Ein ambitioniertes Projekt hatte sich Comiczeicher Markus Freise vorgenommen. Kreigserlebnisse einer wegsterbenden Generation festzuhalten. Das Unternehmen „Großväterland“ wurde mittels Crowd Funding auf den Weg gebracht und von dem Historiker Dr. Christian Hardinghaus begleitet. Nun hat Panini Comics die lehrreiche wie lesenswerte „Graphic Novel“ in gebundener Form herausgebracht.
Angetrieben von dem autobiografischen Impuls etwas über die Erlebnisse der Großeltern während des Zweiten Weltkrieges zu erfahren, begann sich Markus Freise, Kreativunternehmer und Illustrator, sich auf die Suche nach Zeitzeugen zu machen und deren Erlebnisse in Form von Kurzen Comic-Skizzen umzusetzen. Die jeweiligen Episoden werden in der Graphic Novel immer vom einem Begleittext des Historikers Dr. Christian Hardinghaus in den Zusammenhang gesetzt. Daraus ergibt sich in der Gesamtschau ein durchaus umfassendes Bild dessen, was der Zweite Weltkrieg für den Einzelnen bedeutet hat.
Die grafische Umsetzung beschönigt nichts, erliegt aber auch nicht der Versuchung dramaturgische Bögen zu schlagen, sondern schildet in einfach anmutenden Panels die jeweiligen Erinnerungen. Der comic-anteil bleibt bewusst Skizzenhaft und damit authentisch. Dadurch werden viele Aspekte des Krieges angesprochen und später auch aufgearbeitet, die selbst unter geschichtlich Interessierten nicht allzu bekannt sein dürften.
Während in anderen Ländern der Umgang mit den Zeitzeugen und Kriegsteilnehmern vergleichsweise verbreitet ist (siehe auch die dänischen Filme „9.April“, oder „Unter dem Sand“)hat sich die deutsche Geschichtsschreibung lange damit schwergetan. Lange Zeit war die Erinnerung an diese Zeit vor allem mit den Greultaten des Hitler-Regimes verbunden, der Holocaust und diverse Kriegsverbrechen überlagerte (zu Recht) die Schilderungen deutscher Kriegsteilnehmer.
In den letzten Jahren und Jahrzehnten scheint sich das geändert zu haben und man auch hierzulande gesteht dem Individuum prägende und /oder traumatisierende Erfahrungen zu, ohne dabei glich die Täterperspektive mitzudenken. Allerdings sterben die Zeitzeugen zunehmend aus und nehmen ihre eigenen Zeugnisse, die in früheren Jahren in dieser Form so nicht zu thematisieren waren, mit ins Grab.
Dass nun ausgerechnet eine „Graphic Novel“ sich auch aufmacht, einen historischen Beitrag zur Aufarbeitung und Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg vorzulegen, mutet nur auf den ersten Blick seltsam an. Graphic Novels, so weit der Begriff für „Literarische Comics“ eben zu fassen ist, hatten schon immer emotionale, politische und historische Themen zum Gegenstand. Nur ist das im Bewusstsein hierzulande noch lange kein Mainstream.
Noch immer hat das Medium mit dem hartnäckigen Vorurteil zu kämpfen, Bildergeschichten für Kinder zu erzählen. Angesichts der Tatsache, dass junge Leser und auch ihre Eltern in Deutschland nicht einmal ansatzweise von Kriegen betroffen sind, ist der Zugang zu dieser Historischen Epoche und auch zu dem Krieg als allgemeiner Extremerfahrung über die Erlebnisse der Zeitzeugen durchaus sinnvoll und zugleich weniger konkret und viel individueller als in filmischer Umsetzung. Das kann, wenn es so aufklärerisch umgesetzt ist wie in „Großväterland“ durchaus lehrreich sein und Interesse wecken.
Auch andere Medien halten diese Zeit lebendig und für spätere Generationen nachvollziehbar. Beispielsweise versuchte auch der TV-Mehrteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ (2013) die Erlebnisse der Kriegsgeneration lebendig zu halten. Die Fiktionalisierung ist allerdings nicht immer gänzlich gelungen und folgt eben einer Erzählungsdramaturgie, die seinerzeit noch als TV-Event angekündigt wurde.
Ich erinnere mich allerdings auch an das Zitat eines Wissenschaftlers in einer Doku über die Homosexuellenverfolgung in der DDR, der sagte, dass „der Zeitzeuge der Feind des Historikers ist“. Denn die eigene Erfahrung ist gemacht, die ihr zugrunde liegende Wahrhaftigkeit unanfechtbar und dennoch kann die Geschichtliche Einordnung eine ganz andere sein. „Großväterland“ löst diesen Konflikt vorbildlich durch die Zusammenschau von Erlebnissen und historischem Kontext.
„Großväterland“ ist die gelungene und lesenswerte Bemühung die Erlebnisse der „Kriegsgeneration“ in Deutschland auch für ein Publikum nachvollziehbar zu machen, das von Krieg nicht betroffen ist.
Comic-Wertung: (8 / 10)
Großväterland
OT: Großväterland
Genre: Graphic Novel, Kriegserinnerungen, Biografie
Autoren: Markus Freise, Christian Hardinghaus
Zeichner Markus Freise,
Verlag: Panini comics, Hardcover, 84 Seiten
VÖ: 20.10.2016
Großväterland bei Panini
Offizielle Homepage des Projektes Großväterland
Markus Freise Homepage