Die britische Polit-Satire „Kabinett außer Kontrolle“ überzieht die (fiktive) Regierung in derart überzogener Weise mit Hohn und Spott, dass man sich die Frage stellt, ob der Wahnsinn Methode hat und wieviel Wahrheit in so einer Satire liegt. Die DVD-Premiere „Kabinett außer Kontrolle“ erscheint am 22. Februar 2011 und gibt Irrsinn und Kriegstreiberei eine neue Dimension.
Simon Foster (Tom Hollander), britischer Minister für internationale Entwicklung, ist nicht gerade mit einem glücklichen Händchen im Umgang mit der Presse gesegnet. Das steht seinem Geltungsdrang gehörig im Wege und so gerät der Minister mit seiner Aussage: „Ein Krieg im Nahen Osten sei nicht vorhersehbar“ unter heftigen Beschuss von allen Seiten. Daran ändert auch sein ambitionierter neuer Berater nichts.
Der Berg des Konflikts
Denn in Regierungskreisen ist es ein offenes Geheimnis, dass die USA demnächst Truppen in die Region schicken wollen und die Briten da nicht hintenanstehen. Der Pressekoordinator Malcolm Tucker (Peter Capaldi) versucht zu retten und zu kontrollieren, was noch zu retten und zu kontrollieren ist. Doch der mediale Supergau lässt sich ebensowenig vermeiden, wie die Insrumentalisierung Fosters durch den amerikanischen Verbündeten. In Washington läuft derweil ein eigenes Politpoker, in dem Kriegsbeführworter und -gegner sich einen hinterhältigen Zickenkrieg liefern. Simon Foster bewegt sich auf ungewohnt wichtigem Terrain zielstrebig von einem Fettnäpfchen zum nächsten.
„Kabinett außer Kontrolle“ ist ein eigenständiger Ableger der erfolgreichen und mehrfach preisgekrönten BBC-Serie „The Thick of It“, die von 2005 bis 2009 lief und hierzulande nicht ausgestrahlt wurde. In der Serie wird das moderne britische Regierungswesen zügellos und unflätig auf die Schippe genommen. Dreh- und Angelpunkt der Serie ist Malcom Tucker, grandios gespielt von dem hier kaum bekannten Oscar-Gewinner Peter Capaldi. Auch bei „In the Loop“, so der Originaltitel von „Kabinett außer Kontrolle“, kommt dem cholerischen Strippenzieher die Hauptrolle zu. Wenngleich etliche der Charaktere des großartigen Ensemles relativ gleichberechtigt auf die Schippe genommen werden.
Wo findet das Kriegskomitee statt?
Regisseur Armando Iannucci setzt auf ein wahres Kreuzfeuer pointierter Dialoge, die an Brillianz, Wortwitz und Fluchfrequenz ihresgleichen suchen und führt die Regierenden als Horde neurotischer, karrieregeiler und skrupelloser Egomanen vor, die sich keinen Deut um Verantwortung oder öffentliches Wohlergehen scheren. Dabei kann er sich auf das serienerprobte Team aus Drehbuchautoren verlassen, die es mit dem Script für „Kabinett außer Kontrolle“ sogar zu einer Oscar-Nominierung brachten.
„Kabinett außer Kontrolle“ glänzt,wie zuvor schon die Serie, nicht nur mit einer stimmigen Besetzung, sondern auch mit einigen feinen Gastauftritten: Steve Coogan („Tropic Thunder“) als nöhliger Wähler, David Rasche („Sledge Hammer“) als kriegstreibender US-Minister, James Gandolfini („Die Sopranos“) als pseudo-pazifistischer General-Leutenant.
Die DVD-Premiere überzeugt allerdings nicht auf ganzer Linie und macht es dem deutschsprachigen Zuschauer nicht leicht, sich in das Gewusel hineinzufinden: Als wollte er auch szenisch das Tempo der Dialoge halten, wechselt Iannucci fast hektisch von einem Schauplatz zum nächsten und schleudert den Zuschauer jedes Mal mitten hinein in Geschehen. Da hohe Tempo erfordert auch beim Publikum volle Konzentration.
Ich habe keine Bombe
„Kabinett außer Kontrolle“ macht sich auch nicht die Mühe, seine Figuren großartig zu etablieren, sondern setzt auf Erfolg und Bekanntheit von „The Thick of It“. Politsatire wie sie „In the Loop“ betreibt, kommt hierzulande allerdings nicht vor. Auf den britischen Inseln hat die Bloßstellung der Regierung eine lange Tradition und brachte einige Highlights wie die Serie „Yes Minister“ (ab 1980) hervor. Insofern mag der deutsche Zuschauer wegen der tiefen Respektlosigkeit anfangs ein wenig fremdeln.
Die sprachlichen Kapriolen und Beschimpfungen, die den Hauptreiz des Filmes ausmachen, sind für die Übertragung ins Deutsche eine extreme Herausforderung, und auch wenn die Synchronisation sich redlich müht, kommt man selten an die stakkatoartigen, wortgewaltigen Auswürfe des Originals heran. Auch den Sprechern mangelt es bisweilen an bissiger Härte. Wer also das volle Aroma des Wahnsinn genießen möchte, sollte sich in die Originalversion begeben, um den Unflat-Raps von Malcolm Tucker andächtig zu lauschen.
Die DVD-Premiere „Kabinett außer Kontrolle“ ist eine ätzende und komplett überzogene Politsatire, deren intrigante Spielchen einen schon an der Realität zweifeln lässt. Die deutsche Fassung kommt allerdings selten an die Originalität des Originals heran. Trotzdem ist „Kabinett außer Kontrolle“ eine riesige Bereicherung des politischen Comedy-Sektors.
Film-Wertung: (6,5 / 10)
Kabinett außer Kontrolle
OT: In the Loop
Genre: Komödie, Satire
Länge: 102 Min, GB 2009
Regie: Armando Iannucci
Darsteller: Peter Capaldi, Tom Hollander, Gina McKee, James Gandolfini
Extras: Trailershow, Entfallene Szenen (20 min), bei Dreh (20 min)
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Ascot Elite Home Entertainment
DVD- & Blu-ray-VÖ: 22.02.2011