Da hat Explosive Media eine kleine Filmperle ausgegraben: Ende August kam nach mehr als vierzig Jahren, sozusagen als deutsche DVD-Premiere, das englische Sci-Fi-Drama „These Are The Damned“ heraus und entpuppt sich als nach wie vor sehr sehenswert. Der Film hatte seinerzeit schon Veröffentlichungs-schwierigkeiten und ist – von einigen Filmnerds abgesehen – weitgehend untergegangen. Dabei wurde „Sie sind verdammt“ von der Aurum Film Encyclopedia als „der Höhepunkt der ersten Welle von britischen Sci-Fi-Filmen nach dem zweiten Weltkrieg“ tituliert.
Als der amerikanische Tourist Simon Wells (Macdonald Carey) in einem britischen Küstenort von einer unbekannten attraktiven jungen Frau in eine Falle gelockt wird, ahnt er nichts Böses. Doch die junge Frau namens Joan (Shirley Anne Field) ist die Schwester von King (Oliver Reed), dem Anführer einer Rockerbande, die den Touri zusammenschlägt und ausraubt.
Doch Joan hat keine Lust mehr, für King den Lockvogel zu spielen, und fühlt sich zu Simon hingezogen. Als sie den Amerikaner auf seiner Yacht besucht, stellt Kings Bande die beiden und legt Simon ans Herz, schleunigst zu verschwinden. Aber Joan nutzt die Gelegenheit zur Flucht und ist entschlossen, mit Simon durchzubrennen.
Auf See kommen ihr dann aber doch Zweifel, auch weil sie weiß, wie besitzergreifend King ist, und Simon setzt die junge Frau an Land ab. Joan sucht Unterschlupf im sogenannten Vogelhaus, einem Anwesen an der Steilküste nahe eines militärischen Sperrgebiets, das der Militärforscher Bernard (Alexander Knox) der Künstlerin Freya Nielsen (Viveca Lindefors) jeden Sommer zur Verfügung stellt. Doch Kings Bande sucht Joan und Simon und die beiden stürzen von der Klippe.
Packende Science-Fiction
Überraschender Weise werden die Beiden von Kindern gerettet, die in einer in die Felsen gebauten Forschungsstation abgeschottet leben. So hilfsbereit die Kinder sind, so seltsam sind sie auch. Völlig isoliert aufgewachsen, haben sie keine Ahnung von der Welt und ihre Körpertemperatur ist leichenartig kalt. Die Kinder versuchen Joan und Simon, für die es keinen Weg hinaus gibt, vor ihren Lehrern und Betreuern zu verstecken. Als auch King in der Höhle auftaucht, eskaliert die Situation.
„Sie sind verdammt“ entstand 1961 als Produktion der legendären britischen Hammer Film Productions. Regie führte der amerikanische Regisseur Joseph Losey, der bei Berthold Brecht und am Russischen Theater studiert hatte. Aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei war Losey in der McCarthy-Ära auf der Schwarzen Liste gelandet und konnte in den USA keine Filme mehr drehen. Er immigrierte 1958 nach England und erarbeitete sich hier mit seinen Genrefilmen einen Namen. Drehbuchautor Evan Jones und auch Charakterdarsteller Oliver Reed blieben langjährige Drehpartner von Losey.
Die Story von „Sie sind verdammt“ basiert auf dem Sci-Fi-Roman „Children Of The Light“ von H.L. Lawrence (nicht zu verwechseln mit D.H. Lawrence, dem Autor von „Lady Chatterley“) und inszeniert die zeitgemäße Angst vor der atomaren Bedrohung wie sie Ende der 1950er Jahre gesellschaftsprägend war. Das zeigt sich im Film vor allem in der tief verwurzelten Gewissheit des Forschers Bernard, dass der Atomschlag unausweichlich ist und die Menschheit daher „weiterentwickelt“ werden müsse, um zu überleben. Mit der Künstlerin und Ex-Geliebten Freya führt er einige Diskurse darüber. Ein weiterer Aspekt ist das gruselige Element des Films, das sich in nahezu klassischer Gothik-Manier der Hammer-Filme mit dem Grauen der Forschung auseinandersetzt, wie etwa in den Frankenstein-Filmen mit Peter Cushing. Das Gruseln bleibt bei heutiger Sichtung allerdings hinter der dargestellten Gesellschaftsangst zurück.
Rebellische Teenager
Für eine weitere spannungsgeladene Filmebene sorgt Oliver Reed als psychotischer Rocker-König King. Er hat – wie auch der Forscher Bernard – klare Vorstellungen von Gut und Böse, definiert das allerdings komplett egozentrisch und ist vor allem auf das Beschützen seiner Schwester fixiert. Die freilich ist in diesem Schutz ähnlich gefangen wie die Kinder in der Isolation. Die Rockerbande spiegelt eine weitere gesellschaftliche Angstvorstellung.
In der Verrohung der vernachlässigten und perspektivlosen Jugend manifestiert sich eine sinnlose Gewalt, die das gesamte Gemeinwesen bedroht. Oliver Reed ist in dieser frühen Rolle ebenso charismatisch wie zwiespältig und vereint in der Gestalt des King sowohl Marlon Brandos Johnny Strabler aus „Der Wilde“ als auch Malcolm McDowells Alex aus „Clockwork Orange“, das 1961 freilich noch nicht gedreht war.
Einige der filmischen Elemente wirken aus heutiger Zeit etwas ansatzlos aneinandergereiht und die Verquickung der beiden Handlungsstränge ist nicht immer elegant gelöst. Aber Kameramann Arthur Grant, der regulär bei Hammer angestellt war und für über hundert Filme verantwortlich zeichnet, hat einige wirklich spektakuläre Aufnahmen zu Stande gebracht. Lange Flugkamerafahrten und atemberaubende Motorrad-Fahrten ebenso wie eine spektakuläre Verfolgungsjagd am Ende von „Sie sind verdammt“.
Die Kinder des Lichts
Schon die Anfangssequenz mit dem eingängigen musikalischen Filmthema „Black Leather Rock“ ist beinahe ikonisch. Fröhlich pfeifend und dabei die britischen Gefangenen in „Die Brücke am Kwai“ (1957) parodierend, machen sich die Rocker auf den Weg zur „Arbeit“ und legen den arglosen Touristen aus Kreuz. Damit ist der sozialkritische, rebellische Ton in Joseph Loseys Film gesetzt und zelebriert auch immer wieder diese rebellische Attitüde.
Obwohl der Film schon 1961 fertiggestellt war, kam er erst 1963 in die britischen Kinos. Den Produzenten war das Thema angesichts der Zuspitzung des kalten Krieges und der daraus resultierenden Kuba-Krise 1962 zu brisant und nicht politisch opportun genug. Außerdem kursierte der Film lange in unterschiedlichen geschnittenen Versionen bis „These Are the Damned“ 2010 digital überarbeitet wurde und wieder auf seine ursprüngliche Länge gebracht werden konnte. In Deutschland war der Film lediglich 1973 im TV zu sehen, nun ist diese Perle des Sci-Fi-Genres glücklicher Weise auch in deutscher Synchro und restaurierter Fassung zu genießen.
Wer Science-Fiction nicht nur als Weltraum-Oper und Action-Kino versteht, wie es heute auf der Leinwand zelebriert wird, sondern als erzählerischen Weg, gesellschaftliche Probleme zu thematisieren, der findet in „Sie sind verdammt“ eine grandiose Genre-Perle, die handwerklich und thematisch noch immer bestehen kann und deren Auftauchen aus der Versenkung ein absoluter Treffer ist.
Film-Wertung: (8 / 10)
Sie sind verdammt
OT: (These Are) The Damned
Genre: Sci-Fi, Drama,
Länge: 91 Minuten, GB 1961
Regie: Joseph Losey
Drehbuch nach dem Roman “Children of the Light” von H.L. Lawrence
Darsteller: Oliver Reed, Shirley Anne Field, Macdonald Carey, Viveca Lindfors
DVD-VÖ: 03.09.2015