Rote Sterne überm Feld: Dorf Gemeinschaft

Eine linke Aktivistin muss untertauchen und verkriecht sich in ihrem Heimatdorf Bad Kleinen. Hier gibt es haufenweise verminte Themenfelder und experimentelles Erzählen auf etlichen Ebenen. Filmmacherin Laura Laabs konnte mit ihrem Drama die Filmkritik beim Max Ophüls Preis 2025 überzeugen und wurde als „Bester Spielfilm“ ausgezeichnet. Aber Obacht, dieser überbordende Film ist nichts für schlichte Unterhaltung. Deutsche Befindlichkeiten rechtzeitig zum Jahrestag des Mauerfalls im Kino.

Unbekannte beflaggen den Reichstag mit roten Fahnen. Tine (Hanah Ehrlichmann) muss abtauchen und raus aus der Hauptstadt. Am Bahnhof Bad Kleinen in Mecklenburg geht’s zu Fuß weiter zum väterlichen Haus. Vater Uwe (Hermann Beyer) ist erstaunt und verwundert, was seine Tochter denn freiwillig hierher verschlagen hätte?

Auf der vermeintlichen Suche nach Ruhe trifft Tine ihren Schulfreund Martin wieder. Kurz darauf kann die Forschungsgruppe um Professor Werner Gömer (Uwe Preuss) im Moor beim Haus eine gut erhaltenen Moorleiche bergen. Mit entsprechendem Rummel. Während die Forscher:innen sich an die Arbeit machen, versucht Tine mit den Schülern ein Filmprojekt zu starten.

„Steh ich im Moor hab ich den bestirnten Himmel über mir und die deutsche Geschichte unter mir.“

Außerdem findet sie auf dem Dachboden alte Briefe aus dem Zweiten Weltkrieg.Und sie fragt sich ebenfalls wo ihre Mutter denn zur Wendezeit abgeblieben ist? Da gab es auch noch eine „besetzte“ LPG. Deren Leiter Willi ist seinerzeit spurlos verschwunden. Wie sich herausstellt, kennen sich Uwe und Professor Werner von früher. Derweil führen die Spuren des Reichstags-Happenings eine Hauptstadtkommissar in die Gegend.

„Rote Sterne überm Feld“ erzählt auf mehreren Zeitebenen von Menschen aus Bad Kleinen. Angefangen in der Gegenwart, die in 4-3 TV-format gefilmt ist, über die in Schwarz-Weiß und 16:9 gedrehte Inszenierung der Briefe aus dem Weltkrieg bis zu der in Cinemascope gezeigten Wendezeit mit der Auflösung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft.

Darüber hinaus bezieht der Film, der möglicher Weise ein komödiantisches Drama sein mag, auch die Terrorgeschichte der Rote Armee Fraktion mit ein. Denn das RAF-Mitglied Wolfgang Grahms wurde in Bad Kleinen in einem Polizeieinsatz getötet. Auch da gab es Rätsel. Das versucht Tine mit ihren Schülern filmisch zu fassen. Immer wieder werden Youtube-artige oder TV-mäßige Storytimes eingebaut. Oder aber es werden Tagesschau-Nachrichten nachinszeniert.

Der Engel der Geschichte geht nirgendwo hin

Eine weitere Ebene von „Rote Sterne überm Feld“ beschäftigt sich mit Sprache. So wird einerseits Goethes „Erlkönig“ zitiert und andererseits aus dem Off ein lyrischer Text über den Engel der Geschichte und den Sturm des Fortschritts verlesen und gleichzeitig in mehreren Schrifttypen neonknallig über die Leinwand projiziert. Zwischendurch dann immer wieder Dorfalltag mit Trecker-Duell und Saufabenden jenseits der politischen Mitte. Irgendwo schließt sich der Kreis. Und zwar, wenn sich rechts und links in Bad Kleinen besaufen.

Das alles formt sich durchaus zu einem stimmigen Ganzen, das mehr ist als die Summe der Einzelteile. Das ist eigentlich wagemutig erzählt, und bleibt doch immer wieder auf der Schiene stehen, als hatte keiner mehr Bock die Draisine zu betätigen. Nachdenken über Deutschland, während des rollt? In seinem zeitlich denkenden, lokalen zeigenden Ansatz ist „Rote Sterne überm Feld“ schon furios. Und dann wieder so bundesrepublikanisch provinziell wie Bonn. Das muss das Publikum schon wollen.

„Rote Sterne überm Feld“ oder „Keine Sterne in Athen“? Autorenfilmerin Laura Laabs nimmt sich einiges vor und hat eine klare Vorstellung, wie das aussehen soll. Ich weiß dem Experiment zu huldigen. Ich verstehe den Impuls und finde die Umsetzung großteils sehenswert. Aber die vielen stilistischen Variationen beinhalten auch einigen Leerlauf. Und der komplexe Erzählfluss steht an der einen oder anderen Stelle ganz schön im Moor und droht bisweilen zu versacken. Wer sich mit ambitioniertem jungen Filmschaffen auseinandersetzen mag, ist hier richtig.

Rote Sterne überm Feld
OT: Rote Sterne überm Feld
Genre: Drama
Länge: 133 Minuten, D, 2025
Regie: Laura Laabs
Schauspiel: Hanna Ehrlichmann, jule Böwe, Hermann Beyer
FSK: ab 12 Jahren
Verleih: Farbfilm
Kinostart: 06.11.2025

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