Unterwegs im #Partysommer24 mit „Tournée“ von 2010. Das Vorgeplänkel findet hinter den Kulissen statt: Eine Gruppe leichtbekleideter Damen bereitet sich auf die abendliche Show vor, vertrauliche Blicke durch den Spiegel und dann beginnt „Tournée“ mit dem fulminanten Aufschrei der 60s Garagenrocker The Sonics, wenn sie Richard Berrys „Have Love Will Travel“ durch den Verzerrer quälen; mehr als nur ein Motto für Mathieu Amalrics grandioses Drama.
Der abgehalfterte französische TV-Produzent Joachim Zand (Mathieu Amalric) hat in der Heimat seine Karriere vergeigt und seine Familie zerstört. In den USA hofft er auf einen Neustart und entdeckt dort eine Burlesque-Revue. Die Tänzerinnen mit so wunderbaren Künstlernamen wie Kitten on the Keys, Dirty Martini und Mimi Le Meaux haben sich zusammengefunden und mit einer eigenen Show das Konzept des Unterhaltungstheaters für Erwachsenen wiederzubeleben. Die Damen sind stolz darauf, dass sie selbstbestimmt ihr eigenes Ding durchziehen.
Joachim bringt die Truppe nach Frankreich und hofft damit auf ein fulminantes Comeback. Die Tour startet in der Provinz und führt die Tänzerinnen durch die Hafenstädte Frankreichs. Doch während alle von einem Auftritt in Paris träumen, muss Joachim erkennen, dass er hier keine Freunde mehr hat, keinen Gefallen mehr einfordern kann.
Last Exit Burlesque Show
Während die Stimmung in der Truppe sich zunehmend verschlechtert, muss sich Joachim auch noch mit seinen beiden Söhnen herumplagen, die ihm seine Ex-Frau ausgerechnet jetzt aufhalst. Die Dinge entwickeln sich nicht so, wie sich der Produzent erhofft hat.
„Tournée“ ist ein fulminantes Drama, das mit großartiger Kameraführung intensive Nähe schafft. Der häufige Blick durch die Spiegel ist dabei mehr als nur ein Stilmittel, sondern dramatischer Ausdruck einer Selbstfindung. Dabei spielt das Drama gekonnt und sehr geschickt mit dem Voyeurismus im verruchten Milieu der New Burlesque Shows, ohne vom eigentlichen Thema abzulenken. Amalric wählt das Milieu seines Dramas eher handfest als symbolisch, wobei die halbseidene Unterhaltungswelt exotischer Bühnenshows Joachim zwangsläufig seinen sozialen Abstieg vor Augen führt.
Dass Spiel mit dem Verruchten
Joachims fast manischer Ehrgeiz und sein besessener Versuch sein altes Leben zurück zu bekommen und es allen zu zeigen, steht in heftigen Kontrast zur der bodenständigen Leichtigkeit, mit der die Truppe der Tänzerinnen ihren Weg geht.
Der Schauspieler Mathieu Amalric ist hierzulande als Bond-Fiesling in „Ein Quantum Trost“ und vor allem durch die Rolle in „Schmetterling und Taucherglocke“ bekannt, sein Schaffen als Regisseur und Drehbuchautor außerhalb Frankreichs hingegen kaum bekannt. Neben einigen Dokumentarfilmen drehte Amalric schon zwei Spielfilme.“Tournée“ ist sein dritter und der Regisseur und Hauptdarsteller entwickelte auch das Script mit. Bei den Filmfestspielen in Cannes gab es dafür im vergangenen Jahr Auszeichnungen für die Regie und den Kritikerpreis, sowie eine Nominierung als bester Film.
„Tournée“ ist ein wunderbarer und intensiver Film, der nie voyeuristisch ist, sondern seine Figuren mit großer Nähe zeigt, ohne sie zu entblößen. Ehrlicher Weise steht nur der Produzent nackt vor dem Publikum, nicht aber die Tänzerinnen.
Film-Wertung: (8 / 10)
Tournée
OT: Tournée
Genre: Drama
Länge: 101 Minuten, F, 2010
Regie: Mathieu Amalric,
Darsteller:innen: Mathieu Amalric, Miranda Colclasure, Suzanne Ramsey,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Lighthouse
Kinostart: 08.09.2011
DVD- & BD_VÖ: 23.03.2012