Eine Leiche im Moor, eine Bombe aus dem zweiten Weltkrieg und eine Ermittlerin mit einem Trauma sind die Zutaten für eine filmische Expedition in die Provinz. „Echo“ ist das Spielfilmdebüt von Filmmacherin Mareike Wegener und feierte seine Weltpremiere bei der Berlinale im Frühjahr in der „Perspektive deutsches Kino“. Ab 24. November 2022 bringt Grandfilm „Echo“ in die Kinos.
Es wirkt beinahe wie ein modernes Ballett, das in der Landschaft aufgeführt wird, wenn die beiden Uniformierten sich mit gezogener Waffe von ihrem Fahrzeug entfernen. Doch dann explodiert eine Mine. Für die deutsche Kommissarin Saskia Harder (Valerie Tscheplanowa) ist die Auslandsmission als Ausbilderin in Afghanistan damit beendet.
Nach einer Untersuchung wird sie wieder diensttauglich befunden und in das provinzielle Örtchen Friedland versetzt. Auf dem Bahnsteig nutz eine ältere Dame die Notrufsäule um einen lange zurückliegenden Raub zu berichten. Der örtliche Beamte Tenhagen (Andreas Döhler) nimmt sich der Kommissarin und der Beraubten an.
Außerdem wurde im Moor eine Frauenleiche entdeckt. Nach einer Fahrt durchs Dunkel und einem Fußweg zum Fundort im Naturschutzgebiet geht es endlich an die Untersuchung der Leiche. Dabei wird Kommissarin Heller von einer traumatischen Erinnerung heimgesucht, die sich wie purpurner Nebel über alles legt.
Die Vermisstenfälle der letzten Jahrzehnte legen mehrere mögliche Opfer nahe, unter anderem die elfjährige Tochter des Gutsbesitzers Von Hüning. Doch ausgerechnet als die Polizei diesen befragen will, wird im Schlossgraben eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Die Bombe muss gesprengt werden, die Umgebung und Friedland evakuiert.
„Man kann den Leuten nur vor den Kopf gucken.“ (Tenhagen)
Während der Schlossherr noch versucht, seinen Besitz zu versichern, kommen die Ermittlungen fast zum Erliegen. Nicht alle Angehörigen der Vermissten sind froh, dass wieder an alten Wunden gerührt wird. Die Kommissarin hat freilich mit anderen Erinnerungen zu tun.
Auch wenn die Handlung daherkommt wie in einem Krimi, nimmt „Echo“ eine völlig andere Erzählhaltung ein. Bisweilen vermittelt die von modernen Bläsern getragene melancholisch beschwingte Musik eine ironische Distanz zum Leinwandgeschehen, die jegliche aufkommende Spannung im Keim erstickt.
Stattdessen ist der Titel hier Programm und „Echo“, benannt nach einer griechischen Nymphe, wie der sammelbegeisterte Gutsherr an einer Stelle ausführt, lässt auf unterschiedlichsten Ebenen Ereignisse widerspiegeln. Oder um den Sprengmeister zu zitieren: „Im Unterschied zur konkreten Kampfmittelgefahr ist die diffuse Kampfmittelgefahr im Luftbild nicht sichtbar. Also müssen wir erkennen, was nicht passiert ist.“
Daraus webt Filmmacherin Mareike Wegener, die auch als Produzentin tätig ist und 2012 den Dokumentarfilm „Mark Lombardi –Kunst und Konspiration“ vorlegte, ein vielschichtiges Nachdenken und Nachspielen von Momenten des Widerhalls. Das mag als meditativer Krimi nicht genügen, als filmisches Essay ist das durchaus filigran.
„Das Moor färbt alles rot.“ (Moormeisterin)
Dazu gehören auch die Off-Einsprechungen der Kommissarin, die erst ihren eigenen Krankenbericht, dann jenen der Leiche und später die Fallakten einiger Vermissungen vorträgt wie in einem Hörbuch, während gleichzeitig naturalistische Bildwelten wie in einer Diashow präsentiert werden.
Bisweilen stört eben jene inszenatorische Konsequenz, die dem Film weitgehend seine Qualität verleiht. Sei es das nicht mehr so oft gebräuchliche 4:3 Bildformat, das eine gewisse Enge vermittelt, oder die einzelnen Szenen, die oft genug als Tableaus mit fester Kameraperspektive angelegt sind. Darin bewegen sich nur die Figuren. Das aber wirkungsvoll wie bei der Anfahrt zur Wasserinstallation mit dem Kahn oder auf dem Weg entlang des Kanals, als der Spaziergänger von einem startenden Schwan überholt wird.
Freilich finden sich die Echos nicht nur in Handlung und Bildern, sondern auch in Namen. Denn dieses Friedland hat keine reale Entsprechung, da offensichtlich in NRW gelegen und kein Niedersächsisches nachkriegs-Grenzlager. Auch das Moor hebt die Erinnerungen auf und das Schloss selbst ist ein vollgestelltes Sammelsurium. Sogar der Film selbst als Kunstform hat das Potential des Echos, waren doch die Zünder der Bomben aus Zelluloid gefertigt.
Was Filmmacherin Mareike Wegener in ihrem Spielfilmdebüt „Echo“ in das Gewand eines Krimis erzählt, hat durchaus seinen faszinierenden sog und seine großen Momente. Es geht zwar wenig flott zu, aber aufm Land ticken die Uhren langsamer, ist das Leben gemächlicher, mit mehr Leerstellen – für eigene Gedanken.
Film-Wertung: (6 / 10)
Echo
OT: Echo
Genre: Drama, Krimi
Länge: 98 Minuten, D, 2022
Regie: Mareike Wegener
Darsteller:innen: Valerie Tscheplanowa, Andreas Döhler, Ursula Werner
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Grandfilm
Kinostart: 24.11.2022