Taschengeld-Tipp #25/2011

Love And Theft - frontEinige Phänomene sind einfach nicht kleinzukriegen: Zwei davon veröffentlichen neues Material (Brian Eno & Wino) und zwei andere präsentieren sich in diesen Tagen in Hamburger Open-Air Konzerten: Scooter beschallen die Imtec-Arena mit ihren Party-Krachern und die Songwriter-Legende Bob Dylan grantelt und grummelt im Stadtpark wahrscheinlich wieder gewohnt professionell vor sich hin. Da hoffe ich doch nur, dass die versprochene Wetterbesserung auch einsetzt. Ich bin insofern leidenschaftslos, da beide Events definitiv ohne mich stattfinden. Mein Roskilde-countdown läuft schon. Wer außerdem nicht weiß, wie er den bei den Großveranstaltungen gesparten Mammon sinnvoll in Unterhaltung investieren soll, findet hier die Tipps der Woche:

 

twilight-singer-dynamite-stepsLIVE: Hamburger Punks sollten sich den Dienstag (28.6.) freihalten, dann laden im Hafenklang die australischen Hard-Ons zum Tanz. Die Band besteht mit einer fünfjährigen Auszeit seit den frühen 80ern und hat ihre erfolgreichsten Tage auch schon hinter sich, für einen gelungenen Pogo-Abend taugen die Jungs aber allemal noch. Vor allem, wenn mit den, ebenfalls australischen, The New Christs auch noch lautstarke Unterstützung dabei ist. Bei Myspace git es Höreindrücke.

Auch der zweite Live-Tipp hat den großen Erfolg schon hinter sich: Mit den Afghan Whigs war Greg Dully seinerzeit für die Indie-Szene auch kommerziell ziemlich weit vorne. Die Zeiten sind vorbei; Dully ist nun der Mastermind hinter den Twilight Singers, die vor einigen Monaten ihr drittes Album „Dynamite Steps“ vorgelegt haben. Nicht ihre stärkste Scheibe, aber das Konzert am Mittwoch (29.06.) im Knust ist dennoch zu empfehlen. Live kommen die Twilight Singers deutlich rockiger als auf Scheibe und erzeugen eine beachtliche Intensität. Außerdem ist Dully ein Netter.

KINO: Kurz vor dem filmischen Sommerloch tut sich noch mal was auf Leinwand:

THEBANGBANGCLUB„The Bang Bang Club“ waren Anfang der Neunziger die fotografischen Kriegsberichterstatter der Stunde. Die weißen Südafrikaner wurden mit ihren erschütternden Fotos von den Township-Auseinandersetzungen zwischen ANC und Inkatha weltberühmt. „Der Film „The Bang Bang Club“ erzählt die Story der vier Fotografen packend und intensiv. Mehr Infos gibt’s auf der Film-Homepage. Außerdem laufen an: „Der Mandant“ und  „Schlafkrankheit“ – – beide gelungen und sehenswert, „Werner: Eiskalt“ und „Transformers 3“ – beide komplett indiskutabel.

DVD: Bleiben wir gleich in Schwarzafrika: „Johnny Mad Dog“ dramatisiert die erschütternde Geschichte afrikanischer Kindersoldaten. 2008 wurde der Film in Cannes ausgezeichnet, schaffte es aus unerfindlichen Gründen hierzulande aber nicht ins Kino. Nun kommt „Johnny Mad Dog“ als Uncut Version auf DVD und Blu-ray auf den Markt. Die Geschichte ist zwar fiktiv, aber extrem realistisch und erschütternd gefilmt. Für gemütliche Unterhaltung vor der Glotze ist das freilich nichts. Den Trailer gibt’s auf Youtube.

MUSIK: Kommen wir zu erbaulicheren Themen: Es gibt neues Ohrenfutter von zwei Ausnahme-Musikern, die – jeder auf seine Weise – stilprägend waren und sind. Scott „Wino“ Weinrich und Brian Eno gehören in ihren Gefilden des Soundkosmos zu den umtriebigsten Musikern überhaupt und haben eigentlich konstant ein neues Projekt in der Pipeline. Da kann man schon mal den Überblick verlieren.

eno-drums-b4-bellsMit „Drums Between The Bells“ veröffentlicht Brian Eno, der Mastermind musikalischer Innovation, schon das zweite Album in diesem Jahr. Die 16 Tracks auf dem abwechslungsreichen Tonträger sind das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit dem Dichter Rick Holland, der die Lyrics zu dem Projekt beisteuerte. Es geht also nicht rein instrumental zu und neben einigen Gastsängerinnen ist auch Brian Eno selbst an den Vocals zu hören. Musikalisch deckt „Drums Between The Bells“ das breite Spektrum von Soundlandschaft über industrialartigen Noise und fast tanzbare Electronic ab. Überraschenderweise finden sich auch Folk und Rockeinflüsse, die das Klangbild bereichern. Insgesamt eine klasse Scheibe, die auch in einer Sammler-Edition herauskommt.

premonition13coverMusikalisch ist Mister Weinrich da deutlich weniger experimentell, denn wo Wino mitmacht, ist auch gitarrenlastiger Heavy-Rock drin. Die einstige Ikone des Doom-Metal macht inzwischen zumeist das, was der Fan mit dem Sammelbegriff Stoner-Rock umschreibt. Da machen auch „Premonition 13“ keine Ausnahme. Das Debüt der Band, die Kerle weisen ausdrücklich darauf hin, dass sie kein Projekt sind, fügt sich nahtlos in Winos Gesamtwerk und rockt einfach zeitlos, dreckig und gut. Auf der Homepage kann man ein Ohr riskieren. Doch mich lässt die Vorahnung nicht los, dass ich mein Loblied mal wieder vergebens anstimme. Das grandiose Wino-Konzert im September im Hafenklang war jedenfalls nicht wirklich gut besucht. Damit das bei nächsten Mal besser wird, werde ich nicht müde, solange Wino-Scheiben zu empfehlen, bis jeder zumindest eine im Plattenschrank hat. Sowas machen Fans.

Kommt sicher durch die Woche.