Computer Chess als VoD

Computer-chess-Schoesser thinks-vorNormalerweise stelle ich eigentlich Home Entertaiment- Titel vor, die auch auf physischem Datenträger vorliegen, aber irgendwie ist es auch passend, dass der Nerdkongress in Andrew Bujalskis „Computer Chess“ nur als Video on Demand erscheint. Schließlich hat man als „Pate des Mumblecore“ einen Ruf zu verlieren. Wie dem auch sei, der pseudodokumentarische Film ist ein stilistisch furioser und hochgradig witziger Ausflug in eine Zeit, als Menschen noch (zu Recht) dachten, sie seien schlauer als die Computer.

Anfang der Achtziger Jahre findet in einem amerikanischen Provinzhotel ein Kongress der Schachcomputerexperten statt. Es wird über die Entwicklung der künstlichen Intelligenz gefachsimpelt und die einzelnen Programmiererteams treten mit ihren Schachcomputern gegen einander an. Der Gewinner darf dann gegen einen echten Schachmeister spielen. Man ist skeptisch, ob die Computer eine Chance haben und der Schachspieler hat gewettet, dass er bis 1984 von Computern ungeschlagen bleibt.

Zeitgleich findet in dem Hotel aber auch ein Paartherapie-Seminar statt. Unter Anleitung eines afrikanischen Gurus, versuchen Ehepaare ihre Beziehung neu zu definieren oder wiederzugewinnen. Es bleibt nicht aus, dass sich die beiden Exzentrikergruppen über den Weg laufen.

Computer-chess-hand-on-pawnFilmmacher Andrew Bujalski gilt als Mitbegründer des „Mumblecore“, einer Untergattung des amerikanischen Independentfilms, die versucht, mit extrem kleinen oder ganz ohne Budgets auszukommen. Dazu sind Laiendarsteller, improvisierte Scripts und vorgefundene Kulissen unabdingbar. Im Fall von „Computer Chess“ rennt ein Mann mit der Kamera durch den Kongress und begleitet die Nerds und Wissenschaftler in allerbester Dokumentarmanier. Zumindest am Anfang. Bald wird es absonderlich, wenn die Schachfans über Geheimdienste sinnieren und die wissenschaftlichen Hilfskräfte sich teamübergreifend über ihre Chefs und ihre Rechnerprobleme austauschen. Schnell ist der Kameramann mitten drin im Geschehen, wird Teil der Doku und verliert den notwendigen Abstand.

Der Ausgangspunkt für „Computer Chess“ war Bujalskis Interesse, mit alter Videotechnik zu arbeiten, die absonderliche Handlung habe sich dann quasi von selbst ergeben und so ist in stilechtem Schwarz-Weiß und in 54:3 Format eine kleine Filmperle entstanden, die gleichzeitig hochgradig witzig, total absurd und ein liebevolles Milieuportrait ist. Weiter ins Detail zu gehen, wäre fieses Spoilern, aber wer sich auf „Computer Chess“ einlässt, wird mit einer schrägen Filmerfahrung belohnt.

Die Frage, ob „Androiden von elektronischen Schafen träumen?“ (Der Originaltitel von P.K. Dicks „Blade Runner“) kann auch „Computer Chess“ nicht abschließend beantworten. Sicher ist, der Zuschauer ist hinterher nicht mehr derselbe.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

a2_chess_2.indd„Computer Chess“
Genre: Comedy, Mumblecore,
Länge: 92 Minuten, USA 2012, OmU
Regie & Buch: Andrew Bujalski
Darsteller: Chris Schludermann, Tom Fletcher, Whiley Wiggins,
Vertrieb: Rapid Eye Movies
Kinostart: 07.11.2013
VoD-VÖ: 02.05.2014

Computer Chess Homepage

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