Die Filmbiographie „Hannah Arendt“ (2012) der renommierten Regisseurin Margarethe von Trotta portraitiert eine unabhängige Frau und große Denkerin in einer extrem schwierigen Phase: Die deutsche Jüdin darf den Eichmann-Prozess beobachten und macht sich mit ihren Schriften darüber nicht nur Freunde. Aus dem Archiv die Rezension zum Kinostart 2013.
Als die deutsche Philosophin Hannah Arendt (Barbara Sukowa) in die USA emigriert, wo sie einige Jahre im Status der Staatenlosigkeit lebte, bevor sie 1951 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft bekam, flüchtete sie vor dem faschistischen Naziregime. Zu Beginn der 1960er ist sie bereits eine anerkannte Philosophin und lehrt und publiziert in New York.
Zu ihren Freunden gehört nicht nur ein großer Kreis an deutschen Immigranten wie ihr zweiter Mann Heinrich Blücher (Axel Milberg) und Hans Jonas (Ulrich Noethen). Mit Jonas teilt sie die gemeinsame Studienzeit bei Martin Heidegger. Als dann der Adolf Eichmann von den Israelis aufgespürt und vor Gericht gestellt wird, schickt die renommierte Zeitung „The New Yorker“ Hannah Arendt als Beobachterin zu dem Prozess nach Israel.
Studieren bei Martin Heidegger
Hannah Ahrend erlebt Eichmann, die vermeintliche Inkarnation des Bösen, als zutiefst mittelmäßigen, karriereorientierten Bürokraten ohne jeden moralischen Kompass. Aus dieser irritierenden Erkenntnis entwickelt sie die Theorie von der „Banalität des Bösen“, die für das Erblühen des deutschen Faschismus und der systematischen Vernichtung der Juden von immenser Wichtigkeit war. Doch ihre Sicht der Dinge stößt auch auf Ablehnung, vor allem in der weltweiten jüdischen Gemeinde, und bei ihren deutsch-jüdischen Freunden sogar auf vollständiges Unverständnis. Warum sieht sie in Eichmann die Bestie nicht?
Regisseurin Margarethe von Trotta („Rosa Luxenburg“, „Die verlorene Ehre der Katarina Blum“) hat in ihrem Werk schon einige historische Frauen portraitiert und arbeitet erneut mit Barbara Sukowa zusammen, die nach „Rosa Luxemburg“ und „Vision – Hildegard von Bingen“ erneut in die Rolle einer streitbaren und visionären Frau schlüpft. Es gelingt ihr auch Hannah Arendt fassbar zu machen und in einem sehenswerten Ensemble sowohl die Frau als auch die Philosophin darzustellen. Eine gewisse Härte und Unnahbarkeit kommt der großen Denkerin dabei nicht immer nur zu Gute.
Die Banalität des Bösen
„Hannah Arendt“ ist vor allem ein dialoggetriebenes Drama, in dem es weniger um spektakuläre Bilder geht als um die authentische Auseinandersetzung mit der Geisteshaltung, der Zeit und dem, was die Philosophin letztlich zu einer herausragenden Figur gemacht hat. Die Kulissen der Sechziger sind ebenso gelungen wie die eingefangene Atmosphäre in New York und in Israel.
Andererseits fehlt es der Filmbiographie ein wenig an dramaturgischen und szenischen Highlights, so dass der Film ein wenig episodenhaft im Raum zu hängen scheint. Die dramaturgische Beschränkung auf die bekannteste und hochgradig kontroverse Arbeit von Hannah Arendt verkürzt jedoch zugleich die Sinnzusammenhänge und das einflussreiche Werk der Denkerin auf einen sehr begrenzten Ausschnitt.
Die Filmbiographie „Hannah Arendt“ kommt dramaturgisch etwas betulich daher, kann von der Figurentiefe allerdings überzeugen. Was im TV eine sehr gute Figur machen würde, erweist sich auf der großen Leinwand aber gelegentlich als etwas unspektakulär.
Film-Wertung: (6 / 10)
Hannah Arendt
OT: Hannah Arendt
Genre: Bio-Pic, Drama, Geschichte
Länge: 108 Minuten, D, 2012
Regie: Margarethe von Trotta
Darsteller:innen: Barbara Sukowa, Ulrich Noethen, Axel Milberg
Vertrieb: NFP, Eurovideo
Kinostart: 10.01.2013
DVD-VÖ: 10.10.2013