Der Tel Aviv Krimi: Tapes und Tefilim

Sara Stein (Katharina Lorenz)Kriminalgeschichten gehen im deutschen Fernsehen immer. Das mag auch der Grund sein, weshalb man in der ARD eine lose Reihe von Regionalkrimis mit internationalem Flair glauncht hat. Der Tel-Aviv-Krimi ist einer davon. In zwei spielfilmlangen Folgen ermittelt Kommissarin Stein im jüdischen Milieu, oder um mit Zille zu schreiben: Miljöh, denn der Auftaktfall des „Tel Aviv Krimis“ spielt in Berlin und vermittelt einen Einblick in jüdisches Leben. Das Konzept für diesen Krimi-Zweiteiler der nun bei Edel  Motion erscheint, verspricht gute Unterhaltung.

Im ersten Fall „Tod in Berlin“ wird eine DJane auf dem Parkplatz vor einem Berliner Club tot aufgefunden und Kommissarin Sara Stein (Katharina Lorenz) und ihr Team beginnen zu ermitteln. Weil die Tote eine Israelin war, vermutet die Polizei auch einen rassistischen und / oder politischen Tathintergrund, aber schnell rückt der palästinensische Freund der Toten in den Fokus der Ermittlungen. Auch dessen Eltern, die ein kleines Reisebüro betreiben, scheinen Sara Stein und ihren Kollegen etwas zu verschweigen. Während der Ermittlungen tut sich aber auch etwas im Privatleben der Kommissarin, die noch Single ist. Als sie mit ihren Eltern ein klassisches Konzert besucht, lernt sie den israelischen Musiker David Shapiro (Itay Tiran) kennen.

„Tod in Berlin“ und „Shiv’a“

„Sara Stein-Shalom, Berlin" (AT), TV 60 Filmproduktion GmbH

Die Handlung von „Shiv’a“, dem zweiten spielfimlangen  „Tel-Aviv-Krimi“ setzt etwa ein Jahr später ein. Kommissarin Stein ist der Liebe wegen nach Israel gezogen und lebt mit David zusammen. Um auch in der neuen Heimat ihren Beruf ausüben zu können, hat sie die Polizeiakademie besucht und nun wird sie vom Comissioner auf ihren ersten Fall angesetzt und der stellt sich als vertrackt heraus: Der angesehene Chef-Inspektor Noam wird in seinem Haus tot aufgefunden.

Sara soll die Ermittlungen zusammen mit dem Kollegen Jaakov Blok (Samuel Finzi) leiten. Der ist alles andere als begeistert und die gesamte Abteilung scheint persönlich in den Fall involviert. Während der russlandstämmige Blok schnell mit einem Verdächtigen bei der Hand ist, gegen den der tote Kollege ermittelte, zieht Sara Stein auch andere Verdächtige in Betracht, etwa den Ziehsohn des Verstorbenen und auch den angesehenen  Architekten Gutman und es stellt sich heraus, dass auch der Kollege Blok ein Motiv hatte.

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Regisseur Matthias Tiefenbacher ist ein alter Hase in Sachen TV-Filme und Serien, von „Balko“ über „SK Kölsch“ und „Liebling wir haben geerbt“ bis zu „Die Trödel-Queen – Gelegenheit macht Liebe“ hat der Mann so ziemlich alles gedreht. Allerdings sind die Drehbücher von Maureen Hertzfeld und Martin Kluger alles, aber eben nicht spannend, eben jede Qualität, die man von einem Krimi auch erwarten möchte.

Dramaturgische Tiefe statt Spannung

Als Studie des jüdischen Lebens und jüdischer Kultur sowohl in Berlin als auch in Israel kann „der-Tel-Aviv-Krimi“ durchaus überzeugen, selbst wenn die deutsch-jüdische Koproduktion es im zweiten Fall „Shiv’a“ etwas übertreibt und einfach zu viele kulturelle Aspekte in die Handlung einflicht. Das wirkt dann etwas sehr um Völkerverständigung bemüht. Als Drama oder auch als Romanze hätte das Format wahrscheinlich besser funktioniert.

„Sara Stein-Shalom, Berlin" (AT), TV 60 Filmproduktion GmbH

Warum aber weiß gerade das Kriminalistische nicht zu überzeugen? Im ersten Fall, „Tod in Berlin“ liegt es an den Charakteren. Während die Kommissarin sich hauptsächlich rennend durchs Bild bewegt, ist ihr Team von geradezu phlegmatischer Statik. Weil sie mit ihrem Kollegen kurz  eine Beziehung hatte, darf der nicht mit zum Außeneinsatz, wo sich stattdessen eine Rechercheurin mit Angstzuständen in den Straßen Berlins beweisen muss.

Kleinstädtisches Berlin

Das hätte vielleicht funktionieren können, wäre es gelungen, auch Spannung zu erzeugen. Aber selbst in den Szenen, die auf Suspense ausgerichtet sind, wirkt „Tod in Berlin“  seltsam kleinstädtisch und verschnarcht. Da hilft es auch nichts, dass Katharina Lorenz eigentlich eine interessante Figur darstellt, die auch auf der Suche nach ihrer kulturellen Identität ist. „Tod in Berlin“ bleibt unbefriedigend;: zu statisch, zu schemenhaft, zu langsam (trotz der Rennerei), die Charaktere zu holzschnittartig, um wirklich zu berühren. (4 von 10 Punkten)

„Sara Stein-Shalom, Berlin" (AT), TV 60 Filmproduktion GmbH

In „Shiv’a“ werden die Karten dann neu gemischt und die Macher haben ein weiteres Pfund, mit den sie wuchern könnten: das orientalisch, exotische Setting einer israelischen Stadt. Tel Aviv wird auch leidlich in Szene gesetzt, mit normalen Straßen, designten Häusern und dem städtischen Strand, und hat so zumindest einmal Schauwerte zu bieten.

Wenig exotisches Tel Aviv

Auch die Charaktere sind stimmiger. Samuel Finzi als granteliger Bulle Blok ist eine Bereicherung für die Ermittlungen und stellt für die ansonsten unterforderte Katharina Lorentz zumindest mal eine adäquat ausgearbeitete Figur dar, an der sich so etwas wie zwischenmenschliche Spannung ausmachen lässt.

Sara Stein (Katharina Lorenz) mit Inspector Jakoov Blok (Samuel Finzi)

Aber auch in „Shiv’a“ ist gerade das Kriminalistische das Manko des Films. Und das trotz eines Auftaktes, der richtig viel Action verspricht: Parallelmontiert wechselt die Kamera zwischen einer Strangulation und dem Anlegen eines Tefilim, eines jüdischen Gebetsrimens. Da glaubt man als Zuschauer doch, es würde spannend werden. Die Ermittlungen aber sind zäh wie Leder und bewegen sich auf dem Spannungsniveau einer „Derreck“-Folge. Immerhin ist der Fall so vertrackt konstruiert, das man als Zuschauer beim Miträtseln noch Unterhaltungsmomente herauskitzeln kann. Da hilft selbst die bis auf die beiden Hauptermittler israelische Besetzung nicht viel. Auch und gerade in „Shiv’a“ ist aber das israelische Leben, das was eigentlich interessant ist. (5 von 10 Sternen)

In der Zusammenschau bleibt eine interessante, weil noch selten gesehene Stadtkulisse und eine Kommissarin, die als Charakter durchaus Potential hat. Leider bleibt das Potential durch die tempolose Inszenierung und einige Längen im Drehbuch auf der Strecke. „Der Tel-Aviv-Krimi“ ist wirklich nur für hartgesottene Freunde deutscher TV-Krimi-Kost zu empfehlen.

Serien-Wertung:5 out of 10 stars (5 / 10)

Cover_Tel_Aviv-KrimiDer Tel-Aviv-Krimi
Genre: Krimi, Drama
Länge: 2x 90 Min., D/IS, 2016
Regie: Matthias Tiefenbacher
Darsteller: Katharina Lorenz, Samuel Finzi, Itay, Itay Tiran
Sprache: Deutsch/Hebräisch Untertitel: Deutsch
Vertrieb: Edel Motion, ARD Degeto
FSK: ab 12 Jahren
DVD-VÖ: 11.03.2016