Ausgerechnet eine Musikdoku trägt nun dazu bei, dass die Feierlichkeiten zum Lutherjahr 2017 keine rein deutsche Party werden. Jedes Jahr trägt die evangelisch lutherische Gemeinde in Aruba, Tansania, einen Chorwettbewerb aus. Da nehmen dann schon mal rund 1500 Laienchöre an den Ausscheidungen teil. Dokumentarfilmerin Julia Irene Peters und Co-Regisseurin Jutta Feit haben drei der Chöre bei ihren Vorbereitungen begleitet. Herausgekommen ist ein seltener, unaufgeregter Einblick in ostafrikanische Kultur und sehr schöne Musik.
Bereits der deutsche Dichter Johann Gottfried Seume wusste: „Wo man singt, da lass dich nieder, böse Menschen haben keine Lieder. Ja gut, das Originalzitat lautet leicht anders. Gesang ist in beinahe jeder Kultur und jeder Religion ein fester Bestandteil rituellen Zeremonien. Da macht auch die christliche Kirche keine Ausnahme. Man hätte allerdings nicht unbedingt vermutet, dass ausgerechnet in Ostafrika seit nunmehr 60 Jahren in großer christlicher Chorwettbewerb stattfindet, der dem Reformator Martin Luther huldigt.
An dieser Stelle nun die Kirchengeschichte und die Abtrennungen der diversen evangelischen Glaubensgemeinschaften auszuführen, würde zu weit führen. Immerhin gibt es in Tansaniea rund 6, 3 Millionen Lutheraner. Das ist immerhin die zweitgrößte Lutherische Kirche der Welt. In „Sing it Out – Luthers Erben in Tansania“ wird die Missionsgeschichte seit etwa 1890 aber in Form einer Animation kurz abgehandelt. Aber ganz eindeutig steht das hier und jetzt im Mittelpunkt des Films; Menschen, Chöre und die Motivation zu singen.
Es kommt für unsere Ohren schon recht Gospel-artig rüber, wenn die afrikanischen Chöre ihre christlichen Lieder präsentieren. Das war nicht immer so. Erst in neueren Zeiten war es überhaupt denkbar, die christlichen Inhalte mit traditioneller Musik zu vermengen. Heute verfassen einheimische Komponisten viele der Lieder. Und so vermischt sich in „Sing it Loud“ musikalisch Tradition mit Moderne, Ethnomusik mit religiöser. Eine feste Größe, weil Pfichtbestandteil bei den Wettbewerb, ist allerdings das von Martin Luther getexte (und wohl auch „komponierte“) europäische Kirchenlied „Eine feste Burg ist unser Gott“. Das müssen alle teilnehmenden Chöre – wenn auch mit einem ins Suaheli übertragenen Text – zum Besten geben. Dazu haben die Chöre freie Auswahl, was sie denn aufführen.
Es mag sein, dass bei dem Chorwettbewerb 1500 Gesangsgruppen teilnehmen, in Julia Irene Peters Film merkt man davon nicht viel, aber das ist nicht von Nachteil. Den Regisseurinnen geht es nicht um das Spektakel, den Event, sondern darum, Menschen zu zeigen. Ihr Leben und ihre Leidenschaft einzufangen und so etwas zu erzählen von dem Leben im heutigen Tansania. Insofern ist es auch folgerichtig, dass sich „Sing it Loud“ einer Konkurrenz-Dramaturgie enthält und die Beobachtungen mit der Kamera nicht in einem furiosen Finale enden, sondern in einem eher unspektakulären Endrunden-Vorsingen.
Ganz konkret begleitet „Sing it Out“ drei sehr unterschiedliche Chöre und einige von deren Mitgliedern. Während der Kanaani Jugendchor quasi als Projekt von drei Jugendfreunden entstanden ist die über das gemeinsame Singen zueinander gefunden haben. Der Chor verfolgt einen sehr poppigen musikalischen Ansatz. Anders als der Cantate Chor in der Stadt Aruba, der von dem Ehepaar Maria und Evarest als A Capella Projekt verstanden wird. Die beiden betreiben eine KFZ-Werkstatt und haben den Chor mit gleichgesinnten, sangesfreudigen Menschen gegründet. Ganz andere Voraussetzungen hat der Neema Chor, der als Projekt von einigen Bauern in der Nähe des Dorfes Monduli betrieben wird. Hier singt man ebenso inbrünstig, versucht aber die geistlich Musik mit der Tradition ihres Volksstammes zu verschmelzen. Das Leben hier auf dem Land ist einfach und karg, für den Chor-Wettbewerb müssen die Sänger und Sängerinnen um Martha und Simon extra einen Chorleiter engagieren, der Noten lesen kann und den Neema Sängern die jeweiligen Pflichtlieder beibringt. Der „Trainer“ will natürlich bezahlt werden, oft genug geschieht dies zum Teil mit Naturalien.
Für alle portraitierten Sänger stellt der jährliche Chorwettbewerb einen kleinen Höhepunkt im Jahr dar, es werden Lieder und Choreografien einstudiert und einige der Songs hat die Doku auch sehr launig gefilmt und aufbereitet. Und gelegentlich ist sogar ein Musikvideo dabei. Damit der Zuschauer nicht völlig mit den Chören allein gelassen wird, erklären die beiden Juroren des Wettbewerbs wie sich ihre Bewertung zusammensetzt. Diese Interview-Sequenzen bilden sozusagen die inhaltliche Klammer die vielen kleinen Beobachtungen, Chorproben und Wettbewerbsvorbereitungen. Und natürlich stellt sich auch die Frage, welche Rolle der Glaube bei alledem für die einzelnen Menschen spielt.
Am Ende geht es den Chören weniger ums Gewinnen als vielmehr um das Dabei Sein und das gemeinsame Feiern. Ebenso wie ein lebendiger Gottesdienst vielleicht sein sollte. Da könnte sich der ein oder andere europäische „U-Boot-Christ“ vielleicht eine Scheibe abschneiden.
Film-Wertung: (8 / 10)
Sing it Loud – Luthers Erben in Tansania
Genre: Dokumentarfilm, Musik, Afrika
Länge: 93 Minuten, D / TZA, 2017
Regie: Julia Irene Peters, Jutta Feidt
Mitwirkende: Maria Evarest, Evarest Mollel, Martha Simon Mollel, Simon Nyangusi Mollel, Nuru Masunga, Kelvin Gospel Mollel, Hezron Abel Mashauri
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: JIP Filmproduktion
Kinostart: 18.05.2017