
Anlässlich des Kinostarts von „Der Tiger“ ein Film Review zu „Die Welle“ von 2008 aus dem Archiv. Während der Projektwoche an der Schule muss sich der Lehrer Rainer Wenger (Jürgen Vogel) mit “Autokratie” herumschlagen, dabei hätte der etwas andere Pauker viel lieber “Anarchie” angeboten. Es kommt zur Diskussion über Faschismus.
Denn auch die Schüler haben auf das Thema keine große Lust, scheint es doch wieder auf das Dritte Reich herauszulaufen. Schnell kommt unter den Schülern die Meinung auf, dass Faschismus in Deutschland heute nicht mehr möglich wäre. Lehrer Wenger startet ein Experiment. Was harmlos beginnt, bringt schnell totalitäre Strukturen an den Tag.
Zunächst vermittelt Rainer Wenger nur allgemein Disziplin und Solidarität, dann beginnt seine Projektklasse Gemeinschaftssinn zu entwickeln. Aus den Schülern wird schnell eine uniformierte Einheit, deren Faszination sich auch über den Klassenraum hinaus fortsetzt. Innerhalb kürzester Zeit sind eine schlichte Uniform, ein Symbol und ein Internet-Auftritt entstanden.
Der Name der Gruppe: “Die Welle”. Fast alle Schüler gehen in der Gemeinschaft auf und beginnen sich auch nach außen abzugrenzen. Die Bewegung zieht ihre Kreise und beginnt das Bild an der Schule zu prägen. Dann tauchen gesprayte Tags in der ganzen Stadt auf. Das Experiment droht außer Kontrolle zu geraten.
Ein Schulexperiment
“Die Welle” beruht auf dem Unterrichtsversuch “The Third Wave”, den der amerikanische Highschool-Lehrer Ron Jones in den 1960ern durchführte und der heute zu den Klassikern der Schullektüre zählt. Regisseur Dennis Gansel (”Napola”, “Das Phantom”), der das Drehbuch zusammen mit Peter Thorwart (”Goldene Zeiten”, Bang, Boom, Bang”) schrieb, ist eine zeitgemäße und packende Umsetzung des Stoffes gelungen.
Der Film spielt ausdrücklich im Hier und Jetzt. Durch kluge und gelungene Kombination solcher Elemente wie Graffiti, Theater-AG, Internet und Wasserball in den Erzählkontext umschifft “Die Welle” einen ganzen Haufen der Klischees, die Jugendkultur sonst gerne provoziert. Schulalltag und Lebensumstände der Schüler kommt authentisch rüber.
Eine Bewegung
Mit der Besetzung von Christiane Paul und Jürgen Vogel als Lehrerehepaar ist zwar für große Namen gesorgt, aber die eigentliche Attraktion der “Welle” sind die Schülerdarsteller, die als Ensemble perfekt aufspielen und durch die Bank weg überzeugen. Zwar richtet sich das Hauptaugenmerk der Story auf Marco (Max Riemelt) und Karo (Jennifer Ulrich), weil die ein Paar sind und sich durch die Welle von einander entfremden, aber in einem Film über eine Gruppe ist die Gruppe der Star.
Die Botschaft des Films ist eindeutig: Faschismus ist jederzeit wieder möglich. Auch in Deutschland, im Jahr 2008, auch und gerade, weil jeder denkt, inzwischen so klug und sensibel zu sein, dass das schon nicht passiert. Ehe man sich versieht, ist es zu spät und die Dinge sind aus dem Ruder gelaufen.
“Die Welle” ist ein absolut sehenswerter Film, der keineswegs mit erhobenem Zeigefinger daher kommt, sondern mitreißt und erschüttert, weil er sichtbar und erlebbar macht, wie leichtfüßig und harmlos sich Totalitarismus einschleicht. Ganz sicher ein wichtiger Film, nicht nur für junge Leute.
Die Welle
OT: Die Welle
Genre: Drama
Länge: 100 Minuten, D, 2008
Regie: Dennis Gansel
Vorlage: Unterrichtsversuch „The Third Wave“ von Ron Jones
Schauspiel: Jürgen Vogel, Jennifer Ulrich, Max Riemelt,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Constantin
Kinostart: 13.03.2008
DVD & BD-VÖ: 06.10.2008
Kinostart: 13.03.2008, 100 min., FSK: ab 12.