben sollte. Man muss den Film, der jetzt in drei unterschiedlichen Versionen vorliegt, nicht mögen, aber dieses Referenzwerk nicht zu kennen, ist schon eine erhebliche Bildungslücke. „Apocalypse Now“ reflektiert den Zeitgeist der 1970er Jahre, hat einen kongenialen Soundtrack und ist schlicht Filmgeschichte – als grandioses Beispiel der „New Hollywood“ Phase.
Der Antikriegsfilm ist zugleich eine Reise in den Wahnsinn und die Abgründe der Seins wie auch in die dunkle Seele des Krieges an sich. Als sehr freie Literatur-Adaption zeigt „Apocalypse Now“ was möglich ist und ist als engagiertes pazifistisches Plädoyer prägend. Dieses Meisterwerk überhaupt einmal auf der großen Leinwand zu sehen, ist schon ein unvergleichliches (Film-)Erlebnis.
Was unterscheidet die drei Versionen von „Apocalypse Now“?
Soviel vorab: Anfang und Ende aller drei Filmversionen sind gleich. Die ursprüngliche Kinoversion von 1979 (Gesamtlänge 153 Minuten) konzentriert sich ganz auf die Suche nach dem Renegaten. Der Mekong, auf dem das Patrouillenboot unterwegs ist verläuft relativ geradlinig, zeigt etliche Aspekte des Krieges und seiner Nebenwirkungen auf Körper und Geist. Natürlich wurde jedes weitere Mal auch Filmrestaurierung betrieben.
In der Redux-Version hat Regisseur Francis Ford Coppola alles an Material hinzugefügt, was auffindbar war (Laufzeit 202 Minuten). Das beinhaltet im Wesentlichen zwei neuen Sequenzen: Eine mit dem abgestürzten Hubschrauber der Show-Abteilung und einen zufälligen Besuch auf einer alteingesessenen französischen Plantage. Vor allem diese Sequenz wurde hochgelobt, weil sie zeigt, dass Indochina früher von den Franzosen beherrscht wurde und die Probleme in der Region nicht erst mit dem Aufkommen des Kommunismus und dem Engagement der USA in diesem Teil der Welt begannen.
Außerdem wurde jene ikonische Szene anders platziert, in der zur Musik der Rolling Stones eine GI Wasserski läuft, weil es auf dem Fluss so langweilig ist. Abschließend wurde dem Erreichen von Kurtz Lager noch einige Szenen hinzugefügt.
Nun im Final Cut hat sich Coppola entschieden, sowohl einige Szenen in Kurtz Lager als auch die Szene mit dem abgestürzten Hubschrauber wieder zu streichen, was zu einer Länge von 183 Minuten führt. Im Nachhinein und im direkten Vergleich wirkt das plausibel, da die wieder entfernten Sequenzen eher vom Wesentlichen ablenkten, als neue Aspekte zu zeigen.
Welche Version ist die Beste?
Nachdem ich aus dem Kino kam, konnte ich mich nicht unbedingt Coppolas Meinung anschließen, dass dieser die ultimative Version des Films ist. Viel eher ist es so, dass der Film so großartig ist, dass selbst der Regisseur ihn nicht kaputt kriegt. Alle drei Varianten von „Apocalypse Now“ haben ihre Vorteile und viele der kleineren Schnitte und Umstellungen fallen wohl ohnehin nur dem Fachpublikum auf.
Die Originalversion hat einfach den Vorteil, dass sie als erstes in die Welt entlassen wurde und alle späteren Sichtungen und Versionen als Referenzpunkt prägt. Coppola meinte, er hätte damals zuviel aus dem Film herausgeschnitten, doch dadurch bekommt der Film ein Tempo und eine Dynamik, die in sich extrem stimmig und präsent ist.
Mit allen zusätzlichen Szenen verliert die Redux-Version viel von ihrem ursprünglichen Momentum, bekommt aber eine andere historische Dimension, indem auch die koloniale Vergangenheit Vietnams in den Film integriert wird. Selbstverständlich sind diese Geister der Vergangenheit auch gespenstisch inszeniert. Das ist filmisch schon unglaublich stark und wiegt den Verlust an getriebener Geschlossenheit auf.
Nun mit dem „Final Cut“ behebt Coppola wiederum die Momente, die ihm in der Redux-Version nicht gefallen haben. Das führt zu einer stärkeren Fokussierung und die erneuten Streichungen sind durchaus berechtigt, nur hat der „Final Cut“ dadurch auch nichts substantiell Neues zu bieten, außer den Aspekten der filmischen Restauration, die allemal wünschenswert und wichtig sind.
Hier also die Fakten der Restaurierung: Komplette Restaurierung der Audiospur, Abmischung in Dolby Atmos, Einzelreinigung von mehr als 300.000 Bildern, Abtastung im 4k High Definition Standard.
Wie bereits eingangs erwähnt, dieser Film ist so wahnwitzig, dass selbst der Regisseur ihn nicht mehr kaputt kriegt. Wer die Chance hat, sich „Apokalypse Now“ in welcher Fassung auch immer im Kino auzuschauen, der sollte das unbedingt tun. Das Publikum kommt zwar nicht an den Geruch von Napalm am Morgen, aber die Erkenntnis, dass Charlie nicht surft, ist weit mehr als nur ein knackiger Spruch.
Apocalypse Now – Final Cut
OT: Apocalypse Now – Final Cut
Genre: Drama, Anti-Kriegsfilm,
Länge: 183 Minuten, USA, 1979, 2019,
Regie: Francis Ford Coppola
Darsteller: Martin Sheen, Dennis Hopper, Robert Duvall, Marlon Brando,
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Studiocanal
Kinostart: 15.07.2019
DVD- & BD-VÖ: 29.08.2019
Kinostart Originalversion: 4.10.1979