Ich gebe zu, dass ich das, was man früher gemeinhin Zeichentrickfilm nannte, einfach mag. Auch wenn es wie ein vielzitiertes Klischee klingt, Animationsfilme sind – genau wie Comics – keinesfalls eine Kinderdomäne. Ganz im Gegenteil, die fantastischen Welten, die dem Zuschauer da entgegen lachen, sind für Kinderköpfe meistens viel zu komplex, weshalb sich eingebürgert hat, die Story entsprechend schlicht zu halten, damit die Kinder das niedlich finden und die Erwachseneren sich an den vielen Gags und Feinheiten erfreuen können. Traditionell ist das bei den Japanern ganz anders und auch anderswo auf dem Globus weiß man die Zeichen- und Animationskunst durchaus höher zu schätzen als bei uns. Genug Gejammer, was hatte das Jahr 2011 an guten Animationsfilmen zu bieten?
Auch dieser Markt ist von Hollywood beherrscht und so verwundert es nicht, das die größten Erfolge aus den USA kamen: „Kung Fu Panda 2″ und „Cars 2“ und „König der Löwen 3D“. Auffälliger Weise schon erprobte und auf dem Markt eingeführte Filmkonzepte. Doch auch der russische Animationsfilm meldet sich endlich mit „Space Dogs“ in unseren Kinos und zeigt, dass man durchaus mit den Amerikanern konkurrieren kann.
Erfolgreiche Fortsetzungen und japanische Borger
Aus Japan kamen hingegen in vergangenen Jahr keine so großartigen Animationsfilme. „Arriety“ aus dem Studio Ghibli erzählt die Story der Borger nur noch einmal und ist, anders als sonst, ziemlich reine Kinderunterhaltung. Der Anime-Markt funktioniert zwar immer noch einigermaßen, aber die zahlreichen Veröffentlichungen fließen zumeist in Endlosserien oder Formate, die hemmungslos Genre-Crossover betreiben. Untrügliches Zeichen, dass der kreative Schwung raus ist.
Hier die Top 5 Animationsfilme 2011
5. Cars 2
Zugegeben, ich habe den Film im englischen Original gesehen, was bei Animationsfilmen normaler Weise bedeutet, dass der Wortwitz um einiges bissiger und erwachsener rüberkommt. Die Story ist allerdings nicht das, was an Cars 2 so fasziniert, sondern die überbordende Detailfülle der Kulissen und der Einfallsreichtum bei der Erfindung der Welt der lebenden Autos. In diesem Fall ist die 3D-Technik ein wahrer Segen und die Lebendigkeit der Animationen ist einfach überzeugend. Mag sein, dass das Tempo in „Cars 2“ nicht kinderkompatibel ist, aber dafür macht die Renngaudi einfach Spaß und die Post geht wirklich ab. Die Sprecherbesetzung (zumindest im Original) ist ebenfalls großartig: Neben Owen Wilson und Larry the Cable Guy sind EmilyMortimer, Michael Caine, Thomas Kretschmann und John Tuturro mit von derPartie.
Film-Wertung: (7 / 10)
4. Der kleine Ritter Trenk
Wahrscheinlich halten mich jetzt alle für bescheuert, aber die Kinderserie aus deutscher Produktion ist wirklich überzeugend umgesetzt und zielgruppengerecht aufbereitet. Angesichts der mageren Konkurrenz sollte man das ruhig mal würdigen. Die Romanvorlage stammt von der Erfolgsautorin Kirsten Boie und Trenk ist eigentlich ein Bauernjunge aus dem Mittelalter, der sich aus purer Existenznot auf den Weg in die Stadt macht, um das Überleben seiner Familie zu sichern, indem er Geld verdienen will. Zufällig wird er Knappe und erlebt einen Haufen Abenteuer. Die Story ist einfach schön und sowohl kinergerecht rrzählt, als auch lehrreich in Bezug auf die Lebensumstände im Mittelalter. Da können auch Erwachsene noch etwas lernen.
Film-Wertung: (8 / 10)
3. Kakurenbo – Hide and Seek
Das grandiose und extrem atmosphärische Anime „Kakurenbo“ entstand nicht in einem namhaften Studio, sondern wurde quasi im Alleingang von zwei Leuten gemacht. Umso erstaunlicher, dass das Ergebnis so faszinierend ausgefallen ist und die magisch finstere Stimmung eines Versteckspiels so wunderbar auf Film gebannt wurde. Da steckt unheimlich viel japanische Mystik und Symbolik drin und die viel zu kurzen 25 Minuten sind eine wahre Tour de Force. “Kakurenbo” ist in vieler Hinsicht ein außergewöhnliches Anime. Inhaltlich gelingt es dem Autor und Regisseur Shuhei Morita, in seinem Erstlingswerk faszinierend und spannend japanische Folklore stimmig in ein Science-Fiction-Setting zu übertragen. Die atmosphärische Dichte und die hohe Spannung entstehen durch den Verzicht auf jegliche Nebenhandlung oder erklärender Einschübe. “Kakurenbo” hält perfekt die Waage zwischen märchenhafter Allegorie und konkreter Bedrohung. Hier geht’s zum Trailer und hier gibt’s eine Besprechung.
Film-Wertung: (8,5 / 10)
2. Arthur Weihnachtsmann
Wenn man so will, war „Arthur Weihnachtsmann“ eine meiner größten Überraschungen im vergangenen Kinojahr. Ich hatte weder für möglich gehalten, dass sich aus dem Genre des Weihnachtsfilms noch etwas Originelles herauskitzeln lässt, noch dass die Knetgummi-Fabrik Aardman auch mit anderer Animation so punkten kann. Die Story vom jüngsten Sohn des Weihnachtsmanns, der sich mit seinem Opa und einem altersschwachen Rentier auf dem Weg macht, ein vergessenes Geschenk auszuliefern, ist atemberaubend witzig. Die Logistikzentrale Nordpol und die Elfenarmee sind Knaller für sich. Wenn dann noch ein Schuss augenzwinkernder, englischer Humor dazu kommt, ist das Ergebnis einfach klasse. Hier gibt’s die Kurzkritik und den Trailer. und weils so cool ist noch ein Teaser:
Film-Wertung: (8,5 / 10)
1. Die Abenteuer von Tim und Struppi: Das Geheimnis der Einhorn
Auch Spielbergs Animationsfilm hat mich wirklich überrascht. Seit Jahrzehnten versucht Steven Spielberg, den belgischen Comic-Klassiker zu verfilmen, und was lange währt, wird endlich gut. Mit Motion-Capture-Technik und echten Schauspielern wurden die Szenen gedreht, um dann nachträglich mit den perfekten Comic-Look ausgestattet zu werden. Was beim „Polar-Express“ noch unbeholfen wirkte und bei „Beowulf“ so überhaupt nicht funktionierte, wirkt in „Das Geheimnis der Einhorn“ glaubwürdig, ja fast natürlich, und wer den Film im Kino in 3D sehen durfte, war ob der technischen Meisterschaft zumeist schlicht baff. Hinzu kommt eine extrem gelungene Storyadaption des britischen Ausnahme-Drehbuchautors Steven Moffat. Wie keinem anderen gelingt es ihm, aus bekannten Stoffen Tolles herauszuholen. „Jekyll“ und „Sherlock“ holten die Klassiker in die Gegenwart. „Tim und Struppi“ bleiben original, aber einfach perfekt. Umso erstaunlicher, dass dafür keine Oscar-Nominierung drin war, Die Musik-Nominierung zählt in diesem Zusammenhang nicht. Die Amis sind doch Ignoranten. Hier ist der Trailer.
Film-Wertung: (8,5 / 10)