Stonewall: Flucht in die Großstadt

#Sommerkino25 goes CSD mit „Stonewall“ von 2015. Normalerweise lässt Regisseur Roland Emmerich mit Genuss und vielen Effekten die Welt untergehen. Mit dem Drama „Stonewall“ widmet sich der Regisseur, der gerade 60 geworden war, den Ursprüngen des Christopher Street Day. Emmerich ist selbst offen homosexuell und man darf wohl annehmen, dass ihm das Thema am Herzen liegt. Dennoch reißt einen „Stonewall“ nicht gerade vom Hocker.

Nur mit dem Nötigsten ausgestattet, kommt Danny (Jeremy Irvine) in New York an, und weiß nicht recht, wohin er soll. Also zieht es Danny nach Greenage Village, dem Ende der 1960er Jahre angesagten Boheme-Viertel der Metropole. Hier treiben sich um die Christopher Street auch die sexuellen Außenseiter herum. Und während Danny sich noch verschüchtert orientiert, kommt auch schon Ray (Jonny Beauchamp) auf ihn zu und fixiert das „Frischfleisch“ aus Kansas. Bei Ray und seinen obdachlosen Straßen-„Mädels“ findet Danny erst einmal Unterschlupf.

Danny droht das gleiche Schicksal aus Obdachlosigkeit und Prostitution. Eigentlich ist er zum Studieren nach New York gekommen. Nachdem er zuhause allerdings mit Joe, seinem Freund und dem Quarterback des Football-Teams, in einer intimen Situation erwischt wurde, hat er den konservativen Haushalt und den herrischen Vater im Streit verlassen. Nun fehlen ihm die Zulassungspapiere.

Straße statt Studium

Während Danny wartet, lernt er die Szene auf der Christopher Street kennen und hängt mit Ray und Freunden im Stonewall Inn ab. Der Laden ist zwar eine Schwulenbar, wird aber von der Mafia betrieben, die mit dem Alkoholausschank an Homosexuelle gutes Geld verdient. Man munkelt, Barbetreiber Ed (Ron Perlman) betätige sich auch als Zuhälter für den Mob. Razzien sind in diesen Tagen ebenso an der Tagesordnung wie Schikane und Gewalt gegen Homosexuelle.

Danny lernt den schwulen Aktivisten Trevor (Jonathan Rhys Meyers) kennen und zieht bei ihm ein. Mit den spärlich besuchten Meetings kann Danny allerdings herzlich wenig anfangen. Stattdessen wächst der Zorn in der homosexuellen Community auf der Christopher Street und in Danny, bis sich die Wut eines Tages in Krawallen entlädt.

Regisseur Roland Emmerich ist selbst offen homosexuell und hat „Stonewall“ mit eigenen Finanzmitteln zustande gebracht. Die Stonewall Riots gaben den Anlass für die Pride Parade, die seit 1970 jährlich stattfinden und im deutschsprachigen Raum als Christopher Street Day (CSD) bekannt sind.

Aktivismus für LGBT

Für den Kampf der Rechte der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender markieren Stonewall Aufstände einen Wendepunkt. Es geht also nicht nur um Schwule und im englischen Sprachraum hat sich das Buchstabenkürzel LGBT (für Lesbians, Gay, Bisexsexual and Transgender) eingebürgert, dass bei uns nach wie von noch nicht ganz durchgesetzt hat, in diesem Text aber verwendet wird.

Emmerich vergleicht den Stellenwert mit dem der Ereignisse von Selma für die schwarze Bürgerrechtsbewegung. Der Regisseur wollte mit „Stonewall“ auch auf die heutige, desaströse Situation jugendlicher Obdachloser aufmerksam machen. Das erfährt der Zuschauer allerdings erst im Abspann, der Film schafft es nicht, das zu verdeutlichen. Normalerweise ist Roland Emmerich in Hollywood für die Katastrophenfilme zuständig („2012“, „White House Down“, „The Day After Tomorrow“), aber „Stonewall“ kam gerade einmal mit einem Zehntel der Produktionskosten aus, die der Regisseur sonst benötigt.

Das macht selbstredend noch keinen Indie-Film, zeigt aber auch, dass sich Hollywood mit dem Thema Homosexualität noch immer schwer tut, wenn keine Stars in das Projekt einbezogen sind wie etwa in „Brokeback Mountain“ oder „Milk“. Eigentlich also ganz löblich, dass sich Emmerich des Themas annimmt und einer jungen Generation von LGBT ihre kulturellen Wurzeln näher bringt. Aber in den USA hat gerade die LGBT-Szene das Drama komplett zerrissen. So etwas schaukelt sich schnell hoch und wirkt nach der eigenen Sichtung des Films dann auch reichlich überzogen.

Ursprünge der Pride Parade

„Stonewall“ ist aus vielerlei Gründen nicht der Film, der er hätte werden können, ein Desaster ist der Film aber keineswegs. Stattdessen scheint das Drehbuch von Jon Robin Baitz komplett auf ein heterosexuelles Mainstreampublikum ausgerichtet. Das wirkt in seiner Umsetzung bisweilen etwas unglücklich und klischeehaft, zudem sind Besetzung und Kulissen äußerst fotogen. Das Konzept mag aufgehen und Menschen, die bislang keinerlei Berührungspunkte mit Homosexualität und Ähnlichen hatten, einen Weg bieten, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.

Vor allem die Entscheidung funktioniert nicht so recht, den fiktiven Charakter Danny als Leitmotiv in die historische Situation zu versetzen und die eigentlichen Akteure und Menschen, die aufgrund der Stonewall Riots aktiv geworden sind, zu Nebenfiguren zu machen. Das liegt im Wesentlichen daran, dass die Figur Danny und ihre Coming of Age Story so klischeehaft wie unoriginell angelegt sind, dass diese Haupthandlung den Film schlicht nicht über zwei Stunden zu tragen vermag.

Durch die naive Hauptfigur, der darstellerisch von dem charismatischen Ray locker der Rang abgelaufen wird, wirkt „Stonewall“ auch nicht politisch oder aktivistisch. Der Impuls, die Repressalien nicht mehr hinzunehmen, wird rein emotional dargestellt. Darüber hinaus hantiert der Film überflüssiger Weise auch mit Thriller-Elementen. Das Mafia-Thema und die Gewalt gegen Homosexuelle und Stricher erzeugt allerdings keine Spannung.

„Stonewall“ zeigt zwar die Ereignisse, die zum Christopher Street Day geführt haben, aber es fehlt dem Drama an Ecken, Kanten und vor allem an emotionaler Intensität. Roland Emmerich hat einen Film über ein durchaus wichtiges Thema gedreht. Aber einen Film, der letztlich niemandem wehtut – leider.

Bewertung: 5 von 10.

Stonewall – Where Pride Began
OT: Stonewall – – Where Pride Began
Genre: Drama,
Länge: 124 Minuten, USA, 2015
Regie: Roland Emmerich
Schauspiel: Jeremy Irvine, Ron Perlman, Jonathan Rhys Myers,
FSK: ab 12 Jahren
Verleih: Warner
Kinostart: 19.11.2015
DVD- & BD-VÖ: 19.05.2016

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