Ursprünglicher Blues lebt vom Stampfen. Dem hypnotisch monotonen Rhythmus, den anfangs viele für das hartnäckige Anklopfen des Teufels gehalten haben. „Blood & Sinners“ erzählt von zwei Brüdern, die die Party in den Süden der 1930er Jahre bringen, einem musikalischen Talent, spiritueller Heilung und den Versuchungen ewigen Lebens. Oder auch: Mein Baby liebt einen Vampir. Zu sehen, zu bestaunen zu feiern ab dem 17. April 2025 im Kino.
An einem Sonntag im Oktober 1932 kommt Sammie Moore (Miles Caton) abgekämpft in den Gottesdienst seines Vaters. Die Nacht war eine Schlacht wie in der Folge erzählt wird. Eigentlich fängt es damit an, dass Sammie am Sonnabend von seinen beiden Cousins eingesammelt wird. Die Smokestack („Schornstein“) Zwillinge, Smoke und Stack – beide dargestellt von Michael B Jordan-, sind aus Chicago zurückgekommen in ihre alte Heimat, Clarksdale, Missisippi Sie kaufen die alte Sägemühle von einem weißen Landbesitzer und wollen noch am Abend einen Juke Joint, ein Tanzlokal, eröffnen.
Dazu fahren die beiden eine Lastwagenladung Wein und Bier auf, bestellen bei Bo Chow kiloweise Fisch und bei seiner Frau ein Eingangsschild. Anschließend muss noch der alte Bluesmusiker Delta Slim (Delroy Lindo) überredet werden abends mal nicht in seiner Stammkneipe aufzutreten und Smokes Ex Anni (Wunmi Musaku) soll ihre Gumbo-Kochkünste zur Party beisteuern.
Baby, Please don’t Go
Aber es lauert mehr Stress in Clarkesdale, Mississippi. Stacks weiße Ex-Freundin Mary (Hailee Steinfeld) hat gerade ihre Mutter beerdigt, die die Zwillinge wie eigene Kinder aufgezogen hat. Und bei dem weißen Farmer-Ehepaar im Nachbarschaft der Sägemühle taucht ein Fremder auf, der von den Chocktaw-Indianern gesucht wird. Remmick (Jack O’Connell), so der Name, ist keinesfalls so hilfsbedürftig wie er wirkt. Und abends hat er vor die Party zu crashen.
Filmmacher Ryan Coogler hat mit seinen bisherigen vier Spielfilmen, allesamt mit Michael B. Jordan, immer auch einen Beitrag zur Identitätstiftung der Black Community in den USA und weltweit geleistet. So auch in „Blood & Sinners“. Afroamerikanische Musikgeschichte rahmt ein Setting in den rassistischen Südsataaten der 1930er. Seltsame Früchte hängen an den Bäumen und so frei wie viele meinen sind die schwarzen Landarbeiter keineswegs.
Doch durch das Leitmotiv der schamanisch begabten heilenden Musiker, die es in vielen ursprünglichen Kulturen gibt, gelingt „Sinners“ (so der Originaltitel) ein breites Publikum mit ins Boot zu holen. Später dann erscheint das untote Reich von Remmicks Vampiren auch wie eine utopische Community. Ein weiterer erstaunlicher Twist in einem überraschenden Film.
Denn im Grund und zuallererst ist „Blood & Sinners“ wie auch „Creed“ und „Black Panther“ ein Blockbuster, der Film und Filmtradition auf und mit großer Palette zelebriert. In „Blood & Sinners“ mischt Coogler, der auch das Drehbuch verfasste, Musikfilm mit Gangsterepos und Horrorfilm. Wenn nach etwa der Filmhälfte die Vampire vor dem Juke Joint auftauchen, hat das schon seine Ähnlichkeit mit dem „Titty Twister“ in „From Dusk til Dawn“.
Everyday i have the Blues
Genauso wie zuvor die Gangster im Capone-Stil mit ‚ner Wagenladung Schnaps auftauchen und die Musiklegende von Robert Johnson, der seine Seele an den Crossroads verkauft hat wieder nach Haus zu kommen scheint. Ein Schelm der bei all diesen filmischen Verweisen auch eine kulturelle Rückeroberung sieht. Und wirklich erstaunlich ist es immer wieder, wie absurd echt es wirkt, dass die beiden Jordan Zwillinge zusammen in einer Szene zu sehen sind.
„Blood & Sinners“ ist in vielerlei Hinsicht nahe am Klischee konstruiert und funktioniert eben darum so großartig und mitreißend, weil die Elemente neu aufgebaut und verfugt werden. Das ist schillernd und hypnotisch wie auch die großartige Musik in der überbordenden vibrierenden Leinwand-Party.
Da tanzt sogar die Kamera mit dem Score von Ludwig Göransson, wenn Bo Chen seine Tochter Lucy über die Straße schickt um seine Frau zu holen und die direkt mitkommt. Die Inszenierung ist ebenso detailfreudig wie stimmig und sorgt zumindest bei mir für ein ununterbrochenes Synapsenfeuerwerk. Dabei groovt „Blood & Sinners“ ziemlich hypnotisch und hält die Spannung über Filmlänge. Und sogar noch drüber hinaus. Es gäbe so viel zu sehen und zu erzählen, dass jede:r sich am besten selbst ein Bild macht. Nur auf die irrwitzige und visionäre Tanzsequenz, die auch eine musikalische Zeitreise ist, sei an dieser Stelle hingewiesen. Das allein wäre für mich grund genug ins Kino zu gehen.
„Blood & Sinners“ preist das Kino als Gemeinschaftserlebnis und feiert auf der Leinwand eine irrwitzige Party. Im Blutrauch durch das Genrekino und im Trance zur Rückeroberung schwarzer Identität. Das macht auch jenseits von kulturellen Identitäten irrwitzigen Spaß. Der Sound bleibt in Hüfte und Gehör kleben. Vielleicht kriegt man den Blues aus dem Delta, aber niemals das Delta aus dem Blues. Selten brachte ein Film das Blut so zum Kochen wie „Blood & Sinners“.
Blood & Sinners
OT: Sinners
Genre: Horror,
Länge: 134 Minuten, USA, 2025
Regie: Ryan Coogler
Schauspiel: Michael B. Jordan, Hailee Steinfeld, Jack O‘ Connell, Miles Caton
FSK: Ab 16 Jahren
Verleih: Warner
Kinostart: 17.04.2025