Heute kann man sich das kaun noch vorstellen, aber das deutsche Fernsehen war auch mal innovativ. 1972 wagte der WDR eine aufwendig produzierte Kinderserie nach dem Buch „Robbi, Tobbi und das Fliwatüüt“ von Boy Lornsen. Darin wurde Puppentheater mit realen Hintergründen verknüpft. Und noch heute hat die 11-teilige Serie unter Älteren durchaus Kultstatus. Vor einigen Jahren wurde die restaurierte Fassung für das Home Entertainment veröffentlicht. Nun hat Studio Hamburg Enterprises die Serie mit dem Roboter und den kindlichen Erfinder wieder auf den Markt gebracht.
Tobias Findeisen, genannt Tobbi, ist ein Erfinder und geht in die dritte Volksschulklasse. Er hat ein tolles Fahrzeug erfunden, das mit Himbeersaft betrieben wird: Das Fliwatüüt, das sowohl fliegen und fahren kann als auch im Wasser als Boot funktioniert. Nur weiß Tobbi nicht, wie er das Fahrzeug bauen kann. Da bekommt der Junge Besuch von dem Roboter ROB 344–66/IIIa, genannt Robbi, der in die dritte Klasse der Roboterschule geht und nun drei Prüfungsaufgaben zu erledigen hat. Robbi hat das Fliwatüüt einfach mal nachgebaut – und es funktioniert ganz vorzüglich – und Tobbi hilft ihn nun dabei die Aufgaben zu lösen. Dazu müssen die beiden Freunde einen Leuchtturm finden, zum Nordpol reisen und in Schottland eine dreieckige Burg finden. Mit dem Fliwatüüt ist zumindest einmal die Fortbewegung geregelt.
In das Kinderprogramm des deutschen Fernsehens der Nachkriegsjahre gehörte unbedingt das Marionettentheater. Die Formate der Augsburger Puppenkiste haben ganze Generationen von jungen TV-Zuschauern geprägt, als es hierzulande nur drei Programme und einen Sendeschluss gab. Mit „Robbi, Tobbi und das Fliwatüüt“ geht das Puppenspiel noch einen Schritt weiter und setzt die Marionetten in reale Hintergründe ein.
Das funktioniert mittels der Bluescreen-Technik, die mittlerweile dem Greenscreen gewichen und aus dem modernen CGI-Kino nicht mehr wegzudenken ist. Egal, ob „Herr der Ringe“, “Alice im Wunderland“ oder „San Andreas“, zuerst werden die Darsteller vor einem einfarbigen Hintergrund gefilmt und dann wird die Kulisse dazugebracht. Das Aufnahmeverfahren fand schon in den 1930ern bei „King Kong“ Anwendung und auch in „Ben Hur“ (1959), dessen Remake in diesem Jahr in die Kinos kommt. Mutmaßlich sind auch etliche der japanischen Monsterfilme wie „Godzilla“ auf ähnliche Weise entstanden.
Für das TV-Format und vor allem in Deutschland stellte diese Verfahrensweise eine innovative Neuerung dar und die Serie wurde mit ihren elf Folgen über zweieinhalb Jahre produziert, was damals extrem aufwendig war. Vor allem kommen Flugaufnahmen zum Einsatz, die zu der Zeit noch behördlich freigegeben werden musste, wie im Abspann der jeweiligen Folge zu lesen ist.
Wenn man die Serie „Robbi, Tobbi und das Fliwatüüt“ heute anschaut, hat das immer noch seinen Charme und die Verknüpfung der unterschiedlichen Aufnahmen hat ihren ganz eigenen Reiz. Das Format ist zwar kindgerecht und die Handlung ist absolut überschaubar, aber die Efekte, wie man heute wohl sagen würde, sind zum Teil einfach erstaunlich.
Man kann von einer mehr als vierzig Jahre alten TV-Serie nicht erwarten, dass Bildqualität und –technik heutigen Standards gerecht werden. Selbst nach der digitalen Überarbeitung bleibt die Serie etwas krisselig und unscharf und der Sound etwas blechern. Und natürlich kann man – wie in japanischen Monsterfilmen – die Fäden sehen, die die Marionetten bewegen, oder auch gelegentlich die Taucher, die den Delfin oder Nessie im Wasser bewegen, damit die Puppe nachher besser ins Bild passt.
Für kindliche Augen ist das aber absolut unerheblich und der inzwischen erwachsene Fan wird das als leicht trashiges Element wahrnehmen. Auch können die Marionetten selbst nicht mit denen der Augsburger Puppenkiste mithalten, weil der Hauptteil der Produktionskosten in die Landschaftsaufnahmen und die Tricktechnik geflossen ist. Aber das wird gleichermaßen unwichtig, wenn man selbst erst einmal mit dem Filwatüüt unterwegs ist.
Erzählerisch ist „Robbi, Tobbi und das Fliwatüüt“ in vielen Momenten ein Kind seiner Zeit, ist deutlich langsamer inszeniert, als Zuschauer das heute gewohnt sind, hat einige Redundanzen und gibt sich nicht gerade viel Mühe, die Handlung voranzutreiben. Robbis Eltern kommen überhaupt nicht vor, weshalb sich der junge Erfinder sich auch nirgends verabschieden muss. Auffällig an der Serie ist aus heutiger Sicht aber die extrem naive Annäherung an andere Länder und Sitten, der kindliche Sprachgebrauch Robbis und Tobbis, der ohne Bitte und Danke Floskeln auskommen und dem Seeungeheuer von Loch Ness schon mal Befehle erteilt, um dieses halbwissenschaftlich zu vermessen. Die Geschichte und das Buch selbst sind allerdings zeitlos und inzwischen zum Kinderbuch-Klassiker geworden.
Gesprochen wird Tobbi übrigens von Ulrike Luderer, der Tochter von Elisabeth Volkmann, und nicht von einem Kinderdarsteller. Das alles würde man heute vielleicht auch anders machen, aber auch bei Disneys Zeichentrick-Produktionen werden ja häufig Erwachsene für Kinderstimmen gecastet. Auch der leicht schräge, erstaunlichen Soundtrack von Ingfried Hoffmann ist eindeutig zu Beginn der 70er Jahre zu verorten: Die kleine, eingängige Melodie wird sowohl mit James Last-artigem Orchestersound versehen, als auch mit hippieesquem Gitarrengegniedel, das Captain Beefhearts Gitarristen alle Ehre machen würde.
Vieles was den zeitgemäßen Charme von „Robbi, Tobbi und das Fliwatüüt“ ausmacht, würde man für ein heutiges TV-Format sicherlich anders umsetzten, aber gerade das trägt auch erheblich zum Charme und der Faszination der Serie aus, die so viele Kids geprägt hat. Immerhin ist Erfinden hier etwas, was auch Kinder können und Roboter gehören quasi zum Alltag – und müssen auch zur Schule gehen. „Robbi, Tobbi und das Fliwatüüt“ ist auch heute noch eine erstaunliche Reise.
Serien-Wertung: (7,5 / 10)
Robbi, Tobbi und das Fliwatüüt
Genre: Serie, Kinderfilm
Länge: 263 Minuten, D, 1972, 11 Folgen
Regie: Armin Maiwald
Drehbuch: Armin Maiwald, Friedrich Arndt, Boy Lornssen, u.a.
Romanvorlage: Boy Lornsen
Vertrieb: Studio Hamburg Enterprises
TV-Erstausstrahlung: 1972
DVD-VÖ: 04.03.2016