Der neue Roman von Nadja Bucher „Die wilde Gärtnerin“ ist auch schon einige Wochen auf dem Markt und längst gelesen. Die junge Österreicherin gilt als aufstrebendes literarisches Talent und legt mit der „Gärtnerin“ eine höchst unterhaltsame Familienchronik vor. Wobei Helen Cerny, die Hauptfigur, vor allem damit beschäftigt ist, ihren Hinterhofgarten zu bewirtschaften.
Schon nett, wenn man sich nicht um den Lebensunterhalt sorgen muss. Helen Cerny ist Mitte Dreißig und das Mehrparteienhaus in Wien, in dem sie auch wohnt, hat sie geerbt. Die gute Frau vereinsamt so langsam und da kann auch ihre beste (und einzige) Freundin Toni nicht viel ausrichten, deren quirliger Lebensmut scheint sich nicht auf Helen zu übertragen. Die ist damit beschäftigt, ihre Verdauung zu beobachten und ihren Kot der Komposttoilette im Garten zuzuführen. Das ist die philosophische Grundlage ihres Daseins. Dann zieht gegenüber eine Neue ein, die auf Helen interessant wirkt, und gleichzeitig gibt es anarchische Aktionen gegen Wirtschaftsbosse und Bankenchefs. Helene vermutet da einen Zusammenhang.
Erzählt wird „Die wilde Gärtnerin“ in mehreren Ebenen: Zum einen ist da Helens Tagebuch, in dem es um Verdauung und Gärtnerei geht, dann ist da Helens Familiengeschichte, die ausschließlich aus weiblicher Perspektive erzählt wird und 1915 mit dem Besuch des Kaisers beginnt. Außerdem gibt es ein immer wieder eingeschobenes Verhörprotokoll von Toni und ein die Tagebucheinträge begleitendes Nachrichtenband. Das alles fügt die Autorin mit viel Geschick und einigem Humor zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen. Das jetzt als Frauenroman zu bezeichnen, wäre zu kurz gegriffen, aber in Nadja Buchers Roman schwingt schon jede Menge Feminismus mit.
Der Einstieg in die Geschichte ist höchst witzig, doch es dauert ein bisschen, bis der Lesefluss einsetzt. Die in jeweils unterschiedlichen Schrifttypen gesetzten Erzählebenen lenken auch ab und sind auf den Seiten ein Unruhefaktor, der zwar gewollt ist, aber ähnlich wie auch bei Tobias Meißners „Starfish Rules“ nicht jedermanns Sache ist. Doch all das weiß die Autorin geschickt und im Sinne einer vielschichtigen Erzählung zu nutzen.
Vor allem ist Nadja Bucher eine versierte, Poetry Slam gestählte Stilistin, deren Stil sich durchaus in die unterschiedlichen Perspektiven einfinden kann. Seine Stärken hat der Roman „Die wilde Gärtnerin“ überraschender Weise nicht in der Erzählebene des aktuellen, sondern in den Episoden der Familienchronik. Vor allem die kindlichen Perspektiven sind hinreißend und absolut lebendig ausgefallen.
Fazit: Wer sich von experimenteller Typologie und unorthodoxen weiblichen Humor nicht abschrecken lässt, kann mit „Die Wilde Gärtnerin“ eine feine Überraschung erleben.
Buch-Wertung: (7 / 10)
Nadja Bucher: Die wilde Gärtnerin
Verlag: Milena Verlag, Wien, Taschenbuch, 350 Seiten,
VÖ: 24.09.2013