Mit der französischen Graphic Novel „Das versteckte Kind“ von Autor und Szenarist Loïc Dauvillier erscheint hierzulande eine vielfach preisgekrönte Geschichte über den Holocaust. Das Besondere daran ist, dass sich „Das versteckte Kind“ vornehmlich an eine sehr junge Leserschaft wendet. Im Vorwort traut Stephan J. Kramer, der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, der einfühlsamen Bildgeschichte eine Brückenfunktion zur heutigen Jugend zu.
Die kleine Elsa kann abends nicht schlafen und überrascht ihre Großmutter, als diese gerade traurig alte Fotos betrachtet. Also beginnt die Großmutter aus ihrer Kindheit in Paris zu erzählen: Dounia ist ein fröhliches Kind, das gerne zur Schule geht, doch von einem Tag auf den anderen wird sie von ihren Klassenkameraden gemieden und von den Lehrern nicht mehr beachtet. Es hat wohl mit dem gelben Sheriffstern zu tun, den nun einige Menschen tragen.
Schnell merkt Dounia allerdings, dass der Vater gelogen hat und der Davidstern Juden kennzeichnet. Eines Tages werden dann auch Dounias Eltern von Soldaten abgeholt. Das kleine Mädchen bleibt, versteckt im Schrank, zurück. Mit Hilfe ihrer Nachbarin flieht Dounia aufs Land und kann sich dort verstecken, bis die Gefahr vorbei ist. Auch ihre Mutter überlebt und kehrt völlig ausgezehrt aus dem Lager zurück.
Es ist nicht einfach, den Holocaust in angemessener Form zu beschreiben, schon gar nicht für eine junge Leserschaft und so weiß Autor Dauvillier die Vergangenheit von Dounia geschickt in eine Art Gutenachtgeschichte zu verpacken, bei der die Großmutter ihre Erlebnisse kindgerecht erzählt. Der fürchterliche und unmenschliche Schrecken bleibt ebenso ausgespart wie der Krieg und die deutsche Besatzung Frankreichs – gleichwohl sind beide angedeutet und ältere Leser finden schnell eine historische Orientierung in der Geschichte „Das versteckte Kind“.
Auch visuell ist „das versteckte Kind“ auf eine junge Leserschaft zugeschnitten und die scheinbar grobstrichigen, großkopfigen Figuren und lebendig kolorierten Zeichnungen wissen den Schrecken zwar anzudeuten, müssen aber niemals tatsächlich etwas in Szene setzen, um eine atmosphärische und authentische Geschichte zu erzählen. Stattdessen bleibt die Erzählung in der Perspektive des Kindes und verbildlicht dessen Wahrnehmung.
„Das versteckte Kind“ erschien in Frankreich 2012 und wurde mit etlichen Preisen ausgezeichnet. Das Duo Dauvillier und Lizano arbeitete schon 2004 zusammen („La petit famille“) und erneut 2010 („Hugo et Caguule“) und realisiert vornehmlich Geschichten für jüngere Leser. In diesem Fall sehr gelungen und mit einer guten didaktischen Führung. Während die letzten Augenzeugen und Betroffenen des Holocaust beinahe gänzlich verstorben sind, verändert sich auch die Erinnerung an die Shoa. Insofern ist es wichtig, dass auch nachfolgende Generationen aktiv und bewusst eine Verbindung zu dieser grauenhaften Unmenschlichkeit herstellen, die niemals in Vergessenheit geraten sollte.
Fazit: Die Bildgeschichte „Das versteckte Kind“ von Loïc Dauvillier und Marc Lizano erzählt mit sensiblem Ton ein ernstes und schwer fassbares Thema. Die aus kindlicher Sicht erzählte Geschichte von Flucht und Schrecken weiß zu überzeugen und ist auch für ältere Leser eine Bereicherung und eine wichtige Erzählung.
Comic-Wertung: (8 / 10)
Das versteckte Kind
OT: L’enfant caché, 2012
Genre: Graphic Novel, Jugendbuch,
Autor: Loïc Dauvillier
Zeichner: Marc Lizano
Farben: Greg Salsedo
Übersetzung: Monia Reichert
Verlag: Panini Comics, Hardcover, 84 Seiten
VÖ: 18.03.2014
Das versteckte Kind bei Panini
Online Leseprobe bei Mcomics.de
Loïc Dauvillier Homepage
Marc Lizano Homepage
Ebenfalls von Davillier und Lizano: Die kleine Familie