Der Musiker Chuck Berry verstarb 2017 im Alter von 90 Jahren. Damit verließ einer der einflussreichsten Wegbereiter moderner Musik die Bühne. Für viele war Chuck Berry der König des Rock’n’Roll; auch für Jerry Lee Lewis, mit dem er den Titel ausgeboxt hat. Nicht nur für Eric Claptons prägte Berrys Gitarrenspiel den Sound wie Rock zu klingen habe. Zum 60. Geburtstag der Musiklegende filmte Regisseur Taylor Hackford ein Konzert. Der Film kam 1987 in die Kinos und wurde 2007 mit viel Bonusmaterial auf DVD neu aufgelegt. Nun hat Studio Hamburg Enterprises den Klassiker des Musikfilms auf Blu-ray für das Home-Entertainment wieder aufgelegt. Ein Wiedersehen.
Da steht der schlacksige Afroamerikaner mit dem markanten Clark-Gable-Schnurrbart und schaut sich verdutzt die Location an, in derer seine ersten Erfolge auf der Bühne feierte. Regisseur Taylor Hackford hat Chuck Berry zum Cosmopolitan Club im östlichen Teil von St. Louis bestellt, weil hier auch ein Auftritt gefilmt werden sollte.
Doch das Etablissement aus dem Berrys Hit „Maybeline“ ausflog, der zu jener Zeit noch „Ida Red“ hieß, ist dermaßen heruntergekommen, dass Chuck Berry sich erinnert, zu Beginn seiner Musikerkarriere auch immer noch einen regulärer Job zu haben, um die Familie zu ernähren. Berry war als Friseur tätig und auch als Anstreicher. So erzählt er, dass er die Decke des Cosmos streichen sollte und stattdessen Berggipfel auf die Wände malte und wieviel Geld er damit verdiente.
Überhaupt ist Chuck Berry kurz vor seinem 60. Geburtstag ein Mensch, der keineswegs wie ein Rock-Star rüberkommt, sondern genau kalkuliert und abwägt, ob sich eine Sache auch finanziell rentiert. Lange Jahre ist Chuck Berry immer ohne eigene Band aufgetreten. Bisweilen zum Leidwesen seiner Fans, denn der Sound und hauseigene Begleitgruppe waren den Eintritt nicht immer wert.
So weiß Bruce Springsteen zu berichten, wie es zuging, als seine junge Band im Vorprogramm von Chuck Berry spielte und sich dann anbot, den Helden des Rock’n’Roll zu begleiten: Der erschien nur mit Gitarrenkoffer in allerletzter Minute, holte sich zuerst seine Gage ab und ging dann direkt ohne Soundcheck auf die Bühne zum Auftritt. Verabschiedete sich hinterher kurz angebunden und war wieder verschwunden.
Zum 60. Geburtstag hat sich der Rolling Stones Gitarrist Keith Richard in den Kopf gesetzt, dass Chuck Berry endlich einmal von einer guten Band begleitet werden soll. Dafür hat er für die beiden Jubiläumskonzerte im Fox Theater Musiker zusammengestellt und namhafte Gastkünstler eingeladen. Darunter Etta James, Julian Lennon, Robert Cray und Eric Clapton. Die Proben im Club von Berrys eigenem Park gehen allerdings nicht reibungslos vonstatten.
Der Meister entpuppt sich bisweilen als uneinsichtige Diva mit Hang zum Anarchischen. So gibt Keith Richard offen zu, dass es schwer sei, die Orga und die Arrangements durchzuziehen, nur damit das Geburtstagskind sich auf der Bühne dann doch an keine Absprache hält und macht, was er will. Dem Konzert merkt man das nur gelegentlich an und die gefilmten Auftritte sind vor allem eine sehenswerte Feier von Chuck Berry und seinem Rock’n’Rolls.
Das Bonusmaterial sei an dieser Stelle noch ausdrücklich erwähnt. Es besteht aus zwei etwa einstündigen Teilen, die von Regisseur Taylor Hackford kommentiert und begleitet werden. Erstmals wurde das Material der DVD-Veröffentlichung nach der Jahrtausendwende beigefügt, gerade weil es nach Meinung des Filmmachers so sehenswert und aussagekräftig ist. Die „Concert Rehearsals“ sind zum Teil mit Split Screen dargestellt und zeigen die Musiker beim Erarbeiten des Materials, die Kameraleute bei der Arbeit und die Magie in ihrer Entstehung. Das ist nicht nur für Musiker hochinteressant und ein starkes Beispiel was dokumentarisches „Direct Cinema“ leisten kann.
Das inoffizielle Making Of zu „Hail! Hail! Rock’n‘Roll“ hat Hackford „The Reluctant Movie Star“ (deutsch: „der widerwillige Filmstar“) genannt. Hier zeigt sich, wie sehr Chuck Berry gelegentlich Probleme damit hat, gefilmt zu werden, wie er unbewusst oder auch infantil bockig die Bemühungen der Filmcrew boykottiert und keineswegs immer nur der professionelle und fokussierte Musiker und Star ist. Eine andere Seite von Chuck Berry -ein interessantes vielschichtiges, musikalische Porträt.
Auch und gerade mit dem beigefügten umfangreichen Bonusmaterial zeichnet „Hail! Hail! Rock’n’Roll“ ein sehenswertes Protrait der Musikerlegende, die ganze Generationen von den Sitzen gerissen und auf den Tanzboden gebracht hat. Das wäre ganz im Sinne Chuck Berrys gewesen, der sich erhoffte, dass man sich auf ehrliche, wahrhaftige Weise an ihn erinnert. In der zweiten Filmhälfte wird die Abfolge von Song und Interview zwar etwas schematisch, aber das tut der Qualität des Dargebotenen keinen Abbruch.
Film-Wertung: (8 / 10)
Chuck Berry – Hail! Hail! Rock’n’Roll
OT: Chuck Berry – Hail! Hail! Rock’n’Roll,
Länge: 120 Minuten, (+ 119 Minuten Bonus), USA, 1987,
Regie: Taylor Hackford
Mitwirkende: Chuck Berry, Eric Clapton, Etta James, Robert Cray, Keith Richards
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Studio Hamburg Enterprises
BD-VÖ: 18.06.2021