Wenn ein Autor seinen Roman als Weltuntergangskrimi bezeichnet, weckt das gewisse Erwartungen an Apokalypse und Verbrechen. Hannes Stein, seines Zeichens ebenso Autor wie Journalist, den es von Berlin nach New York zog, verlegt sich in „Nach uns die Pinguine“ auf ein gewisses britisches Understatement in Sachen Erzählweise. Wie auch immer: Nach dem dritten Weltkrieg sind nur noch ein paar versprengte Reste der Menschheit auf dem Globus verteilt. Unter anderem auf den sehr britischen Falkland Inseln. Ein Inselrundgang mit dem ansässigen Radiomoderator.
Irgendwie war der Dritte Weltkrieg eine Verkettung von groben Missverständnissen. So zumindest analysiert Radiomoderator Joshua Feldenkrais jene Geschehnisse, die zum beinahe kompletten Auslöschen der Menschheit geführt haben. Im Laufe seiner privaten Ermittlungen zum gewalttätigen Mord am Gouverneur der Falklandinseln, wird allerdings immer mit britischer Zurückhaltung von „den betrüblichen Ereignissen“ gesprochen.
Feldenkrais, der als Erzähler und Detektiv in „Nach uns die Pinguine“ fungiert, ist kurz vor der Katastrophe auf den Falklands gestrandet, hat sich aber in die verschont gebliebene Gemeinschaft britischer Staatsbürger eingelebt. Dabei ist der gebürtige Jude und konvertierte Mormone auch noch schwul und eigentlich Amerikaner. Autor Stein bürdet seinem Erzähler also einen ganzen Schwung Quotenminderheiten auf. Aber wenn die Menschheit sich derart dezimiert hat, müssen einige Überlebende wohl oder übel Doppelfunktionen übernehmen.
By the Way: Neben den Überlebenden auf den Falklands, die so tun, als wäre eigentlich nichts weiter passiert, außer dass der Nachschub an englischem Essen ausgefallen ist, haben noch zwei menschliche Kolonien überlebt: Eine im ehemaligen San Franzisko und eine im ehemaligen Schanghai. Aber zurück auf die Falklands.
„Das Merkwürdigste an diesem Mord war immer das Motiv.“ beginnt Hannes Stein sein launiges und ziemlich klassisches Whodunnit?, welches Feldenkrais für den Leser aufdröselt. Denn der allseits beliebte Gouverneur der kleinen Enklave wurde mit einer Churchill-Büste erschlage. Vom Mörder keine Spur in dem geschlossenen Raum. Eingeweihte wussten zudem auch, dass der Gouverneur aufgrund einer Krebserkrankung nur noch wenige Wochen zu leben hatte.
Hannes Stein, der bei Galiani bereits seine Aufzeichnungen eines Auswanderers „Tschüss Deutschland“ sowie den Roman „Der Komet“ veröffentlicht hat, hat lesbar Spaß an seinem absurden, postapokalyptischen Szenario. Erzählerisch allerdings kommt der rund 200 Seiten starke Kriminalroman sehr unspannend daher. Der Ich-Erzähler breitet das Verbrechen in zwölf Kapiteln aus, die – wie anno dunnemals – bei Cerevantes „Don Quixote“ und Charles Dickens mit einer knappen Inhaltsangabe betitelt sind. Action ist in „Nach uns die Pinguine“ nicht zu erwarten. Alles wird in der erzählerischen Rückschau und mittels mehr oder minder geschwätziger Dialoge dargereicht, was durch seine indirekte Ansprache jegliche Restspannung des Kriminalfalls verdunsten lässt wie seinerzeit die Polkappen.
Aber es geht dem Autor sowieso kaum um die kriminalistische Aufbereitung des Verbrechens, vielmehr nutzt Hannes Stein das Vehikel Krimi, um der Weltgesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. Man braucht kein politisch historische Vorwissen um die Situation der Fallkland Inseln. Der Autor – beziehungsweise sein Erzähler – referieren den Falkland Krieg in den 1980er Jahren, der nicht unwesentlich dazu beitrug, die englische Premierministerin Maggie Thatcher zu einer der unpopulärsten Politiker ihrer Zeit zu machen.
Die menschlichen Verfehlungen, Kriege, Minderheitendiskriminierungen, Umweltsünden et cetera sind kenntnisreich zusammengetragen und werden mit einer gewissen ironischen Distanz in Kneipengespräche eingebaut. Zum Teil ist das ganz witzig, aber gelegentlich übertreibt es Hannes Stein dann doch und rasselt einfach in ermüdender Weise Katastrophen runter. Aber dann steht doch wieder eine Schachpartie an und Joshua Feldenkrais widmet sich wieder dem gemütlichen Zusammenleben dieses Restes der Menschheit.
Es gelingt Hannes Stein zwar mit Ironie und Lust an der Katastrophe namens Mensch ein weitgehend unterhaltsames Szenario zu entwerfen, aber auf der Lesestrecke wirkt die Aufzählung der menschlichen Konflikte und Krisen doch ein wenig zu enzyklopädisch. Weniger wäre eventuell mehr gewesen. Ebenso hätte der Handlung ein wenig mehr Drive auch nicht geschadet. Aber wozu die Eile, wenn sowieso alles verloren ist?
Roman-Wertung: (6 / 10)
Nach uns die Pinguine -Ein Weltuntergangskrimi
Genre: Satire, Kriminalroman,
Länge: 208 Seiten, 2017
Autor:Hans Stein
ISBN 978-3-86971-156-0
Verlag: Galiani-Berlin, Gebunden,
VÖ: 17.08.2017