„Alles über Comics, Manga und Graphic Novel“ verspricht Autor und Comiczeichner Scott McCloud in seinem Werk „Comics Machen“. Doch der Ratgeber wie man gute Bildgeschichten macht, ist viel mehr als nur ein Leitfaden für Comics. Gänzlich entspannt bekommt der Leser hier auch noch solides Handwerkszeug zur Kulturrezeption geliefert – selbstverständlich als Comic.
Der amerikanische Comiczeichner- und theoretiker Scott McCloud schreibt schon länger über Comics und gehört inzwischen zu den großen Theoretikern dieser Kunstform. 1993 erschien seine erste Abhandlung „Comics Verstehen“, die längst als Standardwerk der Comic-Theorie gilt. „Comics Machen“ erschien 2006 und wurde 2007 vom Carlsen Verlag auf deutsch herausgebracht. McCloud richtet sich ganz explizit an alle, die selbst einen Comic entwickeln wollen, ganz egal in welcher Form, und gibt in sieben übersichtlichen Kapitel handfeste Anleitungen wie man Geschichten mit Bilder erzählt. Hier geht’s zur Leseprobe.
Dabei ist „Comics Machen“ , wie könnte es anders sein, selbst eine Art Graphic Novel, und das gezeichnete Alter Ego des Autors begleitet den Leser auf seinem Rundgang durch die Werkstatt und die Kunstgeschichte. Genau das macht McClouds theoretische Bücher so unterhaltsam. Natürlich geht es in erster Linie um die Vermittlung von dem Wissen und Handwerkszeug, dessen es bedarf, damit aus eigenen Ideen erfolgreich sequentielle Kunst wird. McCloud ist nicht dogmatisch, er lässt die Vielfalt gelten und macht relativ schnell klar, dass es im Bereich der Comic-Kunst kein richtig oder falsch gibt.
Weil Comics auf so unterschiedliche Kunstbereiche wie Graphik, Malerei, Film und Literatur zugreifen, sind McClouds Ausführungen nicht nur auf Comics beschränkt. Im Gegenteil, um zu zeigen, was für Comics wichtig ist, gibt es unterhaltsame Ausflüge in die Basics der schönen Künste. Das geht von der Anatomie des Körpers und des Gesichts zu den Grundzüge der Literatur und macht im wesentlichen Spaß. 2009 wurde „Comics Machen“ bei den Münchener Comictagen mit dem Peng!-Preis als beste Comic-Sekundärlitertur ausgezeichnet.
McCloud ist ein guter Lehrer, ein guter Zeichner und ein guter Autor. Die lockere Art, mit der die Lektionen vermittelt werden, machen es leicht, die Informationen aufzunehmen. Am Ende der Kapitel gibt es jeweils Anmerkungen zu einzelnen Aspekten und optionale Übungen, für alle, die das Gelesenen anwenden und vertiefen wollen. Alle anderen lesen einfach weiter.
Der springende Punkt ist, dass „Comics Machen“ dem Leser nicht nur erklärt, wie Comics funktionieren, sondern dadurch auch Zugang zu jeder anderen bildenden Kunst ermöglicht. Wer verstanden hat, wie man den Leserblick von Panel zu Panel lenken muss, der kann im Film auch die Kameraführung nachempfinden. Wer sich mit der Bildkomposition von Spider-Man auskennt, der kann auch erkennen, nach welchen Gesichtspunkten Rembrandt und Van Gogh ihre Meisterwerke konzipiert haben. Und wer sich textlich auf ein wohlformuliertes Minimum beschränken muss, um die eigenen Zeichnungen nicht zu überdecken, der entdeckt auch in der Literatur sprachliche Kunstfertigkeit.
Fazit: Scott McClouds „Comics Machen“ nicht nur eine grandiose, weil leicht verständliche und locker vermittelte, Anleitung zum Comics Machen, sondern gibt dem Leser, quasi nebenbei, alles, was es braucht, um auch andere Kunst zu verstehen. Für die Comic-Fans ein Blick über den Tellerrand. Für den Bildungsbürger ein Einblick in die fantastische, vielfältige Welt der sequenziellen Kunst. Pflichtlektüre und eine Bereicherung für jedes Bücherregal.
Buch-Wertung: (9,5 / 10)
„Comics Machen“
OT: Making Comics
Autor: Scott McCloud
Übersetzung: Jens Balzer
272 Seiten, 2007
Verlag: Carlsen Comics
ISBN: 978-3-551-78649-4
VÖ: 01.09. 2007