Treue Leser kennen das schon: In Hamburg ist wieder die Zeit des Filmfests (1. bis 10. Oktober 2015) und ich bin auch in diesem Jahr dabei und haue mir die Tage und Nächte mit Filmen um die Ohren. Unter dem Hashtag #FFHH15 gibt es in den kommenden Tagen höchst subjektive und hoffentlich erhellende und anregende Eindrücke von den gesichteten Werken. Aber zum Auftakt des mit rund 170 Filmen bislang umfangreichsten Filmfest Hamburg erstmal einige Vorbemerkungen und Orientierungshilfen, sowie eine Liste der 10 Filme, die ich am gespanntesten erwarte.
Ein paar Neuerungen gibt es in diesem Jahr beim Filmfest Hamburg. An Spielstätten, sprich Kinos, ist das kuschelige, kleine B-Movie in der Brigittenstraße neu hinzugekommen, dafür fällt das sehr gemütliche 3001 in diesem Jahr aus den Veranstaltungsorten heraus; Schade eigentlich. In Abaton, Cinemaxx Dammtor, Metropolis, Passage und Studio Kino kann man wie gehabt Filme des Filmfests angucken. Und davon gibt es in diesem Jahr eine ganze Menge. Aber bevor ich hier zu weitschweifig werde, werft selbst einen Blick in die Programmhefte oder auf die Festival-Homepage mit allen relevanten Daten und Infos.
Etwa 170 Filme, das sind 30 mehr als im vergangenen Jahr, erreichen so langsam das maximale Fassungsvermögen für die 10 Tage des Festivals, aber es wird auch für jeden Kinogänger etwas dabei sein. Wie gewohnt haben einige der Beiträge auch schon einen avisierten offiziellen Deutschland-Start, der in den kommenden Monaten liegt, aber wer die sehenswerten „A Perfect Day“ (Kinostart: 22.10.2015) oder auch den gelungenen Eröffnungsfilm „Das brandneue Testament“ (Kinostart: 3.12.2015) gerne schon vorab genießen will, kann sich auf schöne, sehenswerte Filme freuen. Den Abschluss bildet das iranische Drama „Paradise“.
Obwohl das mit steigender Filmzahl nicht unbedingt einhergehen muss, ist die Anzahl der einzelnen Filmreihen in diesem Jahr auf 13 angestiegen, nachdem man das 2014 von elf auf neun reduziert hatte. Ob nordamerikanische Filme eine extra Sektion brauchen, wage ich zu bezweifeln, Hamburger Produktionen aber in jedem Fall. Die Hamburger Filmschau präsentiert eine feine Mischung aus Dokus und Spielfilmen und ist komplett auf das erste Festival-Wochenende terminiert (leider laufen alle Filme daher nur an einem Termin, nicht wie üblich an zweien).
Das Michel-Kinderfilmfestival, auch in diesem Jahr in Kooperation mit dem Frankfurter Lucas, hat einige feine Filme im Angebot. Vor allem der Eröffnungsfilm „Das Lied des Meeres“. Das verspricht traumhaft schöne Animationen. Der Länderschwerpunkt „Israel Deluxe“ ist von Ari Folman, der neben „The Walz“ auch für die wunderbare Stanislav Lem Verfimung „The Congress“ bekannt ist, fein zusammengestellt, aber angesichts der riesigen filmischen Konkurrenz wohl eher was für engagierte Cineasten. Mal sehen, ob ich den einen oder anderen Film aus der Sektion schaffe.
Action-Fans sollten sich das chinesische Spektakel „The Assassin“ vormerken und vielleicht auch die argentinisch-uruguayische Koproduktion „Parabellum“, die als Geheimtipp gilt. Literaturaffine Menschen können sich auf „The End of the Tour“ freuen, einen Spielfilm über den amerikanischen Schriftsteller David Foster Wallace. Wer afrikanisches Filmschaffen verfolgt, das man hierzulande eher selten zu Gesicht bekommt, sollte „Eye of the Storm“ nicht verpassen, ein Politdrama über einen ehemaligen Kindersoldaten und wem die amerikanische Satire „The Interview“ als Nordkorea-Kritik zu stumpfsinnig war, der hat mit „Songs From The North“ die Möglichkeit, eine südkoreanische dokumentarische Annäherung an das mysteriöse abgeschottete Bruderland zu erleben.
Ich zähle eher zu jenen Festival-Gängern, die nach Filmen Ausschau halten, die sie sonst nie zu sehen bekommen würden: Experimentelles, Abseitiges oder einfach aufgrund von Herkunft oder Thema oder Budget so nischenhaft, dass sie kaum jemals im normalen Kinoprogramm zu sehen sein werden. Wer da ähnlich veranlagt ist, und vor allem das Experimentelle und Schräge sucht, kann eigentlich gleich ein B-Movie-Abo abschließen und sieht fast alles, was in dieser Hinsicht relevant ist.
Und zum Abschuss wie angekündigt noch in alphabetischer Reihenfolge die
10 Filme auf dem #FFHH15, auf die ich mich am meisten freue
Ein Low-Budget Sci-Fi-Drama mit skurrilem Humor? Sieht eher aus, als habe da jemand Raumschiff Orion wiederbelebt. Bei so einem Konzept hängt alles an den Dialogen. Meine Experimentierfreude rät mir zu. Könnte ein kultiger Geheimtipp werden – oder totaler Bullshit.
Sa, 03.10. – 17:00 B-Movie & Di, 06.10. – 19:15 CinemaxX Dammtor
Das in Cannes prämierte Drama um einen tamilischen Freiheitskämpfer, der in Paris gestrandet ist, kommt zwar im Frühjahr auch bei uns in die Kinos, aber so lange mag ich nicht mehr warten. Mit „Ein Prophet“ und vor allem mit „Der Geschmack von Rost und Knochen“ hat Regisseur Jacques Audiard derart magnetisches, sehr körperliches Kino hingelegt, dass auch „Dheepan“ hoffentlich eine gewisse Wucht entwickeln wird und ein intensives Kinoerlebnis zu erwarten ist.
Mi, 07.10. – 19:00 Passage & Sa, 10.10. – 21:30 Metropolis
3. Granny’s Dancing on the Table
Dieser Ausflug in die Schwedischen Wälder kann aufgrund seiner düsteren Handlung auch durchaus in die Hose gehen. Aber eine gewalttätige Vater-Tochter-Beziehung in einem Mix aus Stop-Motion-animation und Realfilm zu erzählen, hört sich zumindest für mich extrem spannend an.
Sa, 03.10. – 19:30 Abaton & Mi, 07.10. – 19:00 Studio
Eine indische Shakespeare-Adaption kann funktionieren, muss aber nicht. Allerdings hat Regisseur Vishal Bhardwaj vor dieser „Hamlet“-Variante auch schon erfolgreich „Othello“ und „Macbeth“ bearbeitet. Hab ich beides nicht gesehen und freue mich einfach auf 160 furiose Bollywood-Minuten.
Sa, 03.10. – 16:30 Metropolis & Fr, 09.10. – 16:00 CinemaxX Dammtor
Der amerikanische Dokumentarfilmer Frederic Wiseman gilt als einer der Pioniere des Direct Cinema. Seine Stadtteilbeobachtungen in Jackson Heights sind zwar drei Stunden lang, versprechen aber spannende Einsichten – nicht nur für Soziologen, Anthropologen und Stadtplaner die sich mit Multi-Kulti auseinandersetzen müssen und/ oder wollen. Ein Spaziergang, der sich hoffentlich lohnt.
Fr, 02.10. – 20:45 B-Movie & Fr, 09.10. – 20:45 Metropolis
Ich steh halt auf Musikfilme, insofern ist das autobiografische französische Bio-Pic von Abd Al Malik, Teil der New African Poets, Pflichtprogramm. Punkt.
Sa, 03.10.2015 – 19:15 CinemaxX Dammtor & Mo, 05.10. – 19:15 Abaton
Als er mit seinem grandiosen “Monsieur Lazhar“ beim Filmfest Hamburg zu Gast war, habe ich mich extrem nett mit Regisseur Philippe Falardeau unterhalten. Nun bin ich gespannt wie sein neuer Film nach dem Hollywoodausflug „The Good Lie“ ausgefallen ist. Die Politsatire kann eigentlich nicht enttäuschend werden.
Fr. 2.10.201 19:00 Passage
Ein Drama über jüdische Sonderkomandos in Auschwitz ist nicht gerade erbaulich, verspricht aber großes Kino zu werden. Trotz Goldener Palme hat der Film noch keinen deutschen Starttermin.
Sa, 03.10.2015 – 21:30, Passage & Fr, 09.10.2015 – 17:00, CinemaxX Dammtor
Oder besser: „Utbüxen kann keeneen. Mit ihrer hinreißenden Doku „Bingo“ haben mich Margot Neubert-Maric und Gisela Tuchtenhagen, die man inzwischen ja fast als Grand Dame des deutschen Dokumentarfilms bezeichnen kann, 2012 total begeistert. Auf ihre plattdeutschen Alltagsportraits über Menschen die mit dem Tod zu tun haben, freue ich mich riesig und hoffe erneut auf scheinbar schlichte, zurückhaltende und respektvolle Dokumentarkunst.
So. 04.10.15:00 Metropolis
Ein chinesischer Experimentalfilm über eine inzwischen zur Geisterstadt verkommende Boomtown zwischen Performance und Ruinen kann eigentlich nur spannend sein. In Doppelvorstellung mit The Eight Trigrams.
Di. 6.10.2015. 21:15 B-Movie
Wir sehen uns im Kino!