Marzi 1989: Von Streiks und Demonstrationen

Marzi2-vorEs ist kein Wunder, dass die international abgefeierte Graphic Novel „Marzi“ auch bei uns ein Erfolg war. Darin beschreibt die polnische Autorin Merzena „Marzi“ Sowa ihre Kindheit im kommunistischen Polen und Zeichner und Lebensgefährte Sylvain Savoia setzt das ganz kongenial in Szene. Jetzt ist mit „Marzi 1989“ eine Fortsetzung erschienen, die mehr wunderbare Erinnerungen aus Polen enthält.

Diesmal erzählt Marzi in lockeren und in sich abgeschlossenen Episoden von der Zeit bis 1989, als es zum Zusammenbruch des kommunistischen Systems kam. In den Jahren zuvor  ist die Stimmung vor allem von der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc bestimmt, der es immer wieder gelingt, mit der Regierung in einen Dialog zu treten und so ganz langsam und auf friedliche Weise für mehr Demokratie und Mitbestimmung einzustehen.

Der große polnische Filmmacher Andrzej Wajda begleitete damals die Streikenden und die Gewerkschafter und hat für viele dokumentarische Filmmaterialien gesorgt. Auch das wird, ganz nebenbei, in Marzi erzählt. Denn auch der  Alltag der Kleinfamilie Sowa wird von den gesellschaftlichen und politischen Ereignissen bestimmt. Während Vater streikend in der Fabrik eingeschlossen ist, kommt es öfter mal zum Zoff zwischen Mutter und Tochter.

Es sind, wie schon im ersten Sammelband „Marzi“ vor allem die kleinen Dinge des Lebens, die aus der Sicht eines heranwachsenden Mädchens erzählt werden. Das Politische ist der Subtext. Und erneut gelingt es Zeichner Sylvain Savoia die Geschichten kongenial zu illustrieren. Der typische strenge Zeitungscomic-Stil wird ebenso beibehalten wie die Farbgebung mit ihren unbunten Farben.

Gelegentlich erscheint es, als würde die Autorin die kindliche Sichtweise, die in den ersten Episoden und Geschichten so stringent eingehalten wurde, auch mal verlassen, um die größeren Zusammenhänge anzudeuten. Andererseits ist das im Sinne einer Charakterentwicklung der Hauptfigur auch durchaus angemessen, schließlich ist die 1973 geborene, im Jahr 1987 schon vierzehn Jahre alt und durchaus in der Lage, sich Gedanken über die Welt  zu machen.

Abgerundet wird der zweite „Marzi“-Band von einem lesenswerten essayistischen Reisetagebuch der Autorin über die Zeit, als sie für ein TV-Portrait wieder nach Polen fährt, und „Marzi“-Interpretationen anderer Zeichner. Aber nur weil das kommunistische System 1989 zusammengebrochen ist, heißt das nicht notwendigerweise, dass auch mit „Marzi“ nun Schluss sein muss. Immerhin hat die Autorin ihre polnische Heimat erst 2001 erlassen. Da gäbe es bestimmt noch einiges zu erzählen. Wir bleiben gespannt.

Fazit: Alles in allem ist „Marzi 1989“ ebenso lesenswert wie der Vorgänger und Marzena Sowa hat sich endgültig einen Platz neben Marjane Starapi ergattert. Wer auf biographische Comics mit literarischem Anspruch steht, kommt an „Marzi“ schlicht nicht vorbei.

Comic-Wertung: 8.5 out of 10 stars (8,5 / 10)

MARZIBAND21989_729Sowa, Savoia: Marzi – 1989
OT: Marzi 1989. Un enfant en Pologne, 2009
Autorin: Marzena Sowa
Zeichner: Sylvain Savoia
Übersetzung: Michael Leimer
ISBN: 978-3-86201-468-2
Verlag: Panini, Hardcover, 200 Seiten.
VÖ: 12.03.2013

weiterführende Links:

Marzi bei Panini

Online-Leseprobe bei Mycomics.de

Besprechung von „Marzi“