Bridge of Spies – Der Unterhändler: Glienicker Brücke, Berlin

Ab in den Kalten Krieg im #Sommerkino25 mit „Bridge of Spies. Es war eine ziemlich sichere Wette, das „Bridge of Spies – Der Unterhändler“, Steven Spielbergs Drama aus dem Kalten Krieg irgendeinen Oscar einfahren wird. Die kaum bekannte Geschichte um James Donovan, den inoffiziellen Unterhändler der USA beim Austausch von Agenten mit der UdSSR, hat alles, was es braucht, um nicht nur an den Kinokassen Erfolg zu haben, sondern auch Kritiker zu begeistern. Das Konzept „Spionage ohne Thriller“ funktioniert filmhandwerklich wahrlich meisterhaft. Eigentlich erstaunlich, dass es so faszinierend ist, Teppichhändlern beim Schachern zuzusehen.

Im Jahr 1957 wird der russische Spion Rudolf Abel (Mark Rylance) vom F.B.I. verhaftet. Der Mann hatte jahrelang als Künstler in den USA gelebt und für die kommunistische Gegenseite spioniert. Um den Russen zu beweisen, was amerikanische Werte sind, bekommt der Spion einen hochklassigen Anwalt zugeteilt. Die Wahl fällt auf James Donovan (Tom Hanks), der ist zwar mit Versicherungsangelegenheiten betraut, hat aber – wie in einem Nebensatz durchklingt – auch bei den Nürnberger Prozessen gegen die Nazis mitgewirkt.

Das bringt den Anwalt in eine missliche Lage, denn sein Mandant ist der meistgehasste Mann Amerikas und die zuständige Justiz macht deutlich, dass sein Mandat eigentlich nur pro forma existiert. Aber Donovan nimmt seine Aufgabe erst, was nicht nur zu leichten Missstimmungen mit der Gattin (Amy Ryan) führt, sondern auch zu massiven Bedrohungen. Immerhin gelingt es Donovan, seinen Mandanten von der Todesstrafe zu verschonen.

Americas meistgehasster Mann


Das macht sich Anfang der 1960er Jahre bezahlt, als der amerikanische Flieger Francis Gary Powers von den Russen gefangen gehalten wird. Die USA hätten ihren hochrangingen Geheimnisträger gerne so schnell wie möglich zurück. In der DDR ist nach dem Mauerbau zudem ein amerikanischer Student als vermeintlicher Spion inhaftiert worden. Auch den hätten die Amerikaner gerne wieder zu hause. Ein Tauschgeschäft scheint möglich, allerdings ohne offiziell in Verhandlungen zu treten. Für diese heikle, inoffizielle Mission scheint ausgerechnet Donovan der geeignete Mann zu sein. Der Anwalt bricht nach Berlin auf, um den Agentenaustausch zu verhandeln.

Von einer furiosen Eingangssequenz aus entwickelt sich „Bridge of Spies“ zunächst zum Justizdrama mit einem moralisch standhaften Anwalt. Und später zu einem Spionagefilm mit einem klug taktierenden Unterhändler. Ohne dass dabei die Kohärenz, der filmische Zusammenhang, verloren ginge. Auch wenn Stephen Spielbergs Film die Intensität und die Spannung nicht über die gesamte Spieldauer von 140 Minuten auf höchstem Niveau halten kann, bleibt „Bridge of Spies“ doch ein außergewöhnlich gelungener Film. Freilich auch ein amerikanischer, und einer, den Spielberg, wie viele seiner geschichtlichen Werke nutzt, um mit Unterhaltung zu belehren.

Der Versicherungsanwalt in diplomatischer Mission

Das muss man nicht unbedingt als Manko empfinden. Als Europäer kann man das aber schon mal kritischer reflektieren. Das Ostberlin des Film wird in recht düsteren, winterlichen Farben gezeigt, die DDR Unterhändler als piefige Kleinbürger, die so gerne am großen Verhandlungstisch der Weltmächte USA und UdSSR säßen. Und selbstverständlich wird auch der Mauerbau in den Film integriert – obwohl im August 1961 geschehen, dramaturgisch aber in die kalte Jahreszeit verlegt. In dem Kontext dürfen (für die amerikanischen Zuschauer) auch die Mauertoten nicht fehlen, um ganz klar zu machen, dass die DDR ein Unrechtsstaat gewesen ist. Da trägt der Film dann doch zu dick, zu stereotyp auf.

Auch die Amerikaner bekommen ihr Scherflein an Gesellschaftskritik ab. Anwalt Donovan scheint der einzige zu sein, der sich vor lauter Kommunistenhass und Kriegsangst an Verfassung und Grundrechte erinnern kann. Allerdings ist es inzwischen auch längst nicht mehr unpatriotisch, das Amerika der McCarthy-Ära (und die Folgejahre) zu kritisieren. Und am Ende wird es dann auch wieder gewohnt Hollywood-kompatibel patriotisch.

Handwerklich ist „Bridge of Spies“ in beinahe jeder Hinsicht sehr überzeugen. Die Darsteller sind allesamt großartig, wobei Mark Rylance als fatalistisch entspannter Rudolf Abel dem Hauptdarsteller und Hollywoodstar Tom Hanks mehr als nur ein ebenbürtiger Spielpartner ist. Der Oscar als bester „Nebendarsteller“ ist mehr als Fällig gewesen. Dazu hat „Bridge of Spies“ Mut zum Zeitkolorit, ohne in Manierismen zu versinken.

Meisterliches Filmhandwerk

Die Geschichte nach wahrem Vorbild wurde von Autor Mark Charman dramaturgisch verdichtet und von Joel und Ethan Coen in gelungene, mehrdeutige Drehbuchform gebracht, die den Zeitgeist trifft. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Denn wenn die beiden renommierten Filmmacher nicht selbst Regie führen, kann das wie bei „Gambit“ auch schon mal danebengehen. Hier allerdings gelingt sehr vieles. Leitmotive tauchen immer wieder auf, die Dialoge sind auch humorig und voller Mehrdeutigkeiten.

Bestechend brillant ist und bleibt aber die hinreißende Kameraarbeit von Janusz Kaminski, der seit „Schindlers Liste“ (1993) mit Spielberg dreht. In „Bridge of Spies“ findet er sowohl einen äußerst stimmigen, bisweilen grobkörnigen Look als auch überraschende Kameraperspektiven, um die Protagonisten in Szene zu setzen.

Bestechend bleibt die schon erwähnte, meisterhafte Eingangssequenz. Der gelingt es aus einem unbekannten Künstler bei der Arbeit an einem Selbstportait zunächst einen Verfolgten, einen Verdächtigen und schließlich einen Schuldigen zu machen. Und den Zuschauer so mitten ins Geschehen zu werfen. Dessen Orientierungslosigkeit daraufhin in bester Thriller-Manier zu nutzen, um die Ausgangslage zu etablieren und allein über die Bildsprache alle wesentlichen Elemente der Thematik aufzuzeigen. Das ist einfach schön.

„Bridge of Spies –Der Unterhändler“ schlägt aus einem eher unbekannten Kapitel der Geschichte des Kalten Krieges viel Kapital und rückt einen unbesungenen Helden ins Licht. Stephen Spielberg ist ein sehr sehenswerter und unterhaltsamer Film gelungen, der sicherlich zu seinen besten und stärksten zählt. Und das mag bei 55 Filmen schon etwas heißen.

Bewertung: 8 von 10.

Bridge of Spies – Der Unterhändler
OT: Bridge of Spies
Genre: Drama, Thriller,
Länge: 136 Minuten, USA, 2015
Regie: Steven Spielberg
Schauspiel: Tom Hanks, Mark Rylance
FSK: ab 12 Jahren
Verleih: 20th Century Fox (Disney)
Kinostart: 26.11.2015
DVD- & BD-VÖ: 12.05.2016

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