Die Band war schon lange Geschichte als 2009 der Tribute Sampler „Alle Gegen Alle – A Tribute to Slime“ erschien und irgendwie endlich mal klarmachte, was diese Band in der deutschen Punkszene für einen Einfluss hatte. Nun ist die längst fällige Band-Bio „Slime: Deutschland muss sterben“ erschienen und der Schweizer Journalist Daniel Reyser hat sich der Band und ihrer turbulenten, unbeständigen Geschichte im Stil einer lebendigen Reportage angenähert. Und ja, es geht nicht ohne Fußball.
Vor allem wenn man mit Frontman Dirk einen fanatischen St. Pauli-Fan im Team hat. Vielleicht ist die erste Idee zu der Band-Bio auch entstanden, weil Reyser in der Fußball-Hooligan-Szene der Schweiz recherchiert hat. Gesprächsthemen sollte es auf den gemeinsamen Kneipentouren mit dem Slime-Sänger Dirk also genug gegeben haben. Dass die Punk-Band Slime polarisierte, liegt vor allem an ihren parolenartigen Songtiteln und Texten, die mit der angemessenen Aggression auf die Zuhörer losgelassen wurden und werden.
1979 im Gründungsjahr der Band traf das angesichts sozialer Zuspitzungen auf etliche offene Ohren. Irgendwo zwischen dem deutschen Herbst, der Anti-Atombewegung, zwischen Hausbesetzungen in der Hafenstraße und Nato Doppelbeschluss bezog Slime in allerbester Punk-Manier offen und laut Stellung. Irgendwann stimmte dann die Bandchemie nicht mehr und erst mit der Wiedervereinigung und dem vermehrten Auftreten neonazistisch motivierter Gewalt rauften sich Slime wieder zusammen, um ein Zeichen zu setzen und weil sie wieder ein Thema hatten. So etwas lässt sich immer gut am Sprachrohr einer Band festmachen, aber die Marschroute teilen die fünf Musiker und Punks wohl gemeinsam. Dann kracht‘s 1994 wieder und der Ofen ist aus.
Erst 15 Jahre später haben drei Fünftel von Slime wieder Blut geleckt. Mit neuer Bassistin und neuem Schlagzeuger zählte der Auftritt beim Hundertjährigen Vereinsjubiläum des FC St. Pauli für viele Festivalbesucher zu den absoluten Highlights. Und Slime sind wieder zurück. Und warum Erich Mühsam ein wichtiger Dichter war, wird nun auch endlich mal klar.
Journalist und Autor Daniel Reyser ist so alt wie die Band, also kein Fan der ersten Stunde, kein alter Wegbegleiter, der in Nostalgie ertrinkt, sondern ein aufmerksamer Chronist. Sein an der Reportage geschulter Stil ist lebendig und frisch, auch wenn das Anekdotenhafte gelegentlich im Vordergrund zu stehen scheint. Zu Wort kommen nicht nur die Bandmitglieder, sondern auch deutsche Punk-Promis und alte Kumpel. Aber hier geht es nicht nur um Musik nach dem chronologischen Karriereschema, und wer wann mit wem im Studio war, sondern auch um die Frage, wie man als Musiker und Punk stilecht altert, wie man sich als ehemaliger Hafenstraßenbesetzer mit Ausverkaufsvorwürfen rumschlägt und wie man eine reanimierte Band in sein Leben integriert.
Tröstlich, dass bei mir noch die Erstpressung des Debuts im Regal steht. Und so langsam gewinne ich dem aktuellen Album immer mehr Positives ab. Aber jetzt is‘ auch mal gut: „Seit zwei Stunden sitz ich hier und trinke mein Bier, laber über Gott und die Welt…“
Fazit: Wurde auch Zeit, dass jemand die deutsche Punkband Slime würdigt. Die Band-Bio ist kurz und knackig und nur schwer wieder wegzulegen, wenn man erst mal angefangen hat. Der reine Spaß ist das für alte und immer noch Fans wie mich nicht unbedingt. Beim Lesen hatte ich so meine persönlichen Krisen, aber wenn noch ein Schuss Selbstreflektion dabei rausspringt, umso besser-
Buch-Wertung: (8 / 10)
Daniel Reyser: Slime – Deutschland muss sterben
Genre: Musik, Biographie,
ISBN: 978-3-453-67653-4
Verlag: Heyne Hardcore, gebunden, Pappband, 288 Seiten.
VÖ: 4. März 2013
Weiterführende Links:
Verlagsseite mit Leseprobe
Blog von Daniel Reyser
Slime-Homepage