Der hierzulande als „Blutgericht in Texas“ 1978 veröffentlichte, aber stark gekürzte Horror-Film „The Texas Chain Saw Massacre“ kam 1974 in die amerikanischen Kinos. Bereits 2014 wurde der Film in 4K restauriert. Nun zum 50. Jubiläum bringt Dropout Cinema diesen einflussreichen und kontroversen Meilenstein des Horror-Films erneut auf die Leinwand. Eine Gelegenheit, die sich Genrefans kaum entgehen lassen können.
Die Warnung zu Beginn des Films erweckt den Eindruck, die folgenden Ereignisse wären tatsächlich passiert. Während im Radio von abscheulichen Grabschändungen in Texas berichtet wird, flackert das Licht über verwesende Leichenteile und Detailaufnahmen von Sonneneruptionen.

Eine Gruppe junger Leute ist mit dem Van unterwegs um nach dem Grab von Sallys (Marylin Burns) und Franklins (Paul A. Partain) Großvater zu sehen. Die Grabstätte scheint unangetastet und so nutzen die Freunde Jerry (Allen Danziger), Kirk (William Vail) und Pam (Terri McKinn) die Gelegenheit nochmal das inzwischen verlassene Haus der Großeltern zu besuchen.
Unterwegs nehmen die Freunde einen Anhalter mit, der ihnen von den stillgelegten Schlachthöfen in der Gegend erzählt und etwas psychotisch wirkt. Als der Anhalter Franklin in seinem Rollstuhl angreift, schmeißen die Freunde den Typen raus. Beim Halt an der nächsten Tankstelle gibt’s zwar kein Benzin, weil der Tankwagen erst nachmittags kommt, aber den gut gemeinten Rat das alte Anwesen lieber nicht zu besuchen.
Was sich am 18.August 1973 zugetragen hat
Dennoch macht der Trupp Halt und streunt durch das verlassenen Haus. Als Kirk und Pam baden gehen wollen, machen sie einen Abstecher zur Nachbarfarm um nach Treibstoff zu fragen. Völlig überraschend werden sie von einen mit Menschenhaut maskierten Typen (Gunnar Hansen) angegriffen, der hier lebt. Als der Abend dämmert, sind die Geschwister Sally und Franklin alleine beim Haus der Großeltern, haben aber keinen Schlüssel für das Auto. Also machen sie sich auf die Suche nach dem Rest der Truppe.

Als „The Texas Chain Saw Massacre“ 1974 in die amerikanischen Kinos kam, fanden die meisten Kritiker den Film vor allem geschmacklos. Das Publikum allerdings war fasziniert. Der Film wurde auch bei den Filmfestspielen in Cannes gezeigt, wo Regisseur Tobe Hooper als Faschist beschimpft wurde. Hierzulande kam das „Blutgericht in Texas“ erst 1978 in gekürzter Fassung in die Kinos.
Erstaunlicher Weise landete der Film erst später (1982) auf dem Index und wurde als Gewalt verherrlichend beschlagnahmt. Erst seit 2010 der damalige Vertrieb klagte, wurde „The Texas Chain Saw Massacre“ dann endgültig vom Index gestrichen und ohne Jugendfreigabe eingestuft.
Pinkelpause im Rollstuhl
Und das durchaus berechtigt. Anders etwa als bei „Evil Dead“ alias „Tanz der Teufel“ ist der Horror im „Blutgericht von Texas“ auch heute noch derbe mitanzusehen und keinesfalls in humorvoller Überspitzung ausgestellt. Allein das Setting im hitzegebeutelten Texas ist verstörend, die thematische Verknüpfung von Friedhöfen, Leichenschändung, Schlachthöfen und vermeintlich wahren Begebenheiten ist dermaßen bedrohlich geblieben, dass niemand im Publikum diesen Road Trip mitmachen wollte.

Freilich ist die Bildsprache zu Beginn der 1970er Jahre eine andere und das minimale Budget gibt dem Filmgeschehen schon auch einen wirren Touch zwischen Amateurdokumentation und gnadenlos ausgestelltem Sadismus. Wobei die blutrünstigen Einheimischen keineswegs arme Opfer des wirtschaftlichen Strukturwandels sind, sondern degenerierte Bedrohungen. Von Beginn an herrscht eine fast hysterische Hektik.
Die grobkörnige Bebilderung ländlicher Gegenden findet sich auch beim Folk-Horror in „The Wicker Man“, oder etwa in der Teufelsaustreibung „Der Exorzist“. Gleichermaßen hat die 1971 erschienene, verstörende Pseudo-Doku „Strafpark“ (OT Punishment Park“) von Peter Watson diesen Look mitgeprägt. Beim „Blutgericht“ verstärken gerade die begrenzten Produktionsmittel die Wirkung um ein Vielfaches.
Die Tankstelle im Nirgendwo
Die Gewaltdarstellungen in „The Texas Chain Saw Massacre“ sind immer noch verstörend und absurd brutal. Es gibt in Tobe Hoopers Film keinen Spannungsaufbau. Stattdessen eine abrupte und archaische Gewalt, die umso irritierender wirkt, weil sie so ansatzlos und so stumpf pragmatisch ist. Für Leatherface sind die Kids nur Schlachtvieh. Das ist nicht schillernd anzusehen, sondern nur derbe und befremdlich. Darin die „Kunstform“ Film nicht anzuerkennen, kann ich persönlich niemandem verdenken.
Die Bebilderung eines Alptraums hat ein Kritiker „The Texas Chain Saw Massacre“ genannt und liegt damit mittendrin in der lodernden Hitze von Texas, in der die Kadaver unerträglich stinken, die Geruchsbelästigung aber das geringste Problem ist. Sich in dieses Alptraum-Szenario zu begeben, sollte wohl überlegt sein. Denn es bliebt verstörend und immer noch kontrovers.
Für Genrefans, die in zwischen sicherlich deutlich derbere Kaliber gewohnt sind, ist die Wiederaufführung auf der Leinwand eine ziemlich einmalige Gelegenheit, diesen Klassiker selbst zu erleben. Wer sich im Horror-Genre umschaut, wird erkennen wie einflussreich und wegweisend „The Texas Chain Saw Massacre“ gewesen ist. Ein krasser Klassiker, der immer noch wütet.
Film-Wertung: (9 / 10)
The Texas Chain Saw Massacre
OT: The Texas Chain Saw Massaker, deutscher Verleihtitel „Blutgericht in Texas
Genre: Horror
Länge: 83 Minuten, USA, 1974
Regie: Tobe Hooper
Schauspiel: Paul A. Partain, Marylin Burns, Gunnar Hansen,
FSK: ab 18 Jahre, Keine Jugendfreigabe
Vertrieb: aktuelle Kino-Vorführung Dropout Cinema
Kinostart: ursprünglich 1978 (gekürzt)
Wiederaufführung: 10.10.2024
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