Als das Familiendrama „Das Glück der Großen Dinge“ 2013 in die deutschen Kinos kam, war ich recht gespannt, weil die Macher zuvor „The Kids Are Allright“ produziert hatten. Allerdings ist der deutsche Titel „Das Glück der großen Dinge“ irgendwie überflüssig, handelt es sich doch um die Romanverfilmung von „„What Maisie Knew“ von Henry James, der auf Deutsch schlicht als „Maisie“ veröffentlicht wurde, aber vergriffen ist. Henry James hatte sich schon Ende des 19.Jahrunnderts mit Familienproblemen und verantwortungslosen Eltern auseinandergesetzt. Das wirkt in „Das Glück der großen Dinge“ erstaunlich aktuell.
Die kleine Maisie (Onata Aprile) ist die Tochter der alternden Rocksängerin Susanna (Julianne Moore) und des Künstlers Beale (Steve Coogan). Als deren Ehe in die Brüche geht, flüchtet sich Maisie in die Gesellschaft von Kindermädchen Margo (Johanna Vanderham). Dadurch gerät ihr sowieso schon extravaganter Alltag zunehmend aus den Fugen. Bei der Scheidung von Beale und Susanna entbrennt ein wüster Streit um das Sorgerecht. Beiden Eltern geht es dabei eher um eigene Befindlichkeiten und weniger um das Wohl des Kindes.
Immerhin heiratet Beale das Kindermädchen, um seiner Tochter Fürsorge angedeihen zu lassen. Kurz darauf ist auch Susanna erneut verheiratet: Barkeeper Lincoln (Alexander Skarsgard) gibt einen mehr als passablen Ersatzpappa ab. Doch die beiden Egozentriker Susanna und Beale vernachlässigen ihre Elternpflichten immer häufiger: Weder die Kinderübergabe klappt noch ist die Aufsichtspflicht gewährleistet. Notgedrungen kommen sich nun die als Ersatzeltern eingespannten Margo und Lincoln näher. Und abgesehen von ihren extrem störenden leiblichen Eltern, fühlt sich Maisie in dieser Konstellation ganz wohl.
Henry James schrieb „What Maisie knew“ Ende des 19. Jahrhunderts. Obwohl der Roman nicht zu seinen Hauptwerken zählt, scheint das Thema erstaunlich aktuell und sehr modern. Der Film „Das Glück der großen Dinge“ transportiert das Thema gelungen in unsere Zeit. Über weite Strecken wird dabei aus der Sicht der kleinen Maisie erzählt. Das ist filmisch sehr gelungen umgesetzt und zwischen Rockstardasein und Familienalltag angesiedelt. Die literarische Vorlage verfügt aber neben der Sozialkritik auch über einen recht bissigen Humor. In der Verfilmung von Regieduo David Siegel und Scott McGehee wird daraus ein lockerer Erzähltonfall, doch die erstaunliche Unfähigkeit beider Elternteile, sich um ihr Kind wirklich zu kümmern, schlägt schnell ins Überdramatische und beinahe Hysterische um.
Die Absicht der Filmmacher für ihre unkonventionelle Patchwork-Familiengeschichte einen liebevoll–ironischen Ton zu finden, will allerdings nicht recht aufgehen. Vor allem Julianne Moore, die als überspannte Rocksängerin großartig agiert, wirkt als Mutter so dermaßen tragisch überfordert, dass sich jegliche ironische Absicht hinter den Ereignissen der Geschichte verliert. Auch Steve Coogans Beale glänzt eher durch Instinktlosigkeit und Egoismus, als Vater glänzt er vor allem durch Abwesenheit.
Am Ende bleibt eine Dreiergemeinschaft der Ausgenutzten und Vernachlässigten, die als Kleinfamilie ganz funktionsfähig agiert. Aus der Sicht der Ersatzeltern Margo und Lincoln hat die Geschichte also durchaus etwas von einem unerwartet gefundenen Glück. Und auch Maisie, die ja schließlich die Hauptperson in der Geschichte ist, scheint die Ereignisse erstaunlich gut wegzustecken.
Die moderne Literaturadaption von Henry James‘ „What Maisie Knew“ zeigt viele Facetten des modernen Familienlebens auf, die funktionieren oder eben auch nicht. Der Film „„Das Glück der großen Dinge“ bietet unterschiedliche Identifikationsmöglichkeiten mit den Figuren an. Das vermeintlich komische Element wirkt allerdings bisweilen recht irritierend, angesichts des Themas. Aber das mag jeder Zuschauer anders empfinden.
Film-Wertung: (6 / 10)
Das Glück der großen Dinge
OT: What Maisie Knew
Genre: Drama,
Länge: 99 Minuten, USA, 2012
Regie: Scott McGehee, David Siegel
Romanvorlage: Henry James
Darsteller: Onata Aprile, Julianne Moore, Joanna Vanderham, Alexander Skarsgård, Steve Coogan,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Pandastorm, Studiocanal
Kinostart: 11.07.2013
DVD-VÖ: 21.11.2013