Punk sind nicht immer nur die anderen. Die launige Doku „Einfach machen! She –Punks von 1977 bis heute“ präsentiert einige der wesentlichen Figuren der deutschsprachigen Punkszene, die heute großteils wieder (oder noch immer) musikalisch aktiv sind. Regisseur Reto Caduff und Autorin Christine Franz präsentieren eine launige und kompetent collagierte Reise auf die weibliche Seite des Punk Rock. Zu sehen in der Edition Salzgeber in den Kinos ab dem 1. Mai 2025.
Es ist schwer den Zeitgeist der 1970er Jahre wiederzugeben, der bereits so lange zurückliegt und dennoch – gerade in der Subkultur – zu einem Klischee und eigenen Narrativ verkommen ist. Da ist die Sage von dieser musikalischen Welle der Selbstermächtigung, die aus Übersee und Großbritannien auch irgendwann auf den Europäischen Kontinent und nach Deutschland (West) geschwappt ist.
Auch hierzulande entstanden Bands, die gerade mal ihre Instrumente festhalten konnten, aber einen gestaltungs- und Ausdruckswillen hatten, der in die Welt hinaus wollte. Selbstverständlich möchte mensch meinen waren damals auch Frauen beteiligt und kreativ. Doch so selbstverständlich war (und ist) das keineswegs.
Auch innerhalb der Punk-Szene waren es vor allem Jungs und Männer, die sich Gehör verschafften. Das lag nicht nur an der gesellschaftlichen Struktur, sondern auch an den Erziehungs-Idealen, die seinerzeit eine andere Rolle für junge Mädchen und Frauen vorgesehen hatten. Kein Wunder also, das Gudrun Gut (Mania D., Malaria!) feststellt, dass die jungen Frauen in den Bands keine typischen Mädchen waren. Stattdessen wollten sie sich ebenfalls ausdrücken.
Der Weg aus der Niedersächsischen Provinz führt konsequent ins geteilte (West-)Berlin. Hier findet sich – ähnlich wie in New York – Raum, den die jungen Leute einnehmen können, zum Leben wie als kreatives Labor.
„Weil wir uns dafür rechtfertigen mussten, dass wir keine Typen in der Band hatten.“
In Düsseldorf entwickelt sich innerhalb der Punk-Bewegung ein weitere Szene-Spot. Auch hier ist eine Frauen-Band am Start. Östro 430 ist vielmehr Beschreibung und Verortung als aktiver Feminismus. Der Band fehlt eine Gitarristin, bis sie beschließt, dass es auch ohne geht. Punk ist schließlich vor allem Einstellung, weniger Musik-Genre. Jahrzehnte später finden sich Östro 430 in Hamburg mit der Hälfte der Originalbesetzung wieder zusammen.
In Zürich brennt die Luft ebenfalls und Punk ist das subkulturelle Gebot der Stunde. Spätestens mit den Jugendunruhen Anfang der 1980er Jahre (dokumentiert auch in dem Film „Züri brännt“ 1981) wird Punk politisch. Auch hier sind einige rein weibliche Kapellen am Start. Und zu Zeiten der Dreharbeiten haben sich drei Veteraninnen der Szene zu dem Trio One Two Three zusammengefunden und treten wieder gemeinsam auf.
„Mir war nicht klar, dass das so lange geht.“
„Einfach Machen!“ ist stimmig aufgebaut und liefert mit den collagenhaft montierten Fotos der damaligen Zeit und den wenigen Filmaufnahmen ein faszinierendes Zeit- und Szenekolorit. Das aber in ähnlicher Form bereits in anderen Medien und Dokus aufbereitet wurde. Nicht zuletzt in Christine Franz‘ TV-Doku „Punk Girls – Die weibliche Geschichte des Britischen Punk“ die 2024 auf Arte ausgestrahlt wurde. Hier wurden neben The Slits und the Raincoats auch Hans-A-Plast vorgestellt, die mit ihrer Sängerin international Szene-Eindruck machen konnten.
Gleichwohl zielt „Einfach Machen!“ eindeutig auch in die Gegenwart und liefert mit der musikalischen und kreativen Selbstermächtigung der Protagonistinnen von damals auch heute noch ein wertvolles und absurder Weise notwendig erscheinendes Beispiel wie Frauen in der Musik auftreten und erlebt werden können. Verggleiche dazu auch „Rock Chicks“ von Marita Stocker. Und so sagt Klaudia Schifferle (Kleenex, Liliput) durch aus zurecht: „ich finde das auch eine Message, auf die Bühne zu gehen, wenn man nicht mehr so hübsch und nett ist.“
„Einfach Machen! She–Punks von 1977 bis heute“ ist einerseits gelungenes Porträt starker Frauen, und andererseits ein erhellender Blick in die (alternative) Musikbranche. Und immer noch ist das Thema Gleichberechtigung keine Selbstverständlichkeit. Auch in der Subkultur und alternativen Musik sind Frauenbands eine Ausnahme, die sich schlimmstenfalls rechtfertigen muss. Anstatt einfach eine Band die coole Musik macht. Nicht schlecht für ein Mädchen? F*** Off!
Einfach machen! She–Punks von 1977 bis heute
OT: Einfach machen
Genre: Doku, Musik
Länge: 92 Minuten, D, 2025
Regie: Reto Caduff
Drehbuch: Christine Franz
Mitwikende: Östro 430, Klaudia Schiffererle, Gudrun Gut,
FSK: ab 6 Jahren
Verleih: Edition Salzgeber
Kinostart: 01.05.2025
offizielle Filmseite bei Edition Salzgeber