Über Architektur lässt sich trefflich streiten. Ganz besonders gilt auf dem Gebiet der gebauten Kunst der Volksmund: „Was dem einen seine Eule, ist dem anderen seine Nachtigall“. Der bayrische Architekt Sep Ruf gehört zu den bedeutendsten deutschen Vertretern der Nachkriegsmoderne und Ruf hat mit etlichen Gebäuden das Gesicht der jungen Bundesrepublik mitgeprägt. Ein Dokumentarfilm widmet sich nun dem Werk des Architekten des Kanzlerbungalows. Zu sehen im Kino ab dem 10. Juli 2025.
Franz Joseph „Sep“ Ruf (1908 bis 1982) war ein Münchener Architekt und Designer, der unter anderem die international angesehenen Gebäude des Kanzlerbungalows in Bonn und, zusammen mit Egon Eierman, die deutschen Pavillons der Weltausstellung 1958 in Brüssel gestaltet hat. Ruf gilt als einflussreicher und prägender Vertreter der so genannten Nachkriegsmoderne.
Diese Moderne zeichnet sich durch eine große Leichtigkeit in der Gebäudeanmutung aus. Das ist ganz bewusst im Kontrast zu den Monumentalbauten früherer Jahrhunderte und der Ehrfurcht gebietenden Architektur des Totatalitarismus gehalten. Nicht umsonst sahen und sehen Bundeskanzler Ludwig Ehrhardt, der den Bungalow in Auftrag gab, und Architekturexperten darin eine „demokratische“ Architektur: Gebäude, die auf einer Ebene funktionieren und einen breiten Austausch mit dem Innen und Außen ermöglichen.
„Schöne Räume mit großer Aufenthaltsqualität.“
Das ist nicht jedermanns und jederfrau Sache und gerade die Moderne wurde und wird oft und gerne als kalt und ungemütlich angefeindet. Um mal ein aktuelles Beispiel aus Hamburg zu nehmen, wo gerade über ein neues (Mäzan finanziertes) Opernhaus nachgedacht wird. Der denkmalgeschützte Nachkriegs-Neubau der Hamburgischen Staatsoper wurde von Gerhard Weber geplant und 1955 fertiggestellt. Das Gebäude hat ähnliche „moderne“ Qualitäten wie Rufs Entwürfe und die aktuelle Debatte zeigt auch immer wieder, dass Leute das bestehende Gebäude als unschön empfinden.

Die Häuser von Sep Ruf allerdings haben sich immer auch ihrer Umgebung angepasst,und Wohnhäuser, beispielsweise in der Hugo-Junkers-Siedlung in Grünwald, haben sich in die Ortsgegebenheiten gefügt, das Wohnen aber ein wenig anders gedacht. Es ist bezeichnend, dass Menschen, die in Gebäuden von Sep Ruf wohnen, dort meistens sehr gerne leben und betonen, dass sich auch Gäste dort stets sehr wohl fühlen. Der schlechte Ruf der „Tankstellen-Architektur“ scheint also nicht immer angebracht.
Das Renommee als moderner Architekt erwarb sich Sep Ruf vor allem mit großen Funktionsgebäuden wie das Max-Planck-Institut in München, die Erweiterung des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg oder auch der Capistran-Kirche in München. Aber das zeigt die Doku von Johann Betz ausführlich und im Detail.
„Die Trennung von Konstruktion und Raumabschluss“
Filmisch setzt der Dokumentarfilmer und Produzent in seinem Erstling auf eindrucksvolle Kamerafahrten und eine Anreicherung des Gesamteindrucks durch herausragende Baudetails. Das wird bisweilen im Split-Screen präsentiert, was einerseits sehr schön ist, andererseits auch Orientierung verlangt.
Auch die Anordnung der Werke in dieser Werkschau verlangt ein wenig mehr Aufmerksamkeit als für einen Rundblick notwendig wäre. Das Team um Regisseur Betz hat sich entschieden, die Gebäude nicht in chronologischer Reihung zu präsentieren, sondern im Sinne einer großen Kontrastierung zu springen: zwischen groß und klein, zwischen Privathäusern und Bankgebäuden, zwischen Etagenwohnen und Expo-Glasbauten. Das mag für ein vorgebildetes und eingeweihtes Publikum unterhaltsamer sein als für Ruf-„Neulinge“, die auch immer zeitlich und räumlich verorten müssen, was an Zeit- und Architektur-Geschehen auftauchte.
„[Rufs Gebäude an der Turmstraße] schafft sofort einen städtebaulichen Raum.“
Das Privatleben des Architekten und Architekturlehrers bleibt in dieser Doku ebenso wenig ausgeleuchtet wie dessen Jahre als junger Architekt in Zeiten des Nationalsozialismus. Die Nazis schätzen die moderne Architektur und Formensprache nachweislich nicht sonderlich, und dennoch sagt jemand im Films, Sep Ruf habe nie über mangelnde Aufträge klagen können. Aber das mag in anderen Medien genauer untersucht und erarbeitet werden.
Entwürfe und Zeichnungen zu den architektonischen Projekten spart sich der Film bis zum Abspann auf, was aufgrund der lebendigen Kamera-Eindrücke nachvollziehbar ist. Das kommt einem Laienpublikum sicher entgegen, während die architektonisch Interessierteren da sicher gerne mehr gesehen und gehört hätten. „Sep Ruf –Architekt der Moderne“ ist dennoch weit mehr als nur eine Einführung in das Werk des geschätzten Architekten.
Die filmische Werkschau auf das Schaffen von Sep Ruf lebt von beeindruckenden Gebäudeaufnahmen und der kunstfertigen Montage von Detailaufnahmen. Das ist bisweilen sehr schön anzusehen. Die Wegbegleiter und Experten, die zu Wort kommen, wiederholen sich in ihren Aussagen bisweilen. Die Anordnung der präsentierten Gebäude im Filmverlauf ist wohl zur Kontrastierung und Auflockerung nicht chronologisch sortiert. Das sorgt für einen etwas holprigen Gang durch die die architektonischen Vitrinen. „Sep Ruf – Architekt der Moderne“ ist dennoch ein sehenswerter Film. Ein Film, der die letzthin etwas in Verruf geratene Nachkriegsmoderne in angemessen, würdigenden Licht zeigt.

Sep Ruf – Architekt der Moderne
OT: Sep Ruf – Architekt der Moderne
Genre: Doku, Architektur
Länge: 96 Minuten, D, 2025
Regie: Johann Betz
Mitwirkende: Dr. Irene Meissner, Gerhard Matzig, Prof. Holger Felten, Dr. Judith Kruse,
FSK: ab 0 Jahren, Infoprogramm
Verleih: Alpenrepublik
Kinostart: 10.07.2025
Wikipedia zu Sep Ruf
Sep Ruf Homepage
Sep Ruf Gesellschaft