Die Abenteuer der Amazone Diana machen als „Wonder Woman“ gerade die globalen Kinoleinwände unsicher und erzählen die Herkunftsgeschichte der Superheldin. Aber auch im angestammten Medium der Heldin, im Comic, hat es bei DC einen Relaunch unter dem Motto „Rebirth“ gegeben. Autor Greg Rucka erzählt auch in der neuen „Wonder Woman“ Comic-Serie die Anfänge der Heldengeschichte noch einmal. Mitte Mai ist diese Origin Story bei Panini als Sammelband „Wonder Woman: Das erste Jahr“ herausgekommen, nicht nur für neue Fans eine Gelegenheit, etwas über die Vergangenheit der Amazone zu lesen.
Auf Themyscira, der Paradiesinsel der Amazonen, lebt die junge Prinzessin Diana ebenso abenteuerliches wie erfüllte Leben. Ihre Sehnsucht nach dem was jenseits der Gestade der Insel liegt, können aber auch die Geschichten, Legenden und Unterweisungen nicht stillen. Jene verzehrende Sehnsucht nach dem Unbekannten ist den Amazonen, die von den Göttern auf diese Insel geschickt wurden, allerdings fremd.
Dann entdeckt Diana auf der Insel, die sie wie ihre Westentasche zu kennen glaubt, einen abgestorbenen Baum. Dort hat sich eine Schlange versteht, deren Biss Diana krank macht. Aber die Prinzessin erholt sich. Doch als wäre das ein Zeichen gewesen, muss ein Flugzeug auf der Paradiesinsel, die ansonsten vor den Menschen verborgen ist, notlanden. Der einzige Überlebende ist der Soldat Steve Trevor, der mit seinen Kameraden auf einer wichtigen Mission war.
Die Amazonen beschließen, in einem Wettkampf eine der ihren auszuwählen, um den Soldaten nach Hause zu begleiten. So fällt die Wahl auf Diana. In Steves Welt steht es nicht gerade gut: Eine terroristische Organisation namens Sear führt überall in den USA Anschläge durch und die verantwortlichen Militärs haben keine Ahnung von den Absichten oder den Hintermännern der Sear-Organisation.
Doch Diana hat zunächst andere Probleme, denn man versteht sie ebenso wenig wie sie die Menschen. Zudem ist das Militär trotz Trevors Beteuerungen nicht davon überzeugt, dass Diana als Freundin und Hilfe gekommen ist. Erst die Archäologin Barbara Ann Minerva, die seit Jahren über die sagenumwobenen Amazonen forscht und als Sprachexpertin hinzugezogen wird, kann Dianas Sprache übersetzen und Verständigung möglich machen. Doch dann schlägt die Sear-Gruppe erneut zu.
Im Genre der Superhelden-Comics ist es üblich, gelegentlich die Herkunftsgeschichten neu zu inszenieren. Das dient zu allererst natürlich dazu, neue Leser zu gewinnen, die mit dem Charakteren, die zum Teil wie „Wonder Woman“ schon seit 1942 ihre Heldentaten vollbringen, noch nicht so vertraut sind. Dabei ist es aber auch immer eine willkommene Neuinterpretation und auch eine Aktualisierung der so genannten Origin Stories. Beim DC Comic Verlag hat es sich eingebürgert diese Stories „Das erste Jahr“ zu betiteln, seit Frank Miller 1987 die legendäre Batman Neuauslegung “Year One“ geschrieben hat.
Autor Greg Rucka („Gotham Central“) war schon einmal über lange Strecken Autor von Wonder Woman. Zum Start der neuen Wonder Woman Serie im DC Relaunch-Kosmos bindet er den Storybogen „Das erste Jahr“, der über sieben US-Hefte läuft allerdings in den normalen Serienablauf ein. In den ersten Ausgaben werden die Stories „Das erste Jahr“ und „Die Lügen“ jeweils abwechselnd parallel erzählt. Und während „Die Lügen“ bei Panini als erster Band der neuen „Wonder Woman“ Serie aufgelegt wurde, erschient „Das erste Jahr“ quasi außer der Reihe und ist auch in sich abgeschlossen und für sich alleine lesbar. Wenn man allerdings den Serienkontext betrachtet, in dem Diana ihr gesamtes bisheriges Leben anzweifelt, bekommt „Das erste Jahr“ einen wesentlich spannenderen Zusammenhang. Es bleibt interessant zu sehen, was Greg Rucka daraus machen wird.
Aber zurück zu „Wonder Woman: Das erste Jahr“: Die Herkunftsgeschichte der von dem Psychologen William Moulton Marston erschaffenen Heldin wird von Rucka nicht mit Göttersagen oder ähnlichem unterfüttert. Stattdessen konzentriert sich der Autor darauf, die Annäherung der Amazonenprinzessin an die Menschenwelt zu erzählen. Das geschieht in der Gegenwart und ist mit der Bedrohung durch Terroristen ziemlich aktuell thematisiert. Wesentliche neue Aspekte gibt es hier allerdings nicht. Die Story unterscheidet sich allerdings – bis auf den groben Rahmen- auch von der eher konservativen Leinwandversion, die in Patty Jenkins Blockbuster „Wonder Woman“ zu sehen ist.
Das Artwork in „Das erste Jahr“ stammt von der Zeichnerin Nicola Scott, deren Figuren ziemlich menschlich rüberkommen und die nicht eben durch einen muskelbepackten Superhelden-Stil auffällt. Auch kommt Nicola Scott ohne Actionschattierung und knallige Geräusche aus. Das Paneling und damit auch der Erzählfluss sind sehr souverän und unaufgeregt pragmatisch. Auch die Farbgestaltung von Romulo Fajardo Jr. ist dezent aber stimmungsvoll.
Die eingeschobene Episode über die Kindheit der Forscherin Barbara Ann Minerva wird von Zeichnerin Bilquis Every umgesetzt und hebt sich stilistisch vom Rest ab und erinnert in Stil und Stimmung eher an einen „Indiana Jones“- Film. Insgesamt ist das Artwork ziemlich gelungen, allerdings deutlich weniger episch und aufsehenerregend als das von Liam Sharp in „Die Lügen“.
Mit „Wonder Woman: Das erste Jahr“ liefert Autor Greg Rucka eine modernisierte, aber auch recht typische Superhelden-Herkunftsstory, die nicht am Mythos kratzt. Das ist unterhaltsam, kurzweilig und als Neueinstieg geeignet, aber auch kein Highlight der Comicgeschichte.
Comic-Wertung: (6,5 / 10)
Wonder Woman: Das erste Jahr
OT: Wonder Woman 2,4, 6, 8, 10, 12, 14, DC comics
Genre: Comic, Superhelden,
Autor: Greg Rucka
Zeichner: Nicola Scott, Bilquis Evely
Farben: Romulo Fajardo Jr.
Übersetzung: Ralph Kruhm
Verlag: Panini Comics, Softcover, 164 Seiten
VÖ: 16.05.2017