Unter dem Sand: Himmelfahrtskommando Minenräumung

unter_dem_sand_-under-sandet4-vorschauÄußerst selten gelingt es heutzutage einem Film, der sich mit den Zweiten Weltkrieg beschäftigt, noch Aspekte aufzuzeigen, die bislang kaum beleuchtet wurden, oder wenig bekannt sind. die dänisch-deutsche Ko-Produktion „Unter dem Sand“ gehört dazu. Nach dem Abzug der deutschen Besatzung in Dänemark ist die gesamte Westküste mit Landminen übersät. Viele deutsche Kriegsgefangenen werden dazu abgestellt die Minen zu räumen; unter ihnen auch viele Kinder. „Unter dem Sand“ ist ein eindrückliches Drama, das fast wie ein Thriller anmutet.

Im Mai 1945 ist der zweite Weltkrieg in Europa beendet und die deutschen Besatzungstruppen verlassen das nördliche Nachbarland Dänemark. Doch die dänische Westküste, einst von den Deutschen als möglicher, ja wahrscheinlicher Invasionsort der Alliierten bestimmt, ist voller Tretminen. 45.000 Landminen sind im Küstensand vergraben und müssen nun gefunden und entsorgt werden. Zu dieser tödlichen Aufräumarbeit, die eigentlich ein Himmelfahrtskommando ist, werden auch deutsche Kindersoldaten abgestellt.

unter_dem_sand_-under-sandet-5Der dänische Sergeant Carl Rasmussen (Roland Roland Møller) macht keinen Hehl aus seinem Hassgegen die Deutschen. Dennoch ist er überrascht, dass seinem Minenräumkommando junge Leute zugeteilt werden, die fast noch Kinder sind. Nach kurzer Einweisung werden die unbedarften Jugendlichen auf ein Stück Strand angesetzt, dass sie von Tretminen zu räumen haben. Doch das Dutzend junger Männer um Helmut (Joel  Morbach) und Sebastian (Luis Hofmann) leidet auch unter dem harten Regime der Dänen. Anfangs gibt es kaum Verpflegung und nach den Tagen am Strand werden die Jungs in einer Hütte eingepfercht. Erst als die Jungs heimlich von benachbarten Bauernhof etwas zu essen klauen, das sich als Rattengift herausstellt, hat der Sergeant langsam ein einsehen, und die Bedingungen verbessern sich für die Kriegsgefangenen.

unter_dem_sand_-under-sandet-1Regisseur und Autor Martin Zandvliet braucht nur wenige Szenen um die Stimmungslage in Dänemark nach dem Ende des Kriegs zu skizzieren, danach spielt sich der hochspannende Film beinahe ausschließlich am Strand selbst ab. Und so klar umrissen sowohl die Aufgabe als auch der Ort der Handlung sind, so intensiv gelingt es dem Film, den Zuschauer in seinen Bann zu ziehen. Dabei ist das einzige Mittel des Spannungsaufbaus die ständige Todesgefahr, die von den Landminen ausgeht. Aber das allein genügt, um eine Anspannung zu erzeugen, die recht schnell in Mitleid für die jungen Menschen umschlägt, deren Vorgeschichte man zwar nicht kennt, denen man aber als Teil des Restaufgebots des „deutschen Volkssturms“ gegen Ende des Krieges kaum wesentliche Kriegsverbrechen zutraut.

unter_dem_sand_-under-sandet2Schnell relativiert sich allerdings auch die zum Teil vielleicht nachvollziehbare Suche der Dänen und der englischen Truppen nach Vergeltung gegen die Deutschen. Die Aufgabe der Minenräumung durch Kriegsgefangene erledigen zu lassen, ist definitiv menschenunwürdig und ethisch mehr als fragwürdig. Und so geht es in „Unter dem Sand“ einerseits darum, wie die Jungen versuchen, hier mit dem Leben herauszukommen, andererseits aber auch um Fragen der Moral und einen Wandel im Bewusstsein des dänischen Befehlshabers. Der hierzulande kaum bekannte Roland Møller spielt das herausragend, zwischen cholerischen Wutausbrüchen und nachdenklicher Verantwortung für seine Truppe.

unter_dem_sand_-under-sandet3Dabei ist der Film realistischer Weise auch zum großen Teil auf Deutsch gedreht und auch das meistert Roland Møller beachtlich. Die jungen Kriegsgefangenen sind alle deutsche Darsteller, viele von ihnen ohne Schauspielerfahrung. Dass Luis Hofmann dabei so etwas wie eine Hauptrolle innerhalb der Minenräumer einnimmt, erinnert ein wenig an die Konstellation in dem Jugendheim-Drama „Freistatt“, in dem Luis Hofmann ebenfalls groß aufspielte. Aber auch die restliche Besetzung ist absolut trefflich und läuft zu sehenswerten Leistungen auf.

unter_dem_sand-under-sandet_4Auch wenn die Dramaturgie  in „Unter dem Sand“ absehbar scheint, gelingt es Martin Zandvliet („Applause“) immer wieder überraschende Variationen des Spannungsmomentums aus dem Hut zu zaubern. Das mag sich angesichts der Thematik makaber anhören, macht aber auch einen großen Teil der filmischen Faszination aus, die von „Unter dem Sand“ ausgeht. Darüber hinaus ist das Kriegsdrama von Kamerafrau Camilla Hjem, Zandvliets Ehefrau, auch großartig gefilmt und schafft es die faszinierende Küstenlandschaft an der dänischen Nordsee stimmungsvoll einzufangen. Das ist umso erstaunlicher, weil sehr viele Passagen des Films „aus der Hand“ gedreht wurden, ohne an Bildqualität zu verlieren. Als Bonus der Home Edition sind noch einige Behind the Scenes aufnahmen und rund 40 Minuten an Interviews mit den Beteiligten enthalten.

Das dänisch-deutsche Nachkriegsdrama „Unter dem Sand“ ist ein Film der in vielerlei Hinsicht unter die Haut geht und sowohl mit Spannung, guten Charakteren als auch einem sehr interessanten historischen Thema aufwarten kann, das durchaus auch für die Gegenwart relevant ist.

Film-Wertung:7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

unter_dem_sand_cover-2d_bdUnter dem Sand
OT: Under Sandet
Genre: Kriegsfilm, Drama, Thriller, Historie
Länge:  97 Minuten, Dk/ D,  2015
Regie: Martin Zandvliet
Darsteller: Roland Møller, Mikkel Boe Følsgaard, Louis Hofmann, Joel Basman, Leon Seidel u.a.
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Koch Media
Kinostart: 07.04.2016
DVD- & BD-VÖ: 22.09.2016