Fighter: Extremer Vollkontakt

Kämpfe im Käfig, bei denen es voll zur Sache geht, sind allerbestes Material für Action-Filme. Dabei ist die Sportart Mixed Martial Arts (MMA) durchaus ein ernst zu nehmender Kampfsport. Die Doku „Fighter“ von Regisseurin Susanne Binninger geht der Frage nach, was das denn tatsächlich für Typen sind, die sich freiwillig und zur Unterhaltung eines Publikums mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln die Köpfe einschlagen. Das Ergebnis überrascht eigentlich nur Menschen mit Vorurteilen gegenüber Kampfsportlern, dennoch ist „Fighter“ sehr sehenswert ausgefallen.

Rein sportlich gesehen, ist Mixed Martial Arts so etwas wie die Königsdisziplin der Kampfsportarten, vielleicht vergleichbar mit dem olympischen Zehnkampf. Und dennoch, oder gerade deshalb, leidet MMA unter einem mehr als zweifelhaften Ruf. Dazu haben in der Vergangenheit einige gravierende Verletzungen ebenso beigetragen wie die publikumswirksame Inszenierung der Turnierkämpfe in einem Käfig. Und ohne den Wrestlern ihren Sport in Abrede zu stellen, MMA ist mindestens ein ebenso körperbetontes Spektakel, das auch von den Zuschauerreaktionen lebt.

Aber irgendwie geistert im Zusammenhang mit dieser Sportart auch viel gefährliches Halbwissen und abstruse Filmbildung durch die Diskussionen. Spätestens seit Regisseur Walter Hill Charles Bronson 1975 als illegalen Straßenkämpfer in „Ein stahlharter Mann“ (OT: „Street Fighter“) inszenierte, bestimmen Actionfilme auch das allgemeine Bewusstsein, was Kampfsportarten angeht. Sei es Jean-Claude van Damme in „Street Fighter (1994) oder in „Bloodsport“ (1988), der asiatische Kracher „Ong-Bak“ (2003) oder das großartige Drama „Warrior“ (2011): Immer wird sich gehauen und es geht äußerst brutal zu. Das beeinflusst die Sichtweise auf einen Sport schon erheblich. Vielleicht ist die weit verbreitete Ablehnung vergleichbar mit der, die im Computerspielsektor Ego-Shootern entgegenschlägt.

Mit dem Sport MMA hat das alles wenig zu tun. Hier gibt es Regeln und diverse Sport-Verbände, von denen die größeren auch international agieren. In regelmäßigen Abständen werden Turniere ausgetragen und ähnlich dem Boxen zählt die  individuelle Kampfstatistik, um den Erfolg eines MMA-Kämpfers zu messen.

Regisseurin Susanne Binninger hat drei sehr sympathische Protagonisten für ihre Doku  „Fighter“ gewinnen können. Andreas Kraniotakes, Lom-Ali Eskijew und  Khalid Taha trainieren und leben in Deutschland. Sie sind zwar Profisportler, aber anders als einige ihrer Kollegen in anderen Ländern oder Profisportlern in anderen, besser bezahlten Disziplinen  können sie von ihrem Sport nicht leben. Die drei sind sportlich auf recht unterschiedlichen Leveln: Während Kraniotakes schon einigen internationale Erfolge verbuchen konnte und sich während der Drehbarbeiten auf eine UFC-Kampf in Kroatien vorbereitet, sind die deutlich jüngeren Eskijew und Taha mit Vorbereitungen auf die deutschen Meisterschaften beschäftigt.

Die Doku zeigt in für Sportdokus üblicher Weise Einblicke in den Trainingsalltag und führt Interviews mit den Protagonisten, manchmal ganz beiläufig in der Kurzzeit-WG beim Kochen. Die eigentlichen Kämpfe machen nur wenige Filmminuten aus, sind aber gut eingefangen und auch akkustisch dergestalt unterlegt, dass man sich als Zuschauer ein wenig in die Kämpfer hineinversetzen kann. Die drei Protagonisten präsentieren sich bescheiden und sympathisch und deutlich reflektierter, als es das Klischee von prügelwilligen Kampfsportler behauptet. Sicher, solche mag es – wie in anderen Sportarten auch – geben, aber in „Fighter“ geht es darum Menschen zu zeigen, die über ihren Sport und ihre Leidenschaft kommunizieren können und wollen.

Und während Eskijew vor allem mit den strengen Diäten so seine Probleme hat, die notwendig sind, um das Kampfgewicht zu erreichen, macht sich Kraniotakes Gedanken über das Älterwerden. Mit 35 ist der studierte Sozialwissenschaftler ein gestandener Athlet und auch ein verantwortungsbewusster Familienvater. Was treibt ihn also, sich immer wieder der Herausforderung im Kampf zu stellen?

Auch Taha hat so seine Probleme, die allerdings ganz anderer Art sind. Seine Kampfstatistik spricht für sich, aber als Libanese kann er nicht uneingeschränkt zu Turnieren in anderen Ländern fahren.  Zwar ist Taha in Deutschland aufgewachsen, aber aufgrund seiner Einkommensituation, die gerade einmal für Lebensunterhalt und Sport reicht, wird ihm die Einbürgerung und damit der deutsche Pas, der einen arrieresprung bedeuten würde, nicht bewilligt. Auch die deutlich besseren Einkommensmöglichkeiten durch internationale Turnierteilnahmen fallen nicht ins Gewicht. Eine Filmszene aus dem Leben, die mit der MMA nur bedingt zu tun hat, aber eine Szene, bei der ich als Zuschauer angesichts deutscher Einwanderungspolitik einfach nur über den Tisch kotzen möchte.

Aber wieder zurück zum Sportlichen: Ja, die drei Protagonisten geben aufschlussreiche Einblicke und sehr persönliche Antworten auf die Frage, was sie denn an diesem professionalisierten „Fight Club“ reizt. Und neben der eigenen maskulinen Körperlichkeit hat das auch etwas damit zu tun, welchen Grat an Zivilisiertheit unsere Gesellschaft erreicht hat und wie klein das gesellschaftlich akzeptierte Fenster ist, in dem man seine natürliche Aggression ausleben kann.

Regisseurin Susanne Binninger gelingt mit ihrer MMA-Doku „Fighter“ ein aufschlussreicher und sympathischer Blick in eine Sportart, die immer wieder  mit ihrem zwielichtigen Ruf zu kämpfen hat. Am Ende bleibt die Gewissheit, dass sich seit den Zeiten Roms ein einigen Bereichen recht wenig geändert hat, noch immer lässt die Gesellschaft zu ihrer Unterhaltung Gladiatoren gegen einander antreten.

Film-Wertung:8 out of 10 stars (8 / 10)

Fighter
Genre: Dokumentarfilm, Sport
Länge: 100 Minuten, D, 2017
Regie: Susanne Binninger
Mitwirkende: Andreas Kraniotakes, Lom-Ali Eskijew, Khalid Taha
FSK: nicht geprüft
Vertrieb: Real Fiction Filme
Kinostart: 04.05.2017
Hamburg Premiere mit Regisseurin, Andreas Kraniotakes und Khalid Taha am 5.Mai 2017 im 3001 Kino

MMA-Profil Andreas Kraniotakes

MMa-Profil Khalid Taha

MMA-Profil Lom-Ali Eskijew