Irgendwie liefert Filmmacher Jim Jarmusch, wenn man die Dokus mal außer Acht lässt, seit „Dead Man“ (1995) recht eigenwillige Genrefilme ab. „The Limits of Control“ (2009) kann man wohl als einen Beitrag zum Krimi- und Thriller Gerne einsortieren, aber das wäre – wie immer bei Jarmusch – viel zu kurz gegriffen. Denn die Irrwege des einsamen Mannes sind alles andere als nervenzerfetzend spannend, wohl eher kryptisch.
Wenn man‘s genau nimmt, passiert auch nicht viel: Ein namenloser Reisender wird auf eine Mission geschickt, in deren Verlauf er in Spanien umher reist, gelegentlich seltsame Leute trifft, die ihn auf seiner Schnitzeljagd immer ein Stück weiter bringen und ihm ungefragt ihre Weisheiten mitteilen. Am Ende stellt sich der Reisende dann als Auftragskiller heraus, der jemanden töten soll, der sich in einer Hochsicherheitsvilla verschanzt hat.
Was das alles soll, bleibt ebenso unergründlich wie die Figuren selbst und ihr zielgerichtetes aber absurdes Verhalten. Isaach de Bankolé, mit dem Jarmusch schon seit „Night on Earth“ (1991), zusammenarbeitet, übernimmt dabei die Rolle des Killers in einem mit tollen Darstellern gespickten Ensemble.
Wenn der Regisseur dann noch im Making of gesteht, er möge Filme, in denen die Figuren einfach nur so dasitzen, muss man sich nicht wundern, dass die Jarmusch-Charaktere in „The Limits of control“ genau das perfekt beherrschen. Und irgendetwas muss einfach dran sein, wenn immer wieder grandiose Schauspieler mit dem Regisseur arbeiten. Tilda Swinton behauptet, dass Jarmusch einen ziemlich perfekt funktionierenden Bullshit-Detektor habe, und so eine recht genaue Vision von dem entwickeln würde, was er filmisch erreichen will.
Der Deutungsspielraum dieser filmischen Parabel ist immens und ich kann nicht behaupten, dass ich ansatzweise etwas begriffen hätte. Vielleicht hat Jim Jarmusch in „Limits of Control“ tatsächlich die Grenzen der Kontrolle gesucht oder gefunden, transzendiert oder ignoriert. Gleichviel. Im Gesamtwerk des Filmemachers ist „The Limits of Control“ die nächste, konsequente Stufe. Eine filmische Reise, auf die sich der Zuschauer einlassen kann. Wenn er es tut, sollte er die Kontrolle und die Erwartungshaltung am besten abgeben und einfach anfangen, den Trip zu genießen. Denn dann macht der Film am meisten Spaß: sitzen, beobachten – warten, was als nächstes passiert.
Das liegt eben daran, dass es sich um einen Jarmusch-Film handelt. Die Bilder sind in ihrer durchkomponierten Strenge und Poesie schon Meisterwerke für sich, die man wie Gemälde in einem Museum betrachten kann. Gleiches gilt für die kongeniale Filmmusik: Der Soundtrack, der im Wesentlichen aus Kompositionen der japanischen Experimentalband Boris besteht, zumeist in Kooperation mit den amerikanischen Drone-Noise-Ikonen Sunn O))), macht da weiter, wo Neil Young in „Dead Man“ einst aufhörte. Bilder und Musik harmonieren perfekt und schon Grund genug „The Limits of Control“ zu lieben.
Auch der Humor ist in Jarmuschs Filmen auf seltsame Weise transzendenter geworden: Vom Fliegen klatschenden Hotelpagen („Mystery Train“) oder den infantilen, alten Mafiosi („Ghost Dog“) ist nicht mehr viel über. Sicher, es gibt Szenen, die sind in ihrer Lächerlichkeit kaum zu überbieten, doch dazu muss man die Ernsthaftigkeit erst einmal durchschauen und in ihrer Absurdität erkennen.
Der New Yorker Regisseur hat mit seinen Werken deutlich zu meiner cineastischen Sozialisierung beigetragen. Neben Terry Gilliam, Aki Kaurismäki und David Lynch gehört Jarmusch zu meinen Dauerlieblingen. Dennoch verstehe ich jeden, der sagt, ihm wäre „The Limits of Control“ zu weit draußen. Mich allerdings hat „The Limits of Control“ ebenso gefesselt wie irritiert. Am Ende ist der Film als Einheit dann doch extrem stimmig. Eine Welt, die in sich selbst ruht.
„The Limits of Control“ ist optisch und musikalisch einer der besten Jarmusch-Filme überhaupt, die kryptische Handlung macht den inhaltlichen Zugang allerdings nicht gerade leicht. Dennoch ist „The Limits of Control“ absolut sehenswert und außergewöhnlich.
Film-Wertung: (8 / 10)
The Limits of Control – Der geheimnisvolle Killer
OT: The Limits Of Control
Genre: Drama, Komödie, Krimi
Länge: 116 Minuten, USA, 2009
Regie: Jim Jarmusch
Darsteller: Isach de Bancolé, Tilda Swinton, John Hurt,
Vertrieb: Tobis
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 28.05.2009
DVD- & BD-VÖ: 11.12.2009