Mandy: „…and rock’n‘roll me when i’m dead“

Da will es aber jemand wissen: In dem betörend-verstörenden Horror-Streifen „Mandy“ schickt Filmmacher Panos Cosmatos einen entfesselten Nicolas Cage auf blutrünstige Rachetour. Aber um ehrlich zu sein, ist das blutige Gemetzel gar nicht das Faszinierende an dem extremen Streifen sondern der psychedelische Weg hinab von diesem Schattenberg. Und weil es krass wird, hier gleich der ernst gemeinte Hinweis, dass „Mandy“ keine Jugendfreigabe hat und auch nichts für empfindsame Schöngeister ist.

Dass „Mandy“ überhaupt ins Kino kommt, ist eine kleine skurrile Überraschung, die man als Horror-Fan durchaus nutzen sollte, sofern man die Gelegenheit hat. Zwar bringt Koch Film „Mandy“ am 22. November sowieso als DVD- und Blu-ray auf den Markt, aber die exaltierte und psychedelische Bildsprache dieses ziemlich derben Films verdienen durchaus die große Leinwand. Der kleine Verleih „Drop-Out Cinema“ hat sich entschlossen, „Mandy“ im Rahmen der „Cinema Obscura“ -Reihe vor dem DVD-Start noch in die deutschen Kinos zu bringen. Wo „Mandy“ zu sehen sein wird, erfahrt ihr im Kinofinder auf der Filmseite des Verleihs.

Erstaunlicherweise war „Mandy“ bereits bei dem diesjährigen Filmfestival in Cannes zu sehen, lief dort in der „Quinzaine des Realisateurs“, also in der renommierten Nebenreihe der Filmschaffenden, und dürfte wohl für zumindest für Verwirrung gesorgt haben. Als Eröffnungsfilm des diesjährigen Fantasy Filmfests hingegen, ist bzw. war „Mandy“ genau im richtigen Umfeld angesiedelt. Damit sei nun nicht gesagt, dass der genuine Filmkritiker mit krasser Genrekost nichts anzufangen wüsste; ganz im Gegenteil: Zumeist braucht es eine gewisse Kenntnis, um Filme im Genre-Kontxt zu verorten. Nun aber Schluss mit der hochtrabenden Hinleitung und hinein in das Horror-Epos von Panos Cosmatos.

Anno 1983 lebt der Holzfäller Red Miller (Nicolas Cage) mit seiner Freundin Mandy Bloom (Andrea Riseborough) abgeschieden in einem Waldhaus auf dem Berg Shadow Mountain. Mandy arbeitet in einem kleinen Tankstellenladen, liest Science-Fiction und zeichnet Fantasy-Gemälde. Eines Tage hält eine Truppe von Hippies zufällig an dem Laden und deren Anführer Jeremiah Sand (Linus Roache) ist fasziniert von Mandy.

Als Oberhaupt dieser kleinen Sekte unter dem Namen „Children of the New Dawn“ lässt Jeremiah seiner Allmachtsfantasie freien Lauf und schickt seine Jünger aus, ihm Mandy zu bringen. Die hörigen Sektenmitglieder rufen daraufhin eine Gruppe diabolisch brutaler Biker zur Hilfe. Und die durchgeknallten Typen überfallen Red und Mandy des Nachts.

Trotz bewusstseinserweiternder Drogen und eines gefesselten, mit dem Tode bedrohten Red ist Mandy nicht willens sich Jeremiah hinzugeben. Der reagiert mit krankem Narzismus, lässt Mandy töten und Red zum Sterben zurück. Doch da hat der Sektenheini die Rechnung ohne den Lumberjack gemacht: Red überlebt, schmiedet sich eine Kriegsaxt und macht sich auf die Suche nach den Mördern seiner Freundin. Ein brutales Schlachtfest beginnt.

Es sind diese hypnotischen Farbfilter, die „Mandy“ von Beginn an definieren. Vor allem das alles überstrahlende, düstere Rot macht sich im Bild breit und schon während der wenigen Sequenzen, die Red und Mandy als eigenwilliges, aber glückliches Paar zeigen, liegt die Vorahnung von etwas Diabolischem allgegenwärtig in der Luft. Es sind Kleinigkeiten, die zeigen, dass auch das Paar nicht immer glücklich in der Einsamkeit dieses Bergfrieds existiert hat, aber das mag hinter den beiden liegen.

Doch es ist irreführend Red Miller, Nicolas Cages Charakter, als friedlichen Mann zu beschreiben, der im cineastisch-ästhetischen Sinne „Rot“ sieht und komplett austickt. Wer unter den Friedliebenden hat schon Zugang zur Gussform einer feisten Streitaxt und zu einer durchschlagskräftigen Armbrust. Hierbei handelt es sich nicht um die Werkzeuge eines schlichten Jägers. Dass der bildgewaltige Hinterwäldler-Horror mittels Drogen auf die Spitze getrieben wird, ist dem konsequenten Konstrukt des Films geschuldet. „Mandy“ ist ein alptraumhafter Trip, von dem ein Kollege anlässlich der Sichtung in Cannes schrieb, die konstante Verstärkung der Bilder sei das einzige filmische Prinzip, dem „Mandy“ folge. Das ist ebenso richtig wie es zu kurz greift.

Regisseur Panos Cosmatos will das Horror-Genre nicht transzendieren, er will keine Sinnhaftigkeit, keine moralische Botschaft oder einen sozialen Missstand thematisieren. „Mandy“ exerziert das Grauen eines psychedelischen Horrors bis zum bitteren bösen Ende. Dabei sind die Höllenbiker, deren Origin-Story alleine komplett krank ist, nur eine Ausgestaltung infernalischer Boshaftigkeit. Die Perversion von Hippie-Idealen, die bei den „Kindern der neuen Morgendämmerung“ auftritt, mag zwar an diverse durchgeknallte Sektenführer erinnern, aber die quasi satanistischen Elemente in „Mandy“ zeugen dann doch von reinem Genrekino, selbst wenn gelegentlich verzerrte Assoziationen zu „Montana Sacra – Der Heilige Berg“ (1973) von Alejandro Jodorowsky wach werden.

Der blutige Rachengel heißt nicht umsonst „Red“ und gibt seine Menschlichkeit ebenso schnell und komplett auf, wie ihm der Lebenssinn entzogen ist. Nicolas Cage gibt alles in der Rolle des rächenden Berserkers (denn auch diese Wikinger-Krieger haben sich vor der Schlacht mutmaßlich Drogen reingepfiffen), der nichts mehr zu verlieren hat. Das erinnert an selige „Evil Dead“ Zeiten oder an das „Texas Chainsaw Massacre“ und kann durchaus als gewollte Hommage an den Horrorfilm dieser Zeit angesehen werden. Doch der Soundtrack und die psychedelischen Farbspielereien zitieren ebenso stilecht jenes feinste italienische Giallo-Kino.

Panos Cosmatos ist es aber nicht um Nostalgie zu tun, sondern um eine durchaus zeitgemäße filmische Albtraum-Vision. Gerade im ersten Teil des Films, der die Figur Mandy auf ganz eigenwillige verzerrte Weise zelebriert, zeigt Andrea Riseborough welch ätherischen Charme sie zu entwickeln weiß. Nicht umsonst ist sie dafür beim Genre-Festival im spanischen Sitges ausgezeichnet worden. Natürlich unterstützt die Art der Inszenierung die filmische Präsenz der großartigen Schauspielerin, ebenso wie auch auch Nicolas Cage, der seinen Karrierezenit als Actionheld bereits überschritten hat, in seinem Rachewahn großartig aufspielen darf. Mit der Comic-Rage eines „Ghost Rider“ hat das wenig zu tun. Allerdings ist dieser Part des Films dann in seiner Handlung recht absehbar. Was keineswegs bedeutet, dass die Bilder einen nicht zu verstören mögen.

Panos Cosmatos „Mandy“ ist ein krasses Monster von einem Film, das zwar eine sehr eigene Bildsprache hat, dem Horror-Genre aber mit Verweisen auf die kultigen „Hellraiser“ Filme oder den abgedrehten Surrealismus eines Alejandro Jodorowski eine eigene blutrote Hymne schreibt.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Mandy
OT: Mandy
Genre: Horror
Länge: 116 Minuten, USA, 2018
Regie: Panos Cosmatos
Darsteller: Nicolas Cage, Andrea Riseborough, Linus Roache
FSK: ab 18 Jahren
Vertrieb: Drop-Out Cinema, Koch Films
Kinostart: 1.11.2018
DVD-& BD-VÖ: 2.11.2018

Mandy bei Cinema Obscure