In der Zeitung las ich, die deutschen Kinos hatten 2010 einen Zuschauereinbruch und Umsatzeinbußen zu erleiden. Der Störfaktor Fußball-WM war dafür verantwortlich, aber es gab auch andere Gründe: Der „deutsche Film“ war nicht so zugkräftig und einige Blockbuster seien hinter den (Umsatz-)Erwartungen zurückgeblieben. Aber am Horizont ist Hoffnung: 2011 wird 1 Milliarde eingespielt.
Jammert der Verband deutscher Kinobetreiber gerade? Nach dem Boomjahr 2009 ging die Besucherzahl um 17% zurück, die Umsätze nicht ganz so stark. Das liegt daran, dass für die 3D-Filme ein höherer Obulus fällig wird. So gesehen ist es schon ein Grund zum Naserümpfen, wenn ausgerechnet „Harry Potter“ nur in schnödem 2D auf der Leinwand zaubert.
Überhaupt ist die Branchenschau der Kinobetreiber ziemlich Blockbuster-lastig und da hatte der deutsche Film 2010 nun wirklich nicht so Herausragendes wie „Wickie“ oder „Keinohrhasen“ am Start, kein Wunder also, dass die Zuschauer da lieber zu Hause bleiben.
Das Theater lebt
Aber tun sie das? Und wenn ja, was tun sie da? Die Fortsetzung meiner Zeitungslektüre beantwortet mir beide Fragen: Das Schauspielhaus Hamburg erspielt, trotz drohender Finanzkrise, Zuschauerrekorde. So voll war es seit Anfang der 90er nicht mehr. Wenn ich dann noch bemerke, dass Konzerte momentan einen regen Zuschauerandrang haben, schließe ich messerscharf, dass da einige ihr Taschengeld einfach umverteilen. Live-Action statt Leinwand-Spektakel.
Die Pflicht ruft
Live-Action ist übrigens ein gutes Stichwort, das umsatzstärkste Kulturgut des Jahres zu loben: Das Computerspiel „Call of Duty – Black Ops“ haut dem Fass den Deckel weg und spielt innerhalb von fünf Tagen mehr als 650 Millionen Dollar ein. Auch hier fließt das Geld von der Leinwand weg. Sobald die ersten 3D-Games rauskommen, guckt sich kein Mensch mehr Spieleverfilmungen wie „Prince of Persia“ im Kino an.
Die Kinobranche zieht gefährlich kurzsichtige Schlüsse und glotzt durch die rosarote 3D-Brille, wenn der neue Bully-Film es wieder richten muss, wenn es nur an der neuen räumlichen Sicht liegt. „Avatar“ hat die Messlatte extrem hoch gelegt, Cameron hat nicht umsonst jahrelang daran gewerkelt, und bis jetzt hat jeder nachfolgende 3D-Versuch gerissen. Warum soll sich das im kommenden Jahr ändern.
Inhaltslose Effekthascherei
Außerdem füllt die zusätzliche Dimension keine Inhaltsleere wieder auf. Wer nur auf computergenerierte Effekte setzt, hält niemals mit den Adrenalinausstoß eines Ego-Shooters mit. Die Kinokrise, sofern man bei einem angepeilten Umsatz von 1 Milliarde Euro von Krise sprechen kann, ist wohl eher eine inhaltliche. Das Wachstumskonzept geht auch in der Wirtschaft nicht immer auf.
Ich wage die Behauptung, dass der Umsatz der Programmkinos in diesem Jahr relativ konstant geblieben ist und weder unter Fußball-WM noch unter „Call of Duty“ gelitten hat. Vielleicht geht die Ära der Popcorn-Events einfach langsam zuende.
Dinosaurier waren auch plötzlich ausgestorben.