Mitte 2012 habe ich an dieser Stelle den Auftakt von Jeff Lemires apokalyptischer Saga „Sweet Tooth“ vorgestellt. Inzwischen geht es in der Serie auf das große Finale zu. Der fünfte bei Panini erschienene Sammelband mit dem Storybogen „Unnatürliche Lebensräume“ und einen historischen Ausflug gehört zwar nicht zu den Highlights dieser herausragenden Serie, aber es ist an der Zeit, sich für das Ende zu rüsten. Achtung Spoiler!
Gus, der Junge mit dem Hirschgeweih, der von seinem Vater einsam und zurückgezogen im Wald erzogen wurde, hat inzwischen eine ganz schöne Odyssee hinter sich. Nach dem Tod des Vaters entschloss sich Gus, den Wald zu verlassen und sich dem ehemaligen Eishockeyprofi Jeppard anzuschließen. Doch der verfolgt seine eigenen Interessen und bringt Gus nicht in das erhoffte „Reservat“ sondern in ein Milizcamp, wo man die teuflische Viruserkrankung, die die Menschheit dahinrafft, untersucht.
Zusammen mit anderen Hybridkindern und einem scheinbar geläuterten Jeppard gelingt Gus die Flucht und nun ist die kleine Zwangsgemeinschaft, bereichert um zwei Frauen und den ominösen Doctor Singh, auf dem Weg nach Norden. Denn die Aufzeichnungen von Gus Vater legen nahe, dass dort die Ursache und vielleicht auch die Kur für das Virus zu finden ist. Auf dem Weg findet die Gruppe Unterschlupf bei Walter Fish, einem einsamen Mann, der unter einem Staudamm in einem künstlich angelegten, quasi unterirdischen Biotop lebt. Doch auch hier ist nicht alles so, wie es scheint.
Es war nicht abzusehen, wohin die Reise führt, als Jeff Lemire, gefeierter Autor von „Essex County“ und „The Nobody“ seine kindlichen Mutanten in die futuristische Ödnis entließ. Und die Story hat inzwischen einige grandiose Strecken hinter sich. Doch nun geht es auf die Zielgerade: Vorweg illustriert Zeichner Matt Kind einen Ausflug in die arkische Kälte Alaskas zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die ein wenig von dem indigenen Glauben der Inuit aufhellt, der mit dem Schicksal von Gus alias Sweet Tooth immer stärker verwoben scheint.
Gastzeichner hat Jeff Lemire auch schon in Sammelband Vier „Bedrohte Arten“ mal rangelassen. Das tut der Story keinen Abbruch und verschafft dem Autor etwas mehr Raum, um die erzählerischen Grenzen des Mediums Comic auszutesten. Doch nun konzentriert sich Lemire wieder darauf, die Story voranzubringen. Und nun werden auch Parallelen zu anderen post-apokalyptischen Stories wie etwa „The Walking Dead“ oder auch ein bisschen „Mad Max“ das von der amerikanischen Kritik ja immer als Vergleich herangezogen wird, besser sichtbar. Der Spannung tut das allerdings kaum Abbruch, der Originalität schon ein wenig. Mal sehen, wie sich „Sweet Tooth“ im Abschlussband aus der Affäre zieht. Ich bleibe gespannt.
Fazit: Jeff Lemires „Sweet Tooth“ ist und bleibt eine der intensivsten und auch eigenwilligsten Comic-Serien die zur Zeit auf dem Markt sind. In Unnatürliche Lebensräume“ sammelt sich die Geschichte für das kommende Finale. Und noch immer kann man sich nicht sicher sein, wohin die Reise letztlich geht.
Comic-Wertung: (8 / 10)
Jeff Lemire: Sweet Tooth 5 – Unnatürliche Lebensräume
OT: Sweet Tooth 26-33, Vertigo,
Autor: Jeff Lemire
Zeichner: Jeff Lemire, Matt Kind
Übersetzung: Gerlinde Althoff
ISBN: 978-386201-948-9
Verlag: Panini, Softcover, 180 Seiten.
VÖ: 21.01.2014