Mein mp3-Player sortiert Songs eines Albums gelegentlich alphabetisch. Frag mich nicht warum. Das ist bisweilen störend, weil Alben so eine andere Songreihenfolge bekommen. Im Fall der Berliner Newcomer Morphine Ridges ging’s mit der Country-Ballade „Dead Paradise“ los. Und hat mich erstmal ausgebremst. Nach mehrmaligen Durchläufen macht das Debüt-Album „Bodies and Distance“ aber einen wesentlich komplexeren Eindruck. Irgendwo zwischen düsterer Americana und Shoegaze findet der Fünfer seine Nische.
Mensch mag sich lange fragen, was denn die „Morphine Ridges“ sein mögen? Das düsterblaue Cover vermittelt den Eindruck eines Weges durch nebelige Berglandschaften. Es gibt wohl einen Gebirgsgrat in Oregon, der so heißt. Das finster abgründige Musizieren der Berliner mag aber auch einer eigenen Wortkreation entsprungen sein.Eine, bei der erst das Schmerz- (oder Rausch-)-Mittel es ermöglicht einen Pfad durch die zu gebirgige Lebenspein zu erkunden. Hört sich nun deprimierender an, als es gemeint ist.
Ich hab übrigens nicht rausfinden können, ob das Album ausschließlich digital veröffentlicht wurde. Und die Labelpräsenz bei Instagram kommt auch nicht richtig informativ rüber. Aber das müssen potentiell Interessierte dann direkt anfragen.
Immerhin liegt in der elgegischen Musik von „Morphine Ridges eine tröstende Kraft. Melancholische Sehnsucht und bisweilen fast traditionelle Songstrukturen treffen auf eine in der Pop-Musik durchaus eigenwillige Instrumentierung. Tieftöner werden meistens als Kontrabass dargeboten, das Schlagzeug kommt bisweilen im Marching Band Stil daher. Die Steel Guitar sorgt immer wieder dafür das Steppenläufer (oder Tumbleweeds) durch die melodischen Geisterstädte taumeln. Die bauen Mophine Ridges wie Potemkinsche Dörfer.
Diese Musik speist sich aus diversen Quellen, und die schreibenden Kollegen haben schon Spaghetti-Western-Soundtracks und David Lynch-Filme vergleichend herangezogen. Aber ebenso Calexico und Dreampop oder Shopegaze-Einflüsse ausgemacht. Dem ist wenig hinzuzufügen und doch erschließt sich mir das Album irgendwie anders.
Impossible Masquerade
Vor allem höre ich hier die Americana-Einflüsse. Die paartanzbaren Country-Anleihen und -Einflüsse sind nicht nur in „Masquerade“, „Dead Paradise“, Ride Forever“ und „Lay Your Weapon“ präsent. Songs, die auf jeder Scheunenfete zum Engtanz auffordern. Da schwitzt fast finnischer Tango raus.
Dann wieder haben Morphine Ridges durchaus Hang und Lust zur verzerrten Gitarre. Die wird auch mal von einem Schlagzeug unterstützt, das reinhaut. Bisweilen kommen mir da jüngere getragene Nick Cave Kompositionen in den Sinn. Und immer ist da auch was Finsteres, Westernhaftes. Das findet sich ebenso bei „Fields of the Nephilim“ wie bei den vom Jazz aufgebrochenen „Elysian Fields“. Gleichviel. Morphine Ridges machen ihr eigenes Ding und der fast immer zweistimmige Duettgesang bringt eine eigene Klangfarbe zur Geltung.
„Bodies and Distance“ ist ein ruhiges Album, das selten mal aus dem gediegenen Tempobereich herauskommt. Es braucht einen Moment. Hier steht die Atmosphäre im Vordergund und der Klangteppich wird oft genug zur Sound-Landschaft ausgebreitet. Kompositorisch ist jenseits gängiger Popformate noch Entwicklungsraum. Klangfülle und sehnsüchtige Gesänge tun bereits ihre Wirkung.
Morphine Ridges – Bodies and Distance
Genre: Shoegaze, Dreampop, Americana,
Länge: 42 Minuten, D, 2025
Interpret: Morphine Ridges
Label: Jukeboxbaby Records
Format: digital, ?
VÖ: 15.09.2025