Ansichten am Donnerstag # 58: Große Erwartungen

Keine Panik, an dieser Stelle folgt jetzt keine literarische Kritik zu Charles Dickens großem Roman; vielmehr geht es um den Blockbuster-Sommer 2012 und die damit verbundenen Hoffnungen und Enttäuschungen der Fans. Dazu eine alte Binsenweisheit: Prägende Eindrücke lassen sich eigentlich nicht wiederholen.

Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wann ich „Alien“ zum ersten Mal sah, aber ich weiß, wie mich die unglaubliche Kulisse von H.R. Giger fasziniert hat. Der Science-Fiction-Klassiker hat, ebenso wie „Blade Runner“ bleibenden Eindruck hinterlassen. Als das kleine, fiese Monster aus dem Bauch platzte, war ich gepackt, belustigt und schockiert zugleich und diese Szene hat sich nachhaltig in mein Hirn gebrannt.

Ich habe dem Film inzwischen häufiger gesehen und die Stelle macht immer noch Spaß, aber so eindrucksvoll wie beim ersten, überraschenden Sehen war es einfach nicht mehr. Ich bin auch nicht mehr so jung, vielleicht auch nicht mehr so leicht zu beeindrucken und kenne inzwischen den einen oder anderen Film. Und es waren einige dabei, die mich echt umgerissen haben.

Natürlich freut sich der Fan, wenn es mehr von dem begeisternden Stoff gibt, aber die unverbrauchte, naive Vorfreude auf etwas Neues ist unwiederbringlich dahin. Man hegt und pflegt seine Erwartungshaltung, malt sich aus, wie es wohl diesmal sein wird und freut sich einen Ast. Häufig genug werden diese berechtigten, aber übersteigerten Erwartungen nicht mal ansatzweise erfüllt. Bei der „Matrix“-Fortsetzung bin ich im Kino eingeschlafen.

Vorfreude und Erwartungshaltung als Fan

Der Kinosommer 2012 haut einen ganzen Haufen Blockbuster raus, die fast alle gemeinsam haben, dass es schon Vorläufer gibt. „Egal, ob „Avengers“, „Ice Age“, „Spider-Man“, „The Dark Knight Rises“ oder wie aktuell “Prometheus” es gibt schon eine riesige, ausgefeilte Gedankenwelt, die dahinter steht und in die sich die neuen Abenteuer nicht nur souverän einfügen müssen, sondern gleichzeitig auch etwas Unverbrauchtes bieten sollen, ohne die Erwartungen der Fans zu enttäuschen. Eine Gratwanderung, die eigentlich nicht machbar ist. Dafür aber bei den oben genannten erstaunlich gut und kassenträchtig funktioniert. Die eine oder andere persönliche Enttäuschung bleibt da einfach nicht aus.

Altmeister Ridley Scott hat mit dem „Alien-Prequel“ „Prometheus –Dunkle Zeichen“ zumindest eine guten Science-Fiction-Film abgeliefert. Für mich hat die Wiederaufnahme des Themas und seine neue Ausrichtung erstaunlich gut funktioniert. Aber es finden sich immer auch Stimmen, die das anders sehen. Die finden sich allerdings auch bei jeder neuen Motörhead-Scheibe.

Es ist kein Fehler, sich auf etwas unbändig zu freuen, gelegentlich sollte man allerdings versuchen, die eigene Erwartung zu zähmen und sich ihrer bewusst zu werden. Dann hat man auch die Möglichkeit, sich einem Sequel, Prequel, Spin-Off oder Reboot halbwegs unvoreingenommen zu nähern. Mal sehen, was diesmal draus geworden ist. Meckern oder diskutieren kann man immer noch. Auch das gehört zum Fansein dazu.

Viel Spaß im Kino.

(ursprünglich veröffentlicht bei cinetrend.de, 09.8.2012)