
Anlässlich des Kinostarts von „Springsteen: Deliver Me Fom Nowere“ ein weiterer Scott Cooper Film aus dem Archiv. „Black Mass“ von 2015. Mit dem Namen Charles Gasco wird der „Black Mass“-Zuschauer auch nach dem Film kaum etwas anfangen können. In gewisser Weise ist das symptomatisch dafür, dass Scott Coopers starbesetztes Thriller-Drama über den Bostoner Gangster James „Whitey“ Bulger zwar ein sehenswerter, aber kein herausragender Film geworden ist.
Es beginnt mit einem Verhör. Der Kleinkriminelle Kevin Weeks (Jesse Plemmons) wird über James „Whitey“ Bulger und dessen kriminelle Machenschaften befragt. Die Handlung setzt 1975 ein, zu diesem Zeitpunkt ist James Bulger (Johnny Depp), bereits Mitte Vierzig. Er hat einen längeren Aufenthalt im Gefängnis Alcatraz hinter sich. Inzwischen hat er es im irisch geprägten Süden von Boston zum Anführer der Winter Hill Gang gebracht.
Bulger ist der ältere Bruder des Senators Bill Bulger (Benedict Cumberbatch). Der Gauner hat ein Auge auf sein Viertel. Im Norden der Stadt treibt die Mafia ihre kriminellen Geschäfte und mit John Conolly (Joel Egerton) tritt ein neuer, ehrgeiziger eingesetzter FBI-Agent auf dem Plan, um der Mafia in Boston das Handwerk zu legen.
Conolly stammt wie die Bulger-Brüder ebenfalls aus Süd-Boston und nun knüpft er an Kindheitstage an, um Whitey als FBI-Informanten zu gewinnen. Doch er will ihn gleichzeitig aus alter Verbundenheit auch aus der Schusslinie der Ermittlungen zu nehmen. Bulger sind Verräter extrem verhasst. Dennoch lässt er sich auf den Pakt mit den Gesetzeshütern ein, und weiß diesen aber relativ ruchlos für sich zu nutzen. Immerhin bekommt er so die Chance, die verhassten Italiener aus dem kriminellen Geschäft zu drängen und seine eigenen illegalen Geschäfte auszubauen.
Des Senators böser Bruder
Das Thriller-Drama „Black Mass“ basiert auf den gleichnamigen Buch von Dick Lehr und Gerald O’Neill. Eine von etlichen Veröffentlichungen um „Whitey“ Bulger. Hier machen die Verfasser schon im Titel den sinnbildlichen Pakt mit dem Teufel deutlich. Die Geschichte ist mit ihren ermittlungstechnischen Fakten und korrupten Verstrickungen weitgehend bekannt. In der Verfilmung „Black Mass“ geht es vor allem darum, wie diese klassische Crime Story in Szene gesetzt ist.
Das Script von Mallouk ( “Everest”, „Rush – Alles für den Sieg”) und Jez Butterworth („Fair Game“, „Get on Up“) beschränkt sich darauf prägende Momente der Verbrechenskarriere von James Bulger zu schildern. Dazu gehören auch der überraschende und frühe Tod seines unehelichen Sohnes. Sowie der Tod seiner geliebten Mutter. Auch die strategischen Ausweitungen des Verbrechensimperiums auf Wettgeschäfte in Florida markiert einen Eckpunkt.
Ein eifriger Bundesagent aus der Nachbarschaft
Letztlich kommt die beinahe systematische Zerschlagung der italienischen Mafia durch die Instrumentalisierung des FBI zur Geltung. Das ist stimmig und atmosphärisch mit Zeit-und Lokalkolorit inszeniert. Es bekommt aber nie die psychologische Tiefe, die Scott Coopers vorangegangene Filme „Crazy Heart“ und „Auge um Auge“ ausgezeichnet hat.
Das namhafte Ensemble um Hollywood-Star Johnny Depp spielt sehenswert auf. Joel Egerton weiß als ehrgeiziger Bundesagent mit Loyalitätsproblem zu überzeugen und ist in gewisser Weise die zentrale Figur dieses Thriller-Dramas. Johnny Depp füllt seinen notorischen Kriminellen mit viel Undurchsichtigkeit wie auch schon seinen John Dillinger in Michael Manns „Public Enemies“. Allerdings ist seine Rolle mit zwei Handicaps belegt, für die der Darsteller freilich nicht verantwortlich ist.
„Whitey“ auf dem fiesen Dauertrip
Zum einen hat Martin Scorsese in seinem Thriller „The Departed“ ebenfalls das irische organisierte Verbrechen in Boston als Szenario gewählt. Jack Nicholsons Rolle ist explizit an „Whitey“ Bulger angelehnt. Zum anderen ist Kevin Bacon – wie übrigens auch Peter Sarsgaard – in „Black Mass“ in einer Nebenrolle zu sehen. Und kurz drängt sich der Impuls auf, dass er für die Bulger-Rolle ebenfalls eine großartige, allerdings nicht so kassenwirksame Besetzung gewesen wäre.

Das Publikum kann durchaus Schlüsse auf die Motivationen der einzelnen Charaktere ziehen. Das Drehbuch legt allerdings etwas zu wenig Gewicht auf den Blick hinter die Fassade der Fakten um wirklich mitreißend zu sein. Eventuelle Indizien erschließen sich aus Nebensätzen. Wie die lapidare Feststellung, dass sich James Bulger als Häftling in den 1960ern freiwillig als Testperson für LSD-Experimente zur Verfügung gestellt hat.
Auch Bulgers spätes Schnippchen jahrelang der meistgesuchte Mann auf den Fahndungslisten des FBI zu sein, wird nur kurz im Abspann angerissen. Und das nach den zwei Dekaden, die die Handlung von „Black Mass“ ohnehin umspannt. Als Charles Gasco soll er sechzehn Jahre in Santa Monica, Kalifornien, gelebt haben, bevor er 2011 geschnappt wurde.
James „Whitey“ Bulger ist einer der schillerndsten Figuren der amerikanischen Kriminalgeschichte. „Black Mass“ vollzieht die Karriere des Bostoner Gangsterbosses nach und erzählt auch eine Geschichte über Korruption, Herkunft und Loyalität. Scott Coopers Thriller-Drama „Black Mass“ reiht sich nahtlos in die amerikanische Tradition von Gangster-Epen ein, ohne dabei die Klasse von „Der Pate“, „Goodfellas“ oder „American Gangster“ zu erreichen. Mit „Public Enemies“ oder auch „Blow“ kann „Black Mass“ allerdings locker mithalten.
Black Mass
OT: Black Mass
Genre: Thriller, Drama, Biografie,
Länge: 123 Minuten, USA, 2015
Regie: Scott Cooper
Schauspiel: Johnny Depp, Dakota Johnson, Joel Egerton,
FSK: ab 16 Jahren
Verleih: Warner (Universal)
Kinostart: 15.10.2015
DVD-& BD-VÖ: 18.02.2016


