Taking Woodstock: Wer sich erinnert, war nicht dabei!

Kein #Partysommer24 ohne Festival. „Taking Woodstock“ von 2009. Mit „Taking Woodstock“ wirft der Oscar-gekürte Regisseur Ang Lee einen Blick hinter die Kulissen der Mutter aller Rockfestivals. Dabei geht es für Lees Film-Verhältnisse ziemlich locker zu und die Story, die zum 40. Geburtstag des Festivals in die Kinos kam, bedient auch einen ganzen Klumpen Hippie-Klischees. Das macht viel gute Laune.

Elliot Teichberg (Demetri Martin), der sich später in Tiber umbenennt, arbeitet zwar in New York, doch immer wieder hilft er bei seinen Eltern aus, die ein heruntergekommenes Motel in der Kleinstadt Bethel betreiben. Elliots Eltern sind alles andere als umgänglich und seine Mutter (Imelda Staunton) scheut sich als Jüdin auch nicht dem Bank-Sachbearbeiter Antisemitismus zu unterstellen, wenn er den überfälligen Kredit nicht verlängern will.

Elliot versucht alles, um die Existenz seiner Eltern zu sichern, doch es ist vor allem der Zufall, der die Teichbergs zu reichen Leuten macht: Das in Woodstock geplante Musikfestival benötigt dringend einen neuen Veranstaltungsort, nachdem der dortige Gemeinderat Angst vor einer Hippie-Invasion hat.

Elliot nutzt die Gunst der Stunde und nutzt seine Genehmigung für ein Festival, um die Hippies in den Ort zu locken. Doch die vorgesehene Wiese entpuppt sich als Sumpf. Glücklicher Weise hat Nachbar Max Yasgur (Eugene Levy) nichts dagegen seine Weide zur Verfügung zu stellen, sofern die jungen Leute hinterher wieder aufräumen.

Wiese zu vermieten

Elliot ist glücklich. Nicht nur weil das elterliche Motel für den ganzen Sommer ausgebucht ist, sondern auch wegen des erwarteten kulturellen Inputs. Die Vorbereitungen nehmen ihren Lauf. Elliot kommt in Kontakt mit den Blumenkindern und findet durch die Gegenkultur den Mut, zu seiner Homosexualität zu stehen. Auch sein Vater (Henry Goodman) genießt, nach anfänglicher Skepsis, das rege Treiben der Jugend und blüht förmlich auf. Nur Eliots Mutter bleibt störrisch wie eh und je. Natürlich stößt das Musik-Festival nicht nur auf Gegenliebe, doch auch der Protest der Bürger von Bethel kann das Unternehmen nicht mehr aufhalten. Der Rest ist (Musik)-Geschichte.

Erinnerungen an ein Festival

Ang Lee (Tiger & Dragon“, Brokeback M ountain“, „Life of Pi“) erweist sich einmal mehr als extrem vielseitiger Regisseur, der auch diesen „Tribute to Woodstock“ souverän inszeniert. Ohne tatsächlich viel vom Festival-Geschehen oder etwa Konzerte zu zeigen, gelingt es dem Film, die Atmosphäre der Zeit lebendig einzufangen. Dabei steht vor allem die Story von Elliot im Vordergrund, doch durch schillernde Nebenfiguren werden immer wieder kleine Mikrokosmen aufgetan.

Jugendfreund Billy (Emile Hirsch) leidet an einer ausgeprägten Kriegsneurose, die er aus Vietnam mitgebracht hat. Vilma (Liev Schreiber) taucht in Frauenkleidern im Motel auf und übernimmt fortan den Sicherheitsdienst. Der Oberhippie Michael Lang (Jonathan Groff) ist vor allen cool und visionär und sorgt mit guten Vibes für das Gelingen des Festivals, während der Tross um ihn herum die eigentliche Arbeit macht.

Frühstück im Bett für 400 000

„Taking Woodstock“ ist vor allem ein Film, der gute Laune macht. Dass die Charaktere beizeiten hart an der Klischee-Grenze schrammen tut der Unterhaltung keinen Abbruch. Wer auf Hippie-Folklore steht, wird hier bestens bedient. Lee ging es vor allem darum, den Zeitgeist jener prägenden Tage einzufangen und so einer neuen Zuschauergeneration den Mythos Woodstock nahe zu bringen. Auch dem epochalen Konzert-Film „Woodstock“ (1970) zollt Lee mit Split-Screen-Sequenzen Tribut und bleibt dabei bewusst nah am Original.

Doch die heimlichen Stars von „Taking Woodstock“ sind Elliots Eltern, erstaunlich kauzige und eigenbrötlerische Menschen, die ihr schweres Schicksal in einen harten Alltag umgesetzt haben und bar jeder Lebensfreude scheinen. Umso erstaunlicher ihre Veränderung im Verlauf des Films zu sehen. Natürlich hat Ang Lees Film stärken, wenn es um das familiäre Drama geht, das ist sein Thema. Die dysfunktionale Familie begleitet ihn seit dem „Eissturm“ (1997). Doch auch die leichten, lebenslustigen Passagen gelingen dem versierten Regisseur spielend. Auch wenn in Ang Lees „Taking Woodstock“ die nächste Katastrophe nie weit weg scheint. Nicht umsonst endet der Film mit dem Ausblick auf das Altamont Festival.

„Taking Woodstock“ ist ein wunderbarer Trip zu einem legendären Mythos, der ansteckende gute Laune verbreitet und sich perfekt für einen unterhaltsamen Abend auf der Couch (oder im Kino) eignet. Ang Lee ist ein sehenswertes Zeitportrait gelungen.

Film-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Taking Woodstock
OT: Taking Woodstock
Genre: Drama, Komödie
Länge: 120 Minuten, USA, 2009
Regie: Ang Lee
Darsteller:innen: Demetri Martin, Liev Schreiber, Imelda Staunton,
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: Universal Pictures International
Kinostart: 03.09.2009
DVD- 6 BD-VÖ: 18.02.2010

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