Für sein neuestes Historien-Epos hat sich der indische Regisseur Ashutosh Gowariker, dessen „Lagaan – Es war einmal in Indien“ 2002 sogar für den Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert war, ein Setting in der antiken Indus-Kultur vorgenommen, die in der Bronzezeit ihre Hochphase hat und neben den Kulturen in Mesopotamien und Ägypten als eine der ältesten Hochkulturen der Welt gilt. Diese Phase der Menschheitsgeschichte, über die wenig bekannt ist, zu bebildern, ist schon ein großes Vorhaben. Allerdings hat „Mohenjo Daro – Das Geheimnis der verschollenen Stadt“ auch eine große Liebesgeschichte zu erzählen.
Im Jahr 2016 vor Christus gehört der junge Sarman (Hrithik Roshan) zu den Stützen seines Dorfes im oberen Industal. Für jede Aufgabe die das Gemeinwohl erfordert wird Sarman gerufen, klagt seine Tante vor Sorge. Aber die Indigobauern des Dorfes Amri führen ein bescheidenes Leben. Als sich die Marktzeit nähert will Sarman unbedingt mit in die große Stadt Mohenjo Daro, um das Indigo und die anderen Waren des Dorfes zu verkaufen. Doch wie immer, verbietet ihm sein Onkel die Reise.
Dieses Mal Sarman ist allerdings entschlossen zu gehen und zusammen mit einem Freund will er heimlich vor der Morgendämmerung aufbrechen. Der Onkel, der einsieht, dass der junge Mann nicht mehr zu halten ist, gibt Sarman seinen Segen für die Reise nach Mohenjo Daro und einen geheimnisvollen Talisman falls Sarman in eine bedrohliche Notlage gerät. Und die Stadt erschlägt den jungen Mann beinahe mit ihrer sinnlichen Eindrücken, selbst wenn ihm ein Bettler zu Leibe rückt und ihn wieder aus der Stadt scheuchen will. Aber Sarman gewinnt auch Freunde. Und als er auf dem Markt die schöne Chaani (Pooja Hedge) erblickt, ist er sofort verliebt.
Dumm nur, dass Chaani, die Tochter des obersten Priesters ist und als Symbol für die große Flussgöttin des Indus verehrt wird, der hier die Grundlage für das Leben der Menschen ist. Um Chaani wiederzusehen, muss der einfache Bauer Sarman in die Oberstadt der Reichen gelangen. Dort allerdings entscheidet sich gerade die Zukunft der Stadt, den der erste Stadtrat Maham (Kabir Bedi) hat seine ganz eigenen Pläne, die nicht unbedingt zum Wohl der Stadt Mohenjo Daro sind, sondern zur persönlichen Bereicherung und um seinen Sohn Moonja (Arunoday Singh) zum Herrscher der Stadt zu machen.
Einst hatte Maham, der aus der ebenfalls prosperierenden Stadt Harappa verjagt worden war, vorgeschlagen den Indus oberhalb von Mohenjo Daro aufzustauen, um dort im trockenfallenden Flussbett nach Gold zu suchen. Und während Mahama heimlich einen Handel mit den Sumerern in die Wege leitet, regt sich in Mohenjo Daro Widerstand gegen seine Herrschaft. Und auch Sarman schließt sich den Volksprotesten an.
„Das Geheimnis der versunkenen Stadt –Mohenjo Daro“ legt gleich mit einer furiosen Actionszene los, um die Heldenhaftigkeit von Sarman zu belegen. Nur mit einem Dreizack bewaffnet, kämpft der Mutige gegen ein riesenhaftes Krokodil, das die Dorfbewohner schon lange genug bedroht hatte. Hier liegt schon die Vermutung nahe, dass der Held des Films nicht der einfache Bauer ist, der er zu sein glaubt. Das wird später noch einmal wichtig, weil ausgerechnet der Bösewicht des Films in Sarmans Leben eine Schlüsselrolle spielt. Aber auch in der Folge des rund 150 minütigen Bollywood-Films geht es bildgewaltig und farbenprächtig weiter.
Allerdings können die zum Großteil richtig sehenswert ausgefallenen CGI-Settings der antiken Stadt Mohnejo Daro, die in den 1920er Jahren von britischen Archäologen entdeckt wurde und heute zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört, nicht darüber hinwegtäuschen, dass die historische Romanze dramaturgisch einige Schwächen hat. Das liegt vor allem daran, dass Regisseur und Drehbuchautor Ashutosh Gowariker seinen Film praktisch in zwei sehr unterschiedlichen Hälften erzählt. In der ersten Hälfte von „Mohenjo Daro“ steht die Romanze des vermeintlichen Bauern mit der Priestertochter von hoher Geburt im Vordergrund der Geschichte, aber sobald klar ist, dass sich die beiden gegenseitig sehr zugetan sind, rückt die Machtintrige des ersten Stadtrates in den Mittelpunkt des Geschehens und braucht auch die Aufmerksamkeit des Filmhelden. Die Liebe muss dann erst einmal warten- nun ist Action angesagt.
Mit dieser Zweiteilung einher geht auch die musikalische Untermalung. Mit nur 3 Songs ist „Mohenjo Daro“ für einen Bollywood-Film schon mit eher wenigen Gesangs- und Tanzeinlagen ausgestattet und diese sind alle dem romantischen Teil der Geschichte zugeordnet, finden also während der ersten Filmhälfte statt. Ich hätte nie gedacht, das einmal zu äußern, aber mir persönlich war das erstens zu wenig und zweitens fehlte die musikalische Abwechslung, auch wenn die Choreographien zu gefallen wissen. In direkten Vergleich aktueller Bollywood-Blockbuster mit historischem Hintergrund hat hier „Eine unsterbliche Liebe – Bajirao & Mastani“ deutlich die Nase vorne.
Der zweite Teil, der sich mehr der Stadtpolitik und dem Konflikt von Sarman mit Maham zentriert, ist mit einigen guten Actionsequenzen angereichert. Zitiert aber auch einige westliche Erfolgsfilme, so etwa in der „Gladiatoren-Szene“ die doch stark nach Ridley Scotts „Gladiator“ aussieht und auch die finale Evakuierung der Stadt, wenngleich episch inszeniert, zeigt deutliche Parallelen zu Bibelfilmen, wie sie in den 1950er Jahren in Hollywood produziert wurden. Am Ende wird es dann arg pathetisch.
Die Darsteller wissen allerdings zu gefallen. Das romantische Paar Hrithik Roshan, der schon in dem historienepos „Jodhaa Akbar“ (2008)mit Regisseur Gowariker zusammenarbeitete und Newcomerin Pooja Hegde sind selbstredend Bollywood-üblich Augenweiden, aber Kabir Bedi, der älteren Zuschauern hierzulande vielleicht noch als „Sandokan“ aus der Mini-TV-Serie „Der Tiger von Malaysia (1976) in Erinnerung ist, spielt einen sehr diabolischen, egozentrischen und machtgierigen Bösewicht.
Wie eingangs schon angesprochen, ist aber auch „Mohenjo Daro“, die Stadt selbst ein eigener Charakter in diesem historischen Epos. Es gibt wenig gesichertes Wissen über die Indus-Hochkultur in der Bronzezeit, die wohl zeitlich zwischen 2800 und 1800 vor Christus einzuordnen ist, und mit Mahenjo Daro und Harappa zumindest zwei hochentwickelte Großstädte vorzuweisen hat. Erstaunlich an der Ausgrabungsstätte von „Mohenjo Daro“ war tatsächlich, dass man in der Stadt keine religiösen Bauten oder Herrscherpaläste nachweisen konnte, die „weltliche“ Stadtregierung durch Ständevertreter, die der Film nahelegt, ist also ziemlich plausibel.
Auch das Prinzip „Reihenhaus“ mit fließend Wasser ist durch die Forschung einigermaßen fundiert. Insofern wird auch der antike Staudamm halbwegs plausibel. Zwar bleibt das plötzliche Verschwinden der historischen Stadt Mohenjo Daro nach wie vor ein Rätsel, aber Ashutosh Gowariker ist ja auch ein Filmmacher und kein Historiker. Im Vordergrund steht in „Das Geheimnis der verschollenen Stadt“ also eindeutig die Unterhaltung und nicht die historische Genauigkeit. Etwas anderes zu verlangen, wäre vermessen.
Eine bessere Verzahnung der beiden Handlungsstränge Romanze und Machtintrige hätte Ashutosh Gowariker „Das Geheimnis der verschollenen Stadt –Mohenjo Daro“ sicherlich ebenso gut getan wie mehr musikalische Elemente. So kommt „Mohnejo Daro“ trotz recht kurzweiliger Geschichte und imposanter Visualisierung nicht über gefälliges Bollywood-Niveau hinaus.
Film-Wertung: (6 / 10)
Mohenjo Daro – Das Geheimnis der verschollenen Stadt
OT: Mohenjo Daro
Genre: Historisches, Drama, Romanze
Länge: 153 Minuten, Indien, 2016
Regie & Drehbuch: Ashutosh Gowariker
Darsteller: Hrithik Roshan, Pooja Hegde, Kabir Bedi
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Rapid Eye Movies
Kinostart: 25.08.2016
DVD & BD-VÖ: 25.02.2017
2 Kommentare
Dem Autor ist ein kleiner Fehler unterlaufen. Hrithilk Roshan hat nicht in Lagaan mitgespielt.
Danke für den Hinweis. Da habe ich ungenau recherchiert. Wird geändert.