Ansichten am Donnerstag #65:Märchenfabrik Hollywood

Neulich fand ich im Archiv eine Kolumne über die immer neue Wiederverwertung bekannter Geschichten im Filmbusiness. Hier der Text von 2013: Derzeit laufen in unseren Kinos drei Filme, die nicht nur die eine megaanimierte Kulisse und das fabulöse 3D-Erlebnis gemeinsam haben, sondern vor allem einen storytechnischen Ansatz, der mich verwirrt – so etwas wie die publikumswirksame „Optimierung“ von Märchenklassikern…

Die Rede ist von „Jack and the Giants“, in dem das Märchen von Hans und der Bohnenstange in eine ausufernde „Herr der Ringe2-mäßige Schlacht fantasiert wird, und von „Die fantastische Welt von Oz“, in dem sozusagen die Vorgeschichte des „Zauberers von Oz“ erzählt wird. Beides sind englische beziehungsweise amerikanische Klassiker, die jedes Kind kennt und die filmisch auch schon mal aufgegriffen wurden. Außerdem am Start: Das Weiterspinnen des Grimm‘schen Märchens von „Hänsel und Gretel“ die als „Hexenjäger“ ihr Erwachsenenleben fristen.

Der so gut funktionierende populäre Stoff soll jeweils noch einmal zeitgemäß aufbereitet werden. Was im Klartext bedeutet, dass die technischen Möglichkeiten der Animation und der CGI volle Kanne ausgeschöpft werden und bombastische Welten erzeugt werden, die den Zuschauer mit ihrer Fantastik beinahe erschlagen. Soweit so bekannt, wenn den großen Produktionsfirmen die originellen Ideen ausgehen.

Neu verquirlt und in Serie produziert

Neu ist, dass hier nicht auf die Originalgeschichte zugegriffen wird, also kein „Remake“ am Start ist, sondern die Originale nur noch als Ausgangspunkt dienen. Ein lustiges Bausatzsystem um eine bunte Geschichte im Mash-up-Verfahren zusammenzustecken; irgendwo zwischen Fischer-Technik und Lego Bausatz für Blockbuster. So als könne man damit etwas Neues erzählen und trotzdem den Wiedererkennungswert des Originals behalten; die Trademarks sozusagen. Bei modernen Film-Franchises ist das (leider) längst Gang und Gäbe („Transformers“, sämtliche Superhelden-Filme, etc), warum also nicht mal die Klassiker fleddern?

Wohl gemerkt es geht nicht um Neuinterpretationen, also die Verlagerung in ein anderes Umfeld, sondern darum die Geschichte einfach weitestgehend zu ignorieren und sich nur die Rosinen aus dem Kuchen zu picken. Es ist also nichtverwunderlich, das dann auch genau die spaßoptimierte, „neue“ Geschichte eben der Schwachpunkt dieser Filme ist, den man gerade noch so in Kauf nimmt, weil einen die Aktion und die Schauwerte so benebeln.
Es mag sich ja furzkonservativ anhören, bleibt aber trotzdem wahr: Ein guter Film ist vor allem eine gute Geschichte. Gibt es keine Seminare für Drehbuchautoren?

Viel Spaß im Kino.

(ursprünglich veröffentlicht bei cinetrend.de 14.03.2013)