
Es sind schon etliche Leute weite Strecken gewandert um zu sich selbst oder irgendwohin zu finden. Die wenigsten sind unterwegs, weil sie gerade obdachlos und pleite sind. So geschehen dem englischen Ehepaar Winn, das seinen Hof verliert und daraufhin beschließt die südenglische Küste entlang zu pilgern auf eben jenem Salzpfad. Das Drama mit Gillian Anderson und Jason Isaacs ist ab dem 17. Juli im Kino zu sehen.
Der so genannte Salzpfad ist Großbritanniens längster Fernwanderweg. Der „South West coast Path“ erstreckt sich über etwa 1000 Kilometer von Minehead in Sommerset bis nach Poole Harbor in Dorset. (Nachzulesen bei Wikipedia). Als das Ehepaar Moth (Jason Isaacs) und Raynor (Gillian Anderson) Winn seinen Hof aufgrund eines Gerichtsprozesses verliert, stehen die beiden Mitfünfziger mit kaum mehr als der Kleidung am Leib dar.
Aus der Not heraus beschließt Raynor spontan mit ihrem Gatten Wandern zu gehen, vor allem um Zeit zu gewinnen. Die erwachsenen Kinder studieren und sind im Ausland und das Ehepaar macht sich von Minehead aus auf den Weg entlang des Salzpfads. Das ist umso gewagter, weil Moth eigentlich ärztlicher Behandlung bedürfte und kaum laufen kann.
Mit dem Reiseführer von Paddy Dillon macht sich das Paar auf den Weg, aber die erste Etappe brechen sie nach 4 Kilometern ab. Es wird unterwegs schon besser werden. Und auch das wilde Campen unterwegs klappt mit fortscheitender Wanderung stressfreier. Dennoch haben die Winns auf ihrer Wanderung immer wieder mit Hindernissen und Rückschlägen zu kämpfen.
„Was würde Paddy dazu sagen?“
Mit Camping Nostalgie oder Wandervogel Naturverklärung hat „Der Salzpfad“ nichts gemeinsam. Tatsächlich ist es bisweilen recht dramatisch dem Leid und der Verzweiflung der beiden Obdachlosen zuzusehen. dabei zeigt Moth trotz oder gerade wegen seiner Krankheit einen nahezu naiven Optimusmus, der ihn von Tag zu Tag trägt.
Der Mann hat eine degenerative Nervenerkrankung ähnlich Parkinson. Diese nicht heilbare CBD (Corticobasale Degeneration) soll äußerst selten auftreten und eher früher als später zu Demenz, Bewegungsstörungen und zum Tod führen.
Anfangs ist die Frage „Wie es denn soweit kommen konnte?“ schon ein Impuls sich auf den Film einzulassen. Dann aber gewinnt das Momentum der Bewegung Oberhand und das Publikum beginnt den Weg und dessen Herausforderungen mit den Protagonisten gemeinsam zu erleben.
Das ist von Jason Isaac und Gillian Anderson überzeugend vorgetragen und in empathischer Weise gefilmt. Auch sind es immer wieder die kleinen Begegnungen, die den Film auflockern. doch genauso gibt es Momente inniger Verbundenheit zwischen den Eheleuten, die als Kraftquelle und Motivation hinreichend sind um auch morgen wieder einen Fuß vor den anderen zu setzen.
Zelten am Strand
„Der Salzpfad“ beruht auf dem gleichnamigen biografischen Buch von Raynor Winn. Das ist aufgrund einer Recherche des Observers gerade zum Kinostart in die Schlagzeilen geraten. Autorin Raynor Winn wehrt sich gegen die Vorwürfe, Teile ihres Berichtes würden nicht der Wahrheit entsprechen. Wie sich diese Auseinandersetzung auch entwickeln mag, der Film als Erzählung nach realen Begebenheiten überzeugt durchaus und gibt am Ende auch noch Lebensmut mit auf den weg.
Allerdings muss das Publikum sich auch einlassen auf die Prämisse, dass jemand seine Existenz verliert, was letztlich jedem passieren kann. Ebenso kann es jederzeit geschehen, dass eine vermeintlich unheilbare Krankheit diagnostiziert wird. Über das britische Gesundheits- und Sozialsystem mag an anderer Stelle diskutiert werden. Die Wanderung von Moth und Raynor ist absolut plausibel. Was mir dann doch zuviel Inszenierung war, war der verzweifeltet Telefonanruf der erwachsenen Tochter, die im Ausland einen Bus verpasst hat. aber das mögen fürsorgliche Eltern anders sehen.
Was als Panikreaktion auf den Verlust der eigenen Existenzgrundlage beginnt, entpuppt sich als Weg in die Freiheit und Neuanfang aus dem Momentum der Bewegung heraus. Wie schon Johann Gottfried Seume (1763 – 1810) wusste: „Alles ginge besser, wenn man mehr ginge.“
Der Salzpfad
OT: The Salt Path
Genre: Drama, Biografie
Länge: 111 Minuten, GB, 2024
Regie: Marianne Elliot
Schauspiel: Gillian Anderson, Jason Isaacs
Vorlage: Gleichnamiger Roman von Raynor Winn
FSK: ab 6 Jahren
Verleih: DCM
Kinostart: 17.07.2025
Filmseite Der Salzpfad
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