Hagen – Im Tal der Nibelungen: Das Reich und die Liebe

Das Königreich Burgund steht nach dem Tod des alten Königs kurz vor einem Krieg. Nun ist Waffenmeister Hagen von Tronje gefragt, die Königsfamilie und das Reich zu verteidigen. Keine leichte Aufgabe, wenn es an starken Verbündeten fehlt und die eigene Loyalität auch noch durch die Liebe zur Schwester des neuen Königs geschwächt wird. Immerhin wurden Bündnisse im Mittelalter vor allem durch Heiraten erlangt. Die Neuinterpretation der Nibelungen-Saga nach einem Roman von Fantasy-Meister Wolfgang Hohlbein kommt am 17. Oktober 2024 in die Kinos.

Einst wurde das Waisenkind Hagen von Tronje in der Königsfamilie der Wormser aufgezogen und hat sich zu einem starken Krieger entwickelt. Als der alte König auf dem Schachtfeld stirbt, wird dessen Sohn Gunter (Dominic Marcus Singer) Thronfolger. Doch das vermeintliche Machtvakuum bringt auch Burgunds Feinde auf den Plan und das Reich steht kurz vor einem Krieg. Noch im Sterben hatte der alte König den Waffenmeister verpflichtet, die Familie zu beschützen.

Nun steht Hagen als Heerführer vor einer großen Herausforderung, denn die Armee ist geschwächt und es braucht mächtige Verbündete. Auftritt Siegfried von Xanthen (Jannis Niewöhner): der vagabundierende Krieger hat einen legendären Ruf und kommt mit seiner Truppe von Raufbolden an den Hof. Gunter plant ein Bündnis mit dem respektlosen Siegfried, indem er ihm die Schwester Kriemhild (Lilja van der Zwaag) zur Frau gibt. Die ist eigentlich seit ihrer gemeinsamen Kindheit in Hagen verknallt, der die Liebe erwidert. Aber der abgründige, animalische Siegfried übt ebenfalls eine Faszination aus.

Hinfallen

Hagen muss abwägen zwischen Pflicht und Liebe. Und auch wenn Siegfried unzuverlässig wirkt, ist er doch die beste Verstärkung, die dem Heer zur Verfügung steht. Oder gelingt es Gunter Brunhilde zu freien, die sagenumwobene Königin der Walküren? Dann kämpften deren Kriegerinnen für das Königreich Burgund.

Anstatt einfach erneut eine weitere Verfilmung des Nibelungenliedes an den Start zu bringen, haben sich die Filmmacher Cyrill Boss und Philipp Stennert („Der Pass“) entschieden einen fantastischeren Ansatz zu wählen und greifen auf die Variation der Saga zurück, die Fantasy-Bestseller-Autor Wolfgang Hohlbein 1986 veröffentlichte. Darin wird der Handlungskern der Saga nicht angetastet, aber die Perspektive verschiebt sich und die Charaktere werden anders als herkömmlich gedeutet.

Aufstehen

Eingebettet wird diese Verfilmung in ganz opulente Schauwerte, die finsteres Mittelalter in moderne Bildsprache übersetzen und mit viel popkulturellen Versatzstücken aufpimpen. Das ist durchaus gelungen und hat über weite Strecken hohen Unterhaltungswert. Allerdings wirkt die Handlung bisweilen etwas abrupt und einige Figuren sind seltsam freidrehend zum Rest des Ensembles. Eine mögliche Erklärung wäre die geplante Serienauswertung der Story für RTL. Eventuell wurde „Hagen – im Tal der Nibelungen“ bereits als Serie gedreht und zunächst fürs Kino zusammeneditiert. Das ist legitim, führt aber typischerweise zu einigen Lücken.

Krönchen richten

Nun kann das Publikum von einer Europäischen Koproduktion keine Hollywood-Schauwerte erwarten und auch mit dem kostenaufwändige Fantasy-Epos „Game of Thrones“ mag „Hagen“ kaum konkurrieren können. Die Frage ist, ob das überhaupt anvisiert wurde, oder ob nicht vielmehr eine düstere, abgründige mittelalterliche Geschichte von Liebe, Macht und Verrat erzählt wird, die auf den deutschen und nordischen Sagenschatz zurückgreift, der schon Richard Wagner und Fritz Lang inspiriert hat? Das lässt sich messen mit Bildwelten aus „Vikings“ oder „The Last Kingdom“ und möglicherweise mit Serienablegern von „Herr der Ringe“ & Co.

Wobei die fantastischen Elemente deutlich zurückgenommen sind. Des Helden Drachtentötung bleibt ebenso verborgen wie des Zwergen Alberichs Zauber- und Seherkünste oder gar die Tarnkappe, die Islands Königin besiegt.

Weitergehen

Stattdessen kommen in „Hagen“ moderne finstere psychologische Elemente zum Tragen, wie sie auch schon in der Thrillerserie „Der Pass“ inszeniert wurden. Hinzukommt der knackige düstere Pop einer Billie Eilish, die schon zum Trailer und den Drachenschatten ihren Hit „You should see me in a Crown“ ins ehrfürchtige Publikum haucht. Währenddessen nimmt Jannis Niewöhners Siegfried so offensichtlich Anleihen an der selbstzerstörerischen Art des Nirvana Sängers Kurt Cobain, dass es mich bisweilen gruselt. Allein, es funktioniert im Kontext dieser gebrochenen Helden und tragisch Verliebten.

Und Hagen? Der Titelheld ist handfest, aber immer wieder um Worte verlegen, selten lässt der unnahbare Krieger das Publikum und seine zu beschützende Familie an sich heran. Stets steht die Pflicht im Vordergrund. Ausgerechnet Siegfried stellt eben das in Frage und stürzt den Fels fast in die Brandung. Mag jed:r selbst sehen, ob daraus Empathie erwächst. Es bleibt tragisch.

„Hagen – Im Tal der Nibelungen“ ist episches Kino mit modernen Rittern voller Zweifel und Sehnsucht. Die freie Interpretation der Nibelungen-Thematik hat Schauwerte und Dreck zu bieten, wortkarge Kerle und wuchtige Kriegerinnen. Und eine tragisches Liebesdreieck, denn ohne das würde dem Epos der emotionale Kern fehlen. Bis zur Serien-Ausarbeitung der Hohlbein-Verfilmung nach klassischer Sage bleibt es schaurig düster auf der Leinwand.

Bewertung: 7 von 10.

Hagen – Im Tal der Nibelungen
OT: Hagen – Im Tal der Nibelungen
Genre: Fantasy,
Länge: 139 Minuten, D, 2024
Regie: Cyrill Boss, Philipp Stennert
Vorlage: Roman „Hagen von Tronje“ von Wolfgang Hohlbein nach dem Nibelungenlied
Schauspiel: Gijs Naber, Lilja van der Zwaag, Jannis Niewöhner
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Constantin Film
Kinostart: 17.10.2024

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