Es gibt sie noch, die treuen Leser:innen, die ihren Tag damit bereichern auf den Seiten zwischen Buchdeckeln zu schmökern. Zumindest hat Buchhändler Carl Kollhoff in dem launigen, kleinen Städtchen täglich immer noch einige Stammkunden zu beliefern. Und dann bekommt der „Buchspazierer“ sogar Begleitung. Zu sehen in der Bestseller-Verfilmung „Der Buchspazierer“ nach Carsten Henn mit Christoph Maria Herbst in der Titelrolle ab dem 10. Oktober 2024.
In einer beschaulichen Kleinstadt betreibt Carl Kollhoff (Christoph Maria Herbst) eine kleine aber feine Buchhandlung. Ausgesuchten Stammkunden lässt der Buchliebhaber einen speziellen Service angedeihen und liefert Buchbestellungen persönlich aus. So hat Kollhoff täglich seine Runde und bekommt seine Lesegemeinde zu Gesicht.
Eines Tages fällt dem Mädchen Schascha (Yuna Bennett) der Kauz mit dem Tornister auf dem Rücken auf und sie verfolgt ihn. Zunächst heimlich, dann gleichauf, was dem Buchhändler anfangs überhaupt nicht gefällt. Doch dann bemerkt er, dass sich auch Schascha für Bücher interessiert. Das Mädchen ist jüngst mit ihrem Vater nach dem frühen Tod der Mutter gerade erst in die neue Stadt gezogen und hat es nicht so mit Gleichaltrigen und Klassenkamerad:innen.
Carl und Schascha machen die tägliche Bücherrunde eine Zeit lang gemeinsam, bis es Widerstände gibt. Kollhoff hat seine Buchhandlung an eine große Kette verkauft und wird nun wegrationalisiert und Schaschas Vater (Ronald Zehrfeld) hat entschieden etwas dagegen, dass seine Tochter mit dem alten Knacker um die Häuser zieht.
Lesestoff im Tornister
Regisseur Ngo The Chau („Drift – Partners in Crime“), der bislang vor allem als ausgezeichneter Kameramann „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ und TV-Regisseur („Zwerg Nase“) in Erscheinung trat, verfilmt den Bestseller von Carsten Henn (erschienen im Piper Verlag) mit viel Wärme und einer gewissen Zeitlosigkeit. Bis auf die nervigen Klassenkameraden von Schascha, die in der Buchhandlung auf ihren Handys daddeln, kommt moderne Technik so gut wie gar nicht vor. Hinzu kommt die pittoreske Altstadt mit ihrem Fachwerk und den Schieferschindeln am Fuße der Burg.
Der Erzählton, der von der Off-Erzählerin angeschlagen wird, ist ebenfalls etwas märchenhaft und kommt vor allem launig rüber. Der eigenwillige Leseclub, den der Buchspazierer bedient, ist voller Menschen, die alle ihre Schwierigkeiten mit dem Leben haben. So hat Carl Kollhoff ihnen auch literarische Spitznamen gegeben. Und als Schascha den Buchspazierer begleitet, hält sie sich nicht an dessen Distanz- und Höflichkeitsregeln, sondern wirbelt den Alltag der Leser:innen ganz schön durcheinander.
Selbstredend hat die junge Protagonistin einen Ausnahmezustand zu bewältigen, in diesem Fall den Tod der Mutter. Das führt zu Schwierigkeiten mit dem ebenfalls trauernden Vater, der sich schwer tut, eine Verbindung zu seinem Kind aufzubauen. Leichter hat es da der großväterliche Fremde. Der allerdings selbst ein Geheimnis hütet. Und als die kleine, fast wieder heile, Welt zusammenbricht, ist der gesamte Lesezirkel gefragt, die Sache zu retten.
Kontrollbesuche mit Lektüre
„Der Buchspazierer“ ist gefälliges Kino für groß und klein und das Publikum kann sicher sein, dass die Probleme zwar schwerwiegend und zu Herzen gehend sind, aber eben auch lösbar und hoffnungsvoll. Daran ist wenig auszusetzen, außer, dass es in Aspekten absehbar sein mag und aus einem gewissen Wohlfühl-Momentum nicht hinauskommt.
Das ist freilich auch der Buchvorlage geschuldet. Denn Bücher über Menschen, die Bücher mögen – und dabei geht es (nicht nur hier) keineswegs um hohe Literatur als Kunst – sind immer auch ein bisschen oberlehrerhaft. Immer wird mit Zitaten herumgeworfen, die nun nicht so speziell sind, dass sie Expertenwissen darstellen, aber immerhin doch nur für etliche Leute, die das gelesen haben, einen Gag beinhalten.
Klassikerzitate & Co
Das hat etwas „Manufaktum“-Nostalgisches, etwas bildungsbürgerlich Betuliches, denn es konstatiert, dass Lesen an sich einen Wert darstellt, der irgendwie bedroht ist, aber nicht verloren gehen darf. Lesen an sich ist wie Schreiben eine kulturelle Kernkompetenz, aber lesen ist nicht gleich lesen und gedruckte Bücher an sich sind nicht unbedingt etwas Bewahrenswertes. Wenngleich die urbanen Fantasy-Gelüste junger Mädchen den stationären Buchhandel gerade mal wieder durch eine akute Krise zu retten scheinen.
Ich persönlich tue mich schwer mit Off-Erzählern, auch und gerade in Literaturverfilmungen. Häufig ist das ein redundantes Element, da die Bilder und die Handlung das schon verdeutlichten, was erzählt wird. Oder aber als Gegenfrage formuliert: Warum geben die Bilder das nicht her? Bleibt immer auch die Frage, ob der Erzählstimme zu trauen ist. Und schließlich lebt nahe am Klischee, wer des Buchspazierers Lieferservice abonniert hat. Alle diese Personen haben so ihre Päckchen zu tragen und ziehen sich zurück zwischen die Buchdeckel.
„Der Buchspazierer“ ist eine launige Bestsellerverfilmung mit gut aufgelegten Darsteller:innen, die jung und alt gleichermaßen zu unterhalten weiß. Mir persönlich ist das zu betulich ausgefallen, aber wenn junge Menschen auf die Goßeltern-Generation treffen hat das oft etwas Anrührendes. So auch hier.
Film-Wertung: (6 / 10)
Der Buchspazierer
OT: Der Buchspazierer
Genre: Komödie
Länge: 98 Minuten, D, 2024
Regie: Ngo The Chau
Vorlage: Gleichnamiger Roman von Carsten Henn
Darsteller:innen: Christoph Maria Herbst, Ronald Zehrfeld, Maren Kroymann, Yuna Bennett
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: Studiocanal
Kinostart: 10.10.2024