Selten kriegt das Publikum hierzulande mal Filme aus Indien auf de Leinwand zu sehen. „Marco“ ist ein brutaler Rachethriller, der sich bereits im Vorfeld einen Namen als „brutalster indischer Film“ gemacht hat. Ob das nun reicht um Leute in die Lichtspielhäuser zu locken, sei mal dahingestellt. Zu sehen im Verleih von Busch Media ab dem 27. November 2025.
Der Freund des blinden Victor wird auf dem Rückweg von einem illegalen Käfigkampf ermordet. Nun gilt Victor als wichtiger Zeuge und kann die Täter auch identifizieren. Das macht ihn selbst zur Zielscheibe und bald wird auch Victor ermordet.
Nun gehören sowohl Victor als auch sein Freund zu wichtigen Familien der Gold-Mafia von Kochi im Südwesten Indiens. Und die Familien wollen Rache. Besonders Victors Halbbruder Marco (Unni Mukundan), der war lange im Ausland, hat ein ungezügeltes Temperament und einen Ruf als Vollstrecker. Bei der Beerdigung schwört Marco blutige Rache.
Bei einem Treffen bekommt George (Siddique), das Oberhaupt von Victors Familie die Loyalität und Unterstützung von Tony Isaac (Jagadish) zugesagt. Dessen Sohn Russel (Abhimayanu Shammy Thilakan) ist aber schon längst in den Schlamassel verwickelt. Und so nehmen die Dinge ihren lauf und es kommt zu blutigen Vergeltungsmaßnahmen.
„Marco“ von Filmmacher Haneef Adeni folgt einer anderen Filmtradition als der Bollywoods. Das südindische Kino will sich auf dem Subkontinent vor allem als Action-Gegenpol darstellen und handfesten Keilereien aus Hongkong und anderen Südostasiatischen Action-Schmieden gehörig Konkurrenz machen.
Auftritt: Der blinde Seher
In rund 140 Minuten geht es derbe, brutal und hochstilisiert zur Sache. Das hat durchaus Nähe zu „John Wick“ und anderen modernen Rachethrillern. In seiner explizit brutalen Machart, die eigentlich keine Gefangenen und keine Ausnahmen macht, ist „Marco“ extrem explizit.

Der Verleih Busch Media hat zum Kinostart auch eine entsprechende Pressemeldung verfasst, in der es darum geht, dass die Prüfstelle den Film dergestalt einstuft, dass gerade eben keine Indizierung erfolgt. Andererseits hat sich die FSK auch gesträubt dem indischen Actioner überhaupt eine Freigabe zu erteilen. Erst nach mehrmaligem Widerspruch wurde der Film mit FSK ab 18 zugelassen, also ohne Jugendfreigabe.
Nun ist es durchaus zweifelhaft, mit extremen und expliziten Filminhalten auf sich aufmerksam zu machen, aber durchaus legitim. Immerhin schmückt der entsprechende Warnhinweis vor Filmbeginn ja auch ein bisschen.
Leider ist „Marco“ kein sehenswerter Film geworden. Bevor es quasi andauernd über die Maßen gewalttätig wird, muss das Publikum sich durch eine etwa 30 minütige Exposition, also Einführungsphase, glotzen. De kann zwar Hochglanz-Optik, aber keine packende Erzählung. Die durchaus schlichte Handlung ist locker genreüblich, aber die Art und Weise wie die Figuren etabliert werden vermittelt eine Versiertheit, die schlicht nicht vorhanden ist.
Auftritt: Der Racheengel
Und überhaupt: Wieso wird hier christlich beerdigt? Wieso haben die Kollegen so europäische, westliche Namen? Hat die Polizei keine Lust mehr mitzuspielen? Für einen Film über organisierte Kriminalität wie etwa „Gangs of Wasseypur“ fehlt schlicht der Bezugsrahmen. Das hält hier alles nur als gefloskelte Struktur her.
Da wird auch parallelmontiert wie in den Gaunerstücken von Guy Ritchie, da wird von Kindermund Sagenumwobenes berichtet (und bebildert) und die Handlung nimmt wie ein Rinnsal jede Bodenwelle, jeden Mäander mit, bis endlich ein Erzählfluss erreicht ist, der genug Schwung hat. Das bleibt oft in der Attitüde stecken und erinnert durchaus an den ebenfalls nicht sonderlich sehenswerten deutschen Knastfilm „Haps“.
Mein Lieblingsdialog zwischen Marco und seiner Verlobten läuft dann auch „sehr männlich“ oder testosteronverseucht. Sie: „Was du tust ist toxisch.“ Er: „Ich bin toxisch, aber es ist Liebe.“ Was übrigens auch für die vermeintlich gemäßigten Charaktere gilt. Selbst wenn vorher von zerstörerischer Rache abgeraten wird. Wenn alles in Schutt und Asche liegt, klöppelt ausgerechnet der Mahner so einen Spruch raus wie: Aber er wird und rächen. Therapieresistenter geht kaum.
Auftritt: Der Schlachter
Tatsächlich kommen in der wüsten Action und Gore-Orgie auch Reminiszenzen zu „Sin City“ mit stylishem Schwarzweiß und roten Farbklecksen und zu „The Raid“ mit wuseligen Treppenhaus-Knochenbrüchen zum Einsatz. In der Waldsequenz ist es durchaus beeindruckend, was ein an den Händen gefesselter zu killen vermag, bevor es dann auch hier wieder einfach so sehr übers Ziel hinausschießt, dass es ekelig und ermüdend wird.
Abschließend vielleicht noch ein paar Überlegungen und Fragen, die mich umtreiben, nachdem ich nun jüngst „Sisu 2“, „Ballerina“ und andere eher brutale Actioner vorgestellt habe. Wo die Grenze verläuft zwischen unterhaltsamen und überzogenen Filmen, muss jede:r für sich selbst entscheiden. Sicherlich gibt es Genres-Setzungen und es gehört im Rache-Thriller auch dazu, diese zugleich zu bedienen wie sie gegen den Strich zu bürsten.
Der Einsatz von Humor – wie schwarz und derbe er auch immer – mag helfen, hier Unterhaltung und / oder Ventil zu schaffen. Auch das ist wieder höchst subjektiv. Letzlich spielt auch ide Absicht der Filmschaffenden eine große Rolle. Wick will unterhalten, „Haps“ ein „Sozialdrama“ sein. Und „Marco“? Dennoch wären diese Überlegungen weit eher angebracht, wenn „Marco“ ein Film wäre, mit dem sich die Beschäftigung lohnt.
Was bleibt ist ein überzogen brutaler und nicht sonderlich gut erzählter Racheactioner, der mit immerhin zwei Songs aka Videos aufwarten kann und für indische Film-Verhältnisse kurz ausgefallen ist. Das Vergnügen auf blutige Weise und mit hohem Body-Count Rache zu nehmen ist ebenso zweifelhaft wie hahnebüchen sinnlos. Es endet im Blutbad, wenn alle beteiligten versprechen, dass es im Blutbad enden wird. Soviel zum Überraschungsmomentum.
Marco
OT: Marco
Genre: Action, Thriller,
Länge: 220 Minuten, IND, 2024
Regie: Haneef Adeni
Schauspiel: Unni Mukundan, Siddique, Jagadish, Abhimayanu Shammy Thilakan
FSK: ab 18 Jahren, Keine Jugendfreigabe
Verleih: Busch Media
Kinostart: 27.011.2025




