Gesprengte Ketten

kings-speech-2Während Nordafrika sich flächenbrandartig der Despoten entledigt und sogar in China das große Zittern der Machthaber begonnen hat, feiert sich in Hollywood das Kino bei der Oscar-Verleihung selbst und kürt seine Besten. Sich in diesen Tagen dem Kino zu widmen, erscheint fast wie Realitätsflucht für Fortgeschrittene. Weltweit hängen Filmfans vor der Glotze und quälen sich von Werbepause zu Werbepause.

Es war bei der 83. Oscar-Verleihung dann doch nicht alles so vorhersehbar wie prognostiziert. Natalie Portman und Colin Firth waren zwar sichere Wetten, aber wer hätte gedacht, dass „The King’s Speech“ der Abräumer des Abends wird und die drei wichtigen Oscars für Drehbuch, Regie und bester Film einfährt. Mit Blockbustern kann man bei der American Academy of Motion Picture Arts and Science ja häufig nicht so viel anfangen. Die Spektakel werden dann mit technischen Auszeichnungen abspeist. So erging es nicht nur „Avatar“ (3 Oscars) im vergangenen Jahr, sondern nun auch „Inception“ (4 Oscars).

Dass allerdings auch David Finchers „The Social Network“ (3 Oscars), der lange als Topfavorit galt, in den prestigeträchtigen Kategorien nichts reißen konnte, verwundert schon. Die Coen-Brüder hatten für „True Grit“ wohl nie ernsthaft mit einer Auszeichnung gerechnet, weil sowieso jeder zweite ihrer Filme irgendwie für einen Oscar nominiert ist. Es wird ja auch langweilig ,immer dieselben Filmschaffenden auszuzeichnen. Hier gibt es die komplette Liste der Gewinner.

razzieBei den Goldenen Himbeeren für die schlechtesten Darbietungen, die einen Tag vor den Academy Awards verteilt wurden, gab es noch weniger Überraschungen und fast viele Favoritensiege. „Gewinner“ des Abends war M. Night Shymalans „Die Legende von Aang“ (OT: „The Last Airbender“), der bis hin zur schlechtesten Nebenrolle mit fünf Razzies ausgezeichnet wurde. Mehr Infos auf der Homepage der Razzies.

Doch zurück zu den Oscars, die seit 2002 im Kodak Theatre in los Angeles vergeben werden: Anne Hathaway und James Franco moderierten den Abend souverän, aber auch ohne allzu großen Unterhaltungswert. Gleiches galt für die Showeinlagen und Einspielungen: alles gepflegt harmlos. Kleinere Timing-Missgeschicke brachte nur die Tonregie zustande, die zweimal mit der Musik einsetzte, währen die Preisträger noch ihre Dankesreden hielten.

OscarGroße Showunterhaltung wollte vor dem Bildschirm wohl auch deshalb nicht aufkommen, weil man alle zehn Minuten Gelegenheit hatte, sich ein neues Getränk zu holen, beziehungsweise wegzubringen. Zwischenzeitlich stellte sich schon die Frage, wieviel Werbung man noch erdulden muss, vor allem, wenn es in jeder Pause dieselbe ist.

Nun ist es vollbracht, die Sieger und Nominierten können sich noch  einige Zeit im Glanz sonnen und der Normalsterbliche kann seinen Alltag wieder aufnehmen. Aus den Entscheidungen der Academy-Jury lassen sich keine Trends ablesen, auch wenn mit „The King’s Speech“ im Grunde ein Theaterstück ausgezeichnet wurde. Was bleibt ist die in „Tropic Thunder“ lästerhaft aufgestellte These, wie man Menschen mit Handicap spielt, um einen Oscar zu gewinnen.

„Gesprengte Ketten“ (OT: „The Great Escape“) übrigens war bei Erschienen 1963 kein Blockbuster. Bei den Oscars reichte es, trotz einer Golden Globe Nominierung als bester Film, gerade mal für eine Filmschnitt-Nominierung. Der Film würde erst Jahre später populär und heute gilt „Gesprengte Ketten“ als Klassiker.