Precious –Das Leben ist kostbar: Selbstbewusssein lernen

Ein Oscar-prämierter Film im #Sommerkino25 – „Precious“ von 2009. Es ist schon erstaunlich, dass dieser übergewichtige, schwarze Teenager aus Harlem eine solche Faszination ausstrahlt. Dabei ist so viel Drama schwer zu verdauen, doch „Precious“ gelingt es den Zuschauer trotz all des Elends für sich zu gewinnen. Das außergewöhnliches Kunststück eines außergewöhnlichen Films. Prämiert unter anderem mit einem Oscar für das adaptierte Drehbuch und für die Beste Hauptdarstellerin.

Precious (Gabourey Sidibe), die eigentlich Clareece Jones heißt, ist schwarz, fettleibig und 16 Jahre alt, sie kann kaum Lesen und Schreiben. Sie wohnt in einem abgetakelten Teil von Harlem bei ihrer Mutter (Mo’nique), die von der Fürsorge lebt und Precious dafür verantwortlich macht, dass ihr Kerl sie verlassen hat. Auch sonst lässt die Mutter kaum ein gutes Haar an ihrer Tochter und beutet Precious in beinahe sadistischer Art und Weise aus.

Precious wurde von ihrem Vater, der inzwischen abgehauen ist, mehrfach vergewaltig. Sie hat ein Kind mit Trisomie 21, das ihr weggenommen wurde. Nun ist sie erneut schwanger. Für die Schule, die Precious besucht, ein unhaltbarer Zustand. Man bietet dem Teenager an, an einem alternativen Schulprojekt teilzunehmen, in dem sich auch andere verhaltensauffällige, farbige, junge Frauen befinden.

Nicht schwanger zum Unterricht

Dort trifft Precious auch auf eine engagierte Lehrerin (Paula Patton) und lernt die Grundbegriffe des Lesens und Schreibens. Doch nicht nur das: In der neuen Umgebung merkt Precious zum ersten Mal, dass sie als Außenseiter nicht allein ist. Und durch die Akzeptanz in der Gruppe findet sie langsam ihr eigenes Selbstvertrauen. Precious beginnt sich mit ihren Problemen auseinanderzusetzen, kommt aus ihrer Opferrolle und emanzipiert sich von der tyrannischen Mutter.

Starker Tobak den Regisseur Lee Daniels dem Zuschauer zumutet. In seiner zweiten Regiearbeit verfolgt er konsequent die Linie außergewöhnlicher Dramen weiter, die er schon als Produzent von „Monster’s Ball“ (2001) und „The Woodsman“ (2004) eingeschlagen hat. Daniels hat eine starke und mitreißende Geschichte zu erzählen und findet dafür auch angemessene, frische und gelungenen Bilder, die den Zuschauer erreichen, ohne plakativ zu wirken.

Doch dass „Precious“ so mitreißend und gelungen ausgefallen ist, hat noch zwei weitere Gründe: Die grandiose Neuentdeckung Gabourey Sidibe als „Precious“ und die nicht minder intensive Mo’nique, die eigentlich als Komikerin erfolgreich ist. Vor allem die gemeinsamen Szenen der beiden gehören zu dem bemerkenswertesten, was seinerzeit über die Leinwand flackerte.

Probleme der schwarzen Unterschicht

„Precious“ wirkt sehr authentisch und realistisch, was ganz sicher an einer superben und sensiblen Drehbuchfassung des Sapphire-Romans „Push“ liegt., Letztlich ist es aber zusätzlich der guten, fast ausschließlich schwarzen Besetzung geschuldet. Das Herzblut ist zu spüren, mit dem alle Beteiligten dabei ist.

Es geht um schwarze Unterschicht, doch von „Hood“-Romantik weit und breit keine Spur. Allein, dass Ophra Winfrey den Film produzierte und Lenny Kravitz seinen ersten Filmauftritt überhaupt gibt, ist ein Hinweis, wie wichtig „Precious“ für das Selbstverständnis der Schwarzen in den USA ist oder werden kann.

Trotz aller Dramatik hat „Precious – Das Leben ist kostbar“ auch ausgleichende, leichte Momente und selbst für die gebeutelte Clareece gibt es Lichtblicke und Hoffnung. Und so geht auch der Zuschauer, zwar angefasst und zutiefst bewegt, aber hoffnungsfroh, ja fast hoffnungsirre (nach William Gaddis), aus dem Kinodunkel.

Precious – Das Leben ist kostbar“ ist ein intensives und packendes Drama, das den Zuschauer in eine außergewöhnliche Leidensgeschichte blicken lässt. Obwohl der gesamte Film sehr stimmig ist, wird „Precious“ von zwei großartigen Schauspielerinnen getragen.

Bewertung: 8 von 10.

Precious – Das Leben ist kostbar
OT: Precious
Genre: Drama
Länge:110 Minuten, USA, 2009
Regie: Lee Daniels
Vorlage: Roman „Push“ von Sapphire
Schauspiel: Gaboure Sidibe, Paula Patton, Mo’nique
FSK: ab 12 Jahren
Verleih: Prokino
Kinostart: 25.03.2010
DVD-VÖ: 24.04.2010

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