Franks Flimmer-Fest 2010: Montag – Halbzeit

Filmfest Hamburg Logo 2010Faktisch ist nun das halbe Filmfest gelaufen, zumindest für die Fachbesucher und mein Kinotag steht ganz im Zeichen des Alterns: die isländisch-dänische Produktion „Ein gutes Herz“, „Poetry“ aus Südkorea und die amerikanische Dokumentation „A Different Path“ zeigen Hauptfiguren, die nicht nur nebenbei mit dem Alter zu kämpfen haben. Das gibt mir genug zu denken, um mir den Abend über eine kinotechnische Auszeit zu nehmen.

Ein gutes HerzIn „Ein gutes Herz“ lernt der alternde Barbesitzer Jaques (Brian Cox) nach seiner fünften Herzattacke den jungen Obdachlosen Lucas (Paul Dano) kennen, der gerade versucht hat, sich das Leben zu nehmen. Jaques beschließt, Lucas zu seinem Nachfolger und Schüler zu machen und nimmt ihn bei sich auf.

Doch das Leben mit dem ketterauchenden und trinkenden Misanthropen  ist nicht gerade einfach. Der schüchterne und linkische Lucas entwickelt nach und nach Selbstbewusstsein und zwischen den beiden entsteht eine konfliktgeladene Freundschaft.

Brian Cox in Hochform – mal wieder

Der isländische Regisseur Dagur Kári entwickelt ein kuriose schwarzhumorige Buddy-Komödie, die vor allem von einem bärbeißigen und grandiosen Brian Cox getragen wird. „Ein gutes Herz“ hat viele wunderbare Szenen und schrullige Typen, die den tragikomischen Film liebenswert machen. Allerdings kann die Story dann letzlich doch nicht komplett überzeugen und steuert nach diversen Finten einen Schlingerkurs. „Ein gutes Herz“ startet hierzulande am 25. November in den Kinos und läuft noch am 7. und 9. Oktober beim Filmfest Hamburg. Wer sich einen Eindruck verschaffen will, findet auf der Film-Homepage den Trailer (6/10).

Eine Stadt für die Einwohner und nicht die Autos

Danach ist mir einfach nach etwas komplett anderem. Ich verwerfe meine ursprüngliche Filmplanung und beschließe spontan einen anderen Weg zu gehen.

A Different Path„A Different Path“ ist der dritte Dokumentarfilm von Monteith McCollum. Es geht um Mobilität und die verkehrsbedingte Lebensfeindlichkeit der Städte. In Seattle macht sich der Rentner Richard dafür stark, endlich vernünftige, seniorengerechte  Gehwege in seinem Stadtteil anzulegen. In Toronto ist der Aktivist und Musiker Michael damit beschäftigt, Bewusstsein für eine alternative Mobilität und vernünftigen städtischen Rückbau zu schaffen. McCollum begleitet die beiden bei ihren Bemühungen.

„A Different Path“ wird noch mit Animationen und zwei Beispielen von Menschen, die in New York und Portugal mit dem Kajak zur Arbeit fahren, ergänzt. So ergeben sich wichtige Einsichten in ein hochaktuelles Thema, das nicht nur amerikanische Großstädte betrifft. Auch bei uns bedarf die Frage nach der Nutzung des öffentlichen Raums einer breiten Diskussion.

Filmisch kann „A Different Path“ allerdings nicht überzeugen. Die beiden Bootsbeispiele wirken angebaut und die anfänglich sehr präsenten Animationen verschwinden im Filmverlauf immer mehr. Für Stadtplaner ist der Film allerdings eine Pflichtveranstaltung – am  7. Oktober (5/10).

Schöner Leben mit Lyrik

PoetryVielleicht sollte man im Herbst des Lebens nochmal etwas Neues probieren? In „Poetry“ nimmt die rüstige Rentnerin Mija an einem Lyrikkurs teil, weil ihr einst ein Lehrer prophezeite, sie werde nochmal eine Dichterin werden. Aufgabe des Kurses ist, selbst ein Gedicht zu verfassen.

Mija sorgt für ihren halbwüchsigen Enkel Wook und arbeitet dreimal wöchentlich als Pflegerin für einen alten körperlich eingeschränkten Mann. Manchmal vergisst sie Worte und ihr Enkel macht ihr zunehmend Schwierigkeiten. Dann kommt heraus, dass Wook aufgrund eines schweren Verbrechens in ernsthaften Problemen steckt. Für die Großmutter könnte der Kontrast zwischen Leben und Poesie kaum größer sein.

„Poetry“ entpuppt sich als der Gewinner des Tages und wurde schon in Cannes für das Drehbuch ausgezeichnet. Der ruhige Film setzt sich in unaufgeregter Weise mit dem Drama des Lebens auseinander. Die 140 Filmminuten sind kurzweilig und die Geschichte überzeugt mit überraschenden Szenen und einer tollen Hauptdarstellerin Jeeon-hee Yoon. Am Ende steht die Gewissheit, dass es nicht schwer ist, ein Gedicht zu schreiben, sondern den Mut aufzubringen, es auch zu tun. „Poetry“ ist beileibe kein einfacher Film, aber ein eindringlicher. Nochmals am 6. Oktober zu sehen.(8/10).

Mich wird „Poetry“ noch eine Weile begleiten und zum Grübeln über die koreanische Gesellschaft bringen. Dafür werden nun auch „Haru’s Journey“ und „Websitestory“ verschoben. Für heute war’s genug.

Zum Abschluss noch die aktuelle

Top 5 des Hamburger Filmfests

1. „Spork“

2. „Poetry“

3. „Das Labyrinth der Wörter“

4. „Oldboys“

5. „Buried“

Bis morgen.